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«Alphatier» im Weissen Haus: Wie wird die Welt unter Trump?

Die Vereinten Nationen in Genf. Wird Donald Trump das US-Budget für internationale Organisationen reduzieren? Reuters

Eine ganze Reihe starker Männer mit ähnlichem Temperament haben Donald Trump bereits zu seiner Wahl zum US-Präsidenten gratuliert. Was bedeutet das für das internationale System und dessen Organisationen, von denen zahlreiche ihren Sitz in Genf haben? Auf der Suche nach einer Antwort.

Mit einer republikanischen Mehrheit in beiden Parlamentskammern kann Donald Trump sein Präsidentenamt gelassen antreten. Während seiner ersten Rede als frischgebackener US-Präsident deutete er an, was diese komfortable Situation für seine Aussenpolitik heissen könnte.

«Wir werden uns mit allen Nationen verstehen, die gut mit uns auskommen wollen. Wir müssen das Schicksal dieses Landes in unsere Hände nehmen und grosse Träume haben. Die Internationale Gemeinschaft soll wissen, dass die USA mit allen gerecht sein werden, obwohl sie die Weltmacht Nummer eins sind», sagte Trump. «Wir suchen die Verständigung, nicht die Feindschaft, die Partnerschaft, nicht den Konflikt.»

Die Staatsmänner, die sich vor einem neuen Interventionismus der USA unter Hillary Clinton gefürchtet hatten, dürften diese Worte freuen. Russlands Präsident Wladimir Putin gehörte zu den ersten, die reagierten. Er äusserte seine Hoffnung auf eine Verbesserung der russisch-amerikanischen Beziehungen: «Zwischen Moskau und Washington wird ein konstruktiver Dialog entstehen, basierend auf den Prinzipien der Gleichheit, des gegenseitigen Respektes, der Berücksichtigung beider Positionen, im Interesse ihrer Völker und der internationalen Gemeinschaft.»

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«Von Herzen» gratulierte ihm auch der philippinische Präsident Rodrigo Duterte. Dieser hat bezüglich aufsehenerregender Aussagen und beleidigender Äusserungen den gleichen Geschmack wie Trump. Er sei gespannt darauf, mit dem neuen US-Präsidenten zu arbeiten. Duterte sprach davon, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern wieder verbessern zu wollen. Dies nachdem er erst kürzlich damit gedroht hatte, die Allianz zwischen Washington und Manila zugunsten Pekings zu brechen.

Kräftemessen statt Völkerrecht

Nicht alle sehen die Wahl Trumps zum neuen US-Präsidenten so wohlwollend wie Putin und Duterte. Für viele Regierungen ist sie ein Sprung ins Ungewisse. Frankreichs Präsident François Hollande sprach von einer «Periode der Unsicherheit».

So denkt auch Daniel Warner. Er ist amerikanischer Politologe und wohnt in Genf. «Aufgrund seines Charakters sieht Trump die Dinge nur in Form eines Kräfteverhältnisses», sagt er. Zusammenarbeit kenne er nicht. Trump sei ein männliches Alphatier und kein konsensträchtiges Wesen. «Entweder du gewinnst oder du verlierst.» Trump gebe damit an, gut verhandeln zu können. Doch habe er überhaupt keine politischen und diplomatischen Erfahrungen. Hier gälten nicht die gleichen Regeln wie in der Geschäftswelt.

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Zwar könnten bilaterale Beziehungen geführt werden, die auf dem Kräfteverhältnis basierten, so Warner weiter. Sobald man es aber mit supranationalen Organisationen und multilateralen Verhandlungen zu tun habe, gehe das nicht mehr. Hier gelte es, einen Konsens zu finden und Feingefühl zu zeigen. «Wird Trump das können?», fragt der Politologe.

Martin Naville, Chef der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer, bezweifelt das. «Trump hat davon gesprochen, Strafzölle auf Produkte aus China und Mexiko zu erheben. Zudem will er sich aus Handelsabkommen zurückziehen und die Welthandelsorganisation (WTO) verlassen.» Sollten die USA unter Trump tatsächlich eine protektionistische Handelspolitik verfolgen, würde das auch negative Auswirkungen auf die Schweiz haben, ist Naville überzeugt.

Wie wird Trumps Kabinett aussehen?

Die USA könnten also eine isolationistische Position einnehmen. Die Wahl Trumps bestätigt eine aktuelle Tendenz, die auch Europäer zu begeistern vermag, insbesondere auch die Schweizer und Schweizerinnen. Doch ist diese Politik in der Lage, die aktuellen Krisen zu bewältigen, beispielsweise die Klimaerwärmung, die der neue US-Präsident negiert?

Um diese Fragen zu beantworten, muss der 20. Januar 2017 abgewartet werden: An dem Tag wird Trump vereidigt, und er wird zusammen mit seinem Kabinett die Arbeit aufnehmen. «Hierfür muss sein Team mehrere tausend Personen rekrutieren. Das ist eine Herkulesaufgabe. Insbesondere deshalb, weil sich Trump mit dem republikanischen Establishment überworfen hat. Er sprach sich für Personen aus, die nicht das perfekte Profil mitbringen. Und er machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber der Elite in Washington», sagt Politologe Warner. «Doch um die Weltmacht Nummer 1 zu regieren, braucht es Profis.»

Ein weiterer Grund zur Beunruhigung ist Trumps Verachtung von Minderheiten und Frauen. Seine menschenrechtsfeindlichen Äusserungen während des Wahlkampfs riefen Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International, auf den Plan. «Mehrere Male hat der nun gewählte Präsident während des Wahlkampfes für allgemeine Bestürzung gesorgt. Mit Blick auf das künftige Engagement der USA in Sachen Menschenrechte sind seine Aussagen sehr besorgniserregend.» Shetty verlangt, dass Trump diese Sichtweise nun ändert. Er müsse das Menschenrechts-Engagement der USA bekräftigen und einhalten, sowohl im In- als auch im Ausland.

Warner hat da seine Zweifel: Trump spreche nicht von Recht, sondern von Macht. «Das Völkerrecht steht nicht auf seiner Prioritätenliste. Sollte das so bleiben, wird man die Konsequenzen auch im internationalen Genf spüren, insbesondere im Menschenrechtsrat.»

(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)

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