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Bundespräsidentin besorgt über Lage in Syrien

"Redefreiheit ist zentral": Evelyne Widmer-Schlumpf Reuters

Vor der UNO-Generalversammlung hat sich Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf für Reformen der UNO – nicht zuletzt im Sicherheitsrat – stark gemacht. Zur Sprache brachte sie auch den Syrien-Konflikt und das Recht auf freie Meinungsäusserung.

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte zum Auftakt mit drastischen Worten ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien. Der nun schon 18 Monate andauernde Konflikt entwickle sich zu einer «regionalen Katastrophe mit globalen Auswirkungen». Die internationale Gemeinschaft dürfe nicht länger wegschauen, wenn die Spirale der Gewalt ausser Kontrolle gerate.

Ban appellierte vor allem an die Mitglieder des Sicherheitsrats und die arabischen Länder, die Bemühungen des internationalen Syrien-Gesandten Lakhdar Brahimi zu unterstützen. «Wir müssen die Gewalt und die Lieferung von Waffen an beide Seiten stoppen und einen Übergang unter syrischer Führung so schnell wie möglich in Gang bringen», sagte Ban.

Im Sicherheitsrat blockierten China und Russland bereits drei Mal einen von westlichen Staaten eingebrachten Resolutionsentwurf, der Assad mit Konsequenzen droht. Seit Ausbruch des Aufstandes gegen das Regime Assads sind nach Angaben der Opposition mehr als 29’000 Menschen getötet worden, darunter viele Zivilpersonen.

Strafgerichtshof einschalten

Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf erklärte, die Schweiz verfolge die dramatische Verschlechterung der Lage mit grosser Sorge. Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht würden missachtet. «Unschuldige Menschen sterben, gefangen im Kreuzfeuer zwischen der syrischen Armee und der bewaffneten Opposition.»

Mehr als eine Million Menschen seien innerhalb des Landes auf der Flucht und über 250’000 ins benachbarte Ausland geflüchtet. Der Zugang zu Verletzten und traumatisierten Opfern des Konflikts sei fast unmöglich.

Sie verwies darauf, dass die Schweiz die humanitäre Hilfe an Syrien und die Nachbarländer bisher mit 13 Mio. Franken unterstützt habe. Solange die Menschenrechte in Syrien in derart schwerster Art verletzt würden und die Verantwortlichen davon ausgingen, dafür nicht zur Verantwortung gezogen zu werden, werde es in dem Land keine Sicherheit geben.

Die Schweiz fordere daher, dass die Verantwortlichen der schweren Verletzungen der Menschenrechte zur Rechenschaft gezogen werden müssten. «Straflosigkeit ist nicht nur unmoralisch.» Sie behindere auch den Versöhnungs-Prozess in der Gesellschaft nach einem Konflikt und führe dazu, dass sich die Geschichte wiederhole.

Petition der Schweiz

In ihrer Rede appellierte die Bundespräsidentin an die Staatengemeinschaft, sich der Initiative der Schweiz anzuschliessen, die den UNO-Sicherheitsrat mit einer Petition auffordern will, die Situation in Syrien an den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) zu überweisen. Mehr als 30 Staaten unterstützen dieses Anliegen bisher.

Die Schweiz hatte die Initiative zu der Petition an den Sicherheitsrat im Juni ergriffen. Bevor der Brief an den Rat gehe, möchte sie aber die Unterstützung von mindestens 50 Staaten, wie Aussenminister Didier Burkhalter am Montag in New York vor den Medien erklärt hatte.

Widmer-Schlumpf begrüsste auch die Arbeit der Untersuchungskommission für Syrien, die vom UNO-Menschenrechtsrat in Genf eingesetzt wurde – und möchte, dass diese verstärkt wird.

In dem Zusammenhang hat die Schweiz auch vorgeschlagen, die ehemalige Anklägerin beim Jugoslawien-Tribunal, Carla Del Ponte, in die Kommission aufzunehmen. Ein Entscheid darüber sollte in Kürze fallen, hiess es bei einem Treffen von Schweizer Medien mit Widmer-Schlumpf und Burkhalter am Montag in New York.

Meinungsäusserungsfreiheit

In Abweichung vom Redetext brachte Widmer-Schlumpf auch das Recht auf freie Meinungsäusserung auf – wie vor ihr schon US-Präsident Barack Obama. Zum Auftakt seiner Rede hatte Obama den in Bengasi (Libyen) getöteten amerikanischen Botschafter Chris Stevens als Brückenbauer geehrt.

Obama verurteilte die Angriffe gegen US-Botschaften, die das «rohe und widerliche» Mohammed-Video nach sich gezogen hatte, als Angriffe gegen die USA – sie seien aber auch Angriffe gegen die Prinzipien und Grundwerte der UNO.

Obama zeigte Verständnis dafür, dass sich viele Muslime in der Welt von dem Video beleidigt fühlten. Gleichzeitig machte er sich eindringlich stark für mehr Toleranz und unterstrich Wichtigkeit und Bedeutung der Redefreiheit und der freien Meinungsäusserung.

Widmer-Schlumpf erklärte vor der Presse, dieses Thema sei ihr sehr wichtig. «Ich denke, in einem freiheitlichen Staat ist die Redefreiheit zentral. Sie hat dort ihre Grenzen, wo sie über Gewalt ausgeübt wird. Andererseits darf man das Recht auf freie Meinungsäusserung auch nicht mit Gewalt zu unterdrücken versuchen.»

Zwei Haupt-Schwerpunkte des Schweizer Engagements in der UNO sind die Reformen der Institutionen sowie Sicherheit- und Friedenspolitik.

Die Schweiz will sich für eine «starke, moderne und effiziente» UNO einsetzen. Die Welt brauche eine UNO, die ihre Abläufe stets optimiere und der heutigen Zeit anpasse. Das Reformprojekt des UNO-Generalsekretärs soll laut Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf rasch umgesetzt werden.

Die UNO handle dann richtig, wenn sie Lösungen zu Konflikten finde und diese nicht blockiere. Dass die ständigen Mitglieder im UNO-Sicherheitsrat ein Veto einlegen können, sei in Fällen von Genozid, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit kaum zu rechtfertigen.

Die Schweiz fordere daher weiterhin eine Verbesserung der Arbeitsweise des Sicherheitsrates. Die Kooperation mit anderen UNO-Organen müsse enger werden und das Vetorecht sollte eingeschränkt werden.

Zum Bereich Sicherheit und Frieden erklärte Widmer-Schlumpf, die UNO solle ihre Kapazitäten in der Konfliktprävention und der Mediation weiter ausbauen. Sie verwies darauf, dass die Schweiz in den 10 Jahren seit ihrem Beitritt aktiv an etwa 30 Mediationen in rund 20 Ländern beteiligt gewesen sei.

Nach ihrem Auftritt vor der Generalversammlung traf die Bundespräsidentin den ägyptischen Präsidenten Mohamed Mursi zu einem bilateralen Gespräch. Dabei erkundigte sie sich nach den Fortschritten bei der Schaffung demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen in Ägypten und sicherte Mursi die Unterstützung der Schweiz bei der demokratischen Transition zu.

Thema waren auch die eingefrorenen Vermögenswerte. Die Schweiz habe ein Interesse, die Gelder, deren illegale Herkunft rechtlich nachgewiesen werden könne, so rasch als möglich an Ägypten zurückzuerstatten. Entscheidend sei dabei die enge partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den ägyptischen Behörden.

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