Brauchen Sie einen diplomatischen Boten? Die Schweiz kann helfen
Mit allen Parteien reden, um «Vertrauen zu schaffen», ist eine lange Tradition der Schweizer Diplomatie. In den letzten Jahren hat Bern seine sogenannten Schutzmachtmandate fast verdoppelt. Wie erklärt sich das wiederaufkommende Interesse an dieser Politik der Guten Dienste?
«Sie kommen zu uns und wollen, dass wir zwischen zwei Ländern vermitteln, die nicht mehr miteinander reden», sagte Pascale Baeriswyl, damals Staatssekretärin im Aussendepartement, im Dezember 2019 gegenüber SWI swissinfo.ch. Das sei ein Zeichen unruhiger Zeiten, es gebe «viele Brennpunkte in der Welt», wo Länder ihre bilateralen Beziehungen zurückstuften.
Die Schweiz hat derzeit sieben Schutzmachtmandate, so die offizielle Zählweise. Nach Schweden, das die fremden Interessen in neun Fällen wahrt, steht Bern international an zweiter Stelle. Dabei konzentrieren sich die Schutzmachtmandate Schwedens alle auf Nordkorea.
Als Schutzmacht übernimmt die Schweiz in der Regel einen Teil der konsularischen Aufgaben, wenn zwei Staaten ihre Beziehungen ganz oder teilweise abbrechen. Darunter fällt beispielsweise die Ausstellung von Visa. Das Mandat kann auch Verhandlungen erleichtern.
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Während der Amtszeit Baeriswyls begann die Schweiz, die diplomatischen Interessen Saudi-Arabiens im Iran zu vertreten und umgekehrt. Sie vertritt auch den Iran in Kanada, während die Interessen Kanadas im Iran von Italien vertreten werden.
Bern hat auch eine Vereinbarung über ein Schutzmachtmandat für die USA in Venezuela unterzeichnet. Allerdings hängt dessen Umsetzung von der Zustimmung aus Caracas ab und bis jetzt hat die Regierung von Nicolas Maduro das Mandat nicht bestätigt.
Zusätzlich zu diesen neuen Mandaten vertritt die Schweiz seit 1979 den Iran in Ägypten, seit 1980 die USA im Iran, seit 2008 Russland in Georgien und seit 2009 Georgien in Russland.
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Je diskreter, desto besser
Die Guten Dienste der Schweiz gehen zurück ins 19. Jahrhundert. Diese Rolle der «Briefträgerin» ist seither immer wichtiger geworden. Während des Zweiten Weltkrieges jonglierte Bern mit 219 Mandaten von insgesamt 35 Regierungen, darunter jene der wichtigsten Kriegsmächte. Aufgrund der Neutralität wuchsen die Schweiz und Schweden damals zu den bevorzugten Schutzmächten heran.
Über mehrere Jahrzehnte hinweg spielten Schweizer Diplomaten auch eine entscheidende Rolle bei der Entschärfung der Kuba-Krise 1962 und der US-Geiselkrise im Iran zwischen 1979 und 1981.
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In jüngerer Zeit erleichterte die Schweiz im Dezember 2019 einen Gefangenenaustausch zwischen den USA und dem Iran – eine seltene Entspannung in den sich sonst eher verschlechternden Beziehungen.
Im April des gleichen Jahres hatte sie dazu beigetragen, die Freilassung eines US-Bürgers aus einem Gefängnis in Venezuela zu erreichen.
Welchen Nutzen hat die Schweiz?
Auf die Frage, ob die Schweiz für die Bereitstellung der Guten Dienste bezahlt wird, antwortet das Aussenministerium, dass nur die Unkosten bezahlt würden. Warum also übernimmt Bern solch komplexe Aufgaben?
«Erstens wollen wir helfen», sagte der ehemalige Schweizer Botschafter im Iran, Philippe Welti, gegenüber swissinfo.ch im Jahr 2013. «Das mag naiv klingen, ist aber sicher wahr.»
Aber es ist mehr als das, wie Welti sagt: «Es ist zweitens eine gute Möglichkeit, sich bei anderen Staaten als nützliche Einheit in Erinnerung zu halten. In Kriegen drohen Unbeteiligte marginalisiert zu werden. Das war im Zweiten Weltkrieg besonders dramatisch, weil diese Marginalisierung in eine feindliche Haltung gegenüber der Schweiz umschlug.»
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Auch erhält die kleine Schweiz so scheinbar etwas Einfluss mit Blick auf die aktuellen Supermächte dieser Welt. Erst im vergangenen Jahr stand die Schweiz plötzlich gross auf dem diplomatischen Radar der USA und es kam zu einem Treffen zwischen Präsident Donald Trump und dem damaligen Bundespräsidenten Ueli Maurer im Mai 2019.
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