«Jeder hat das Recht, sich eine eigene Heimat zu suchen»
Was bedeutet Heimat? Welchen Sinn haben Wurzeln? Und warum ist es wichtig, einen Bezug zum Geburtsland zu behalten? Fragen, welche die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer beschäftigen, die sich an einem Punkt in ihrem Leben dazu entschlossen haben, auszuwandern. swissinfo.ch stellte die Frage nach dem Schweizersein einigen Mitgliedern des Auslandschweizerrats bei ihrer Sitzung in Basel.
Gian Franco Definti hat keine Zweifel: «Die Heimat ist der Ort, wo ich geboren wurde, wo ich meine Wurzeln habe und deren Sprache ich spreche.» Definti hat das Italienische und den Tessiner Dialekt auch an seine Söhne weitergegeben. Er ging jung nach Italien, spürte aber immer die Notwendigkeit, einen engen Kontakt mit seinem Herkunftsland aufrecht zu erhalten. «In der Schweiz finde ich eine Sicherheit, die mir anderswo fehlt und die für mich vielleicht eine Art Zuflucht ist», sagt er.
Definti, Präsident des Schweizer Vereins Mailand, will jedoch keinen Mythos um die Konzepte von Nationalität und Heimat machen. «Wir sind alle Weltbürger. Einige hatten das Glück, in einem reichen Land geboren worden zu sein, andere nicht. Doch es steht nirgends geschrieben, dass es immer so sein wird. Dinge können sich ändern, wenn wir nationalistische Strömungen überhandnehmen lassen. Jeder hat das Recht, sich eine eigene Heimat zu suchen.»
Für die slowakische Schriftstellerin Irena Brežná die Bedeutung des Begriffs Heimat viel durchlässiger. «Für mich ist Heimat auch jener Ort, wo man sich verpflichtet, etwas zu unternehmen. Ich bin 1968 mit 18 Jahren in der Schweiz angekommen, wo ich mich sofort für die Frauenrechte einzusetzen begonnen habe. Die Schweiz ist deshalb auch meine Heimat.»
Die 67-jährige Brežná schreibt auf Deutsch, spricht mit ihren Kindern slowakisch und träumt in diversen Sprachen. Für sie ist Identität etwas Fluides, wie auch das Konzept von Heimat.
Die Bindung zum Herkunftsland kann auch durch Ablösung verstärkt werden, betont Yasmin Meichtry, Verantwortliche «Heritage» bei der Olympischen Stiftung. «Ich versuchte für einen Grossteil meines Lebens, aus der Schweiz und vor allem aus dem Wallis zu fliehen. Als ich dann in Frankreich arbeitete, organisierte ich das Fest für den 1. August, mit viel Raclette und Folklore», erzählt sie lachend.
Für junge Menschen, die im Ausland geboren wurden, ist es aber viel schwieriger, eine Beziehung mit der Schweiz zu pflegen. «Oft kennen sie ihr Herkunftsland kaum über Wilhelm Tell und den neuen Gotthard-Basistunnel hinaus», sagt Gian Franco Definti. «Das zeigt auch die tiefe Beteiligung von Jungen an den Schweizer Vereinen im Ausland.» Ein Problem, das die Fünfte Schweiz stark beschäftigt, die in Basel auch nicht von allzu vielen in ihren Jugendjahren vertreten war.
Eine der Ausnahmen war der Schweiz-Tunesier Najib Bourkhis, der vor Publikum erklärte, was es für ihn bedeutet, zwei Nationalitäten zu haben. «Es ist die Möglichkeit, zwei Kulturen zu leben, die Besonderheiten der beiden Länder zu integrieren und ein gutes Gleichgewicht zu finden.»
Was bedeutet es, ein «guter Schweizer», eine «gute Schweizerin» zu sein?
Für Ausländerinnen und Ausländer, die in der Schweiz leben, ähnelt der Weg zum roten Pass oft einem Hürdenlauf. Kandidierende werden gebeten, zu beweisen, dass sie «gute Schweizer Bürger» sind und müssen bezeugen, dass die Eidgenossenschaft ihre Heimat geworden ist. Aber was bedeutet es, ein «guter Schweizer, eine gute Schweizerin» zu sein? Wir haben einige Mitglieder des Auslandschweizerrats gefragt.
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