Ein «unrealistischer» und «unmoralischer» Vorschlag
Statt Mauern zu bauen und die Grenze zu schliessen, sollten westliche Länder es Asylsuchenden und Migranten erlauben, legal in der Schweiz zu kommen. Unter welcher Bedingung? Sie müssten eine Gebühr von mehr als 9000 Franken bezahlen. Dieser Vorschlag von zwei Schweizer Ökonomen überzeugt weder die Rechte noch die Linke.
Zahlen für ein Asylgesuch? Diesen bereits im Frühling 2016 präsentierten Vorschlag haben die beiden Ökonomen Bruno S. Frey und Margit Osterloh am Wochenende erneut in der NZZ am Sonntag vorgestellt.
Cédric Wermuth, Vizepräsident der Sozialdemokraten, verurteilt die Idee: «Vielmehr sollten wir bei den westlichen Ländern oder multinationalen Unternehmen für einen finanziellen Beitrag anklopfen. Sie haben schliesslich während Jahrhunderten Kriege provoziert und eine hungrige lokale Bevölkerung hinterlassen, indem sie ihr das kapitalistische System aufzwangen. Wer ist verantwortlich für das Chaos in Libyen oder Syrien? Sicherlich nicht die Flüchtlinge.»
Für den Abgeordneten der grossen Parlamentskammer (Nationalrat), ist es «inakzeptabel und unmoralisch» von Menschen auf der Flucht vor Krieg eine Gebühr zu verlangen, damit sie Schutz suchen dürfen. Zudem sei das gegen den Geist der Genfer Konventionen, welche die Schweiz verwahrt.
Wermuth schlägt im Gegenteil vor, humanitäre Korridore zu schaffen, damit die Flüchtlinge sicher und kostenlos Asyl suchen können. Auch müssten die Umquartierungs-Programme innerhalb und ausserhalb der EU-Grenzen gestärkt werden, findet er.
Und was hält die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) davon, zu deren Hauptthemen die Asylkosten gehören? «Das ist ein total unrealistischer Vorschlag», sagt Parlamentarier Heinz Brand. «Was würde ein Europa ohne Grenzen bedeuten? Die Schweiz ist ein kleines Land und muss bereits jetzt eine unkontrollierte Einwanderung bewältigen. Wir können uns nicht leisten, alle und jeden einzulassen.»
Der Spezialist für Migrationsfragen weist auch darauf hin, dass diese Lösung weder die Kosten senken noch die Integration erleichtern würde. «Die meisten Migranten haben kein Berufsprofil, das den Bedürfnissen der Wirtschaft entspricht», so Brand. Laut ihm wäre es daher äusserst schwierig, sie in die Arbeitswelt zu integrieren und «schliesslich müsste wieder die Allgemeinheit für deren Unterhalt sorgen. Auf politischer Ebene wird dieser Vorschlag toter Buchstabe bleiben.»
(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)
Beliebte Artikel
Mehr
Swiss Abroad
Argentinien: Tausende Nachkommen von Ausgewanderten fordern den Schweizer Pass
Welche psychischen Herausforderungen mussten Sie nach Ihrer Auswanderung aus der Schweiz überwinden?
Trotz der Freude auf etwas Neues, kann Auswandern psychisch belastend sein. Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen – auch vertraulich via E-Mail möglich.
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch
Mehr lesen
Mehr
«Die Flüchtlingskrise ist noch lange nicht gelöst»
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Im dritten Quartal 2016 verzeichnete die Schweiz 7105 Asylgesuche, 42% weniger als in der gleichen Periode des Vorjahres. Der Hauptgrund für die Abnahme der Gesuche sei die Schliessung der Balkanroute, erklärte das Staatssekretariat für MigrationExterner Link (SEM). Doch auch die Tatsache, dass zahlreiche Asylsuchende ein anderes Land als Ziel hätten und deshalb kein Asylgesuch in…
Asyl: Schweiz verteidigt Dublin-Abkommen nicht zufällig
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die Schweiz gehört nicht zu den wichtigsten europäischen Zielländern für Asylsuchende. Aber sie liegt an der Spitze einer Rangliste, auf der die Anzahl Migranten figurieren, die ein Staat aufgrund des Dublin-Abkommens in einen anderen Staat überstellt hat. Das Abkommen – es wurde 1990 unterzeichnet und von der Schweiz 2008 angenommen – hält fest, dass ein…
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Welche Länder sind vom Zustrom von Migranten betroffen? Ist die Flüchtlingskrise beispiellos? Antworten in Grafiken und interaktiven Elementen.
Hardliner-Asylpolitik sorgt für Aufruhr in Vorstadt-Idyll
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Beim Aussteigen aus dem Bus an diesem Montag im Januar sind das warme Licht der Sonne und die Ruhe nach den belebten Strassen der grössten Stadt der Schweiz frappant. Nur ein paar Autos und Lastwagen fahren durch die Hauptstrasse, hier und da ist ein Fussgänger zu sehen, im Hintergrund das surrende Geräusch von Baukränen. Immer…
Sechs Grafiken für ein besseres Verständnis der Migration
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Noch nie haben so viele Flüchtlinge versucht, Europa über das Mittelmeer zu erreichen, wie in den ersten acht Monaten des Jahres 2015. Rund 432’000 Menschen sind seit Jahresbeginn über diese Route nach Europa geflohen. Im Vergleich zum ganzen Jahr 2014 hat sich die Zahl der an den europäischen Küsten eintreffenden Flüchtlinge demnach bereits mehr als…
«Vorläufige Aufnahme»: Nicht-Status spaltet Politik
Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht
Die Zahl der Bootsflüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Italien oder Griechenland gelangt sind, hat bereits Anfang Juni, also vor Beginn des eigentlichen Sommers, die Schwelle von 100’000 überschritten. Ein solcher Ansturm ist noch nie verzeichnet worden. Und er betrifft auch die Schweiz. Einerseits als Land, in dem viele Flüchtlinge Asyl beantragen, andererseits als Transitland,…
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch