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Bundesrätin will Asyl-Verfahren beschleunigen

Innerhalb von vier Monaten sollen Asylgesuche künftig abgeklärt werden. Keystone

Die Pläne von Justizministerin Simonetta Sommaruga, Fristen für Asylgesuche zu kürzen und den eidgenössischen Behörden mehr Gewicht zu geben, rufen gemischte Reaktionen hervor.

An einem Treffen der Staatspolitischen Kommission des Ständerats, die die Massnahmen einstimmig begrüsste, sagte Sommaruga, das Ziel sei, dass die meisten der Asylgesuche innerhalb von 120 Tagen behandelt werden. Die restlichen sollten nicht mehr als 12 Monate auf einen endgültigen Entscheid warten.

In einer Anfangsphase sollten die Gesuchsteller in Zentren wohnen, die von den eidgenössischen Behörden geführt werden, anstatt in von Kantonen verwalteten Unterkünften, wie es zur Zeit der Fall ist.

«Wir brauchen die Zusammenarbeit mit den mit den Kantonen», sagte Sommaruga, und fügte an, dass das heutige System zu komplex sei.

Sie schlug vor, den Schutz der Asylsuchenden zu verstärken, aber lehnte Aufrufe, das Asylrecht zu straffen oder gar Internierungslager zu schaffen, ab.

Es könnte fünf Jahre dauern, bis die Reform umgesetzt ist. Die Regierung sieht sich jedoch schon mit Forderungen aus dem Parlament konfrontiert, die verlangen, bis im Herbst eine Liste mit kurzfristig umsetzbaren Vorschlägen vorzulegen.

Reaktionen

In einer ersten Reaktion warf die Schweizerische Volkspartei (SVP) Sommaruga und dem Ständerat vor, die Frage zu verschleppen: «Sommaruga will neue und teure Strukturen schaffen, anstatt die Prozedur mit einfachen und schnellen Massnahmen zu beschleunigen», sagte die Partei in einer Stellungnahme. Die anderen politischen Parteien haben noch nicht reagiert.

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe, eine Nichtregierungs-Organisation, begrüsste die Vorschläge. Sie seien fair und gerechtfertigt.

«Alle Beteiligten werden davon profitieren», meinte die Flüchtlingshilfe in einer Stellungnahme, gemeint seien die Flüchtlinge, abgewiesene Asylbewerber und der Staat, der Geld sparen könne, weil die Prozesse verkürzt werden. «Es wird die Glaubwürdigkeit des Asylsystems verbessern.»

Die Präsidentin der 26 kantonalen Justiz-und Polizeibehörden, Karin Keller-Sutter, sagte, dass die Vorschläge mit dem übereinstimmen, was die Kantone seit langem fordern:»Ich hoffe, dass diese Vorschläge umgesetzt werden», sagte sie im Schweizer Fernsehen.

Die Kantone und die eidgenössischen Behörden waren in Bezug auf die Unterbringung von Asylbewerbern oft nicht einig gewesen.

Die Geschichte der Reformen

Die vorgeschlagene Reform ist die letzte in Serie in den letzten dreissig Jahren. Sie hat keinen direkten Zusammenhang mit der wachsenden Zahl von Asylgesuchen aus Nordafrika.

2002 schlug die Regierung vor, die Asylgesetze zu straffen. Dies wurde 2006 vom Schweizer Stimmvolk in einer nationalen Abstimmung gutgeheissen.

Das Gesetz erlaubt es, Asylsuchende zurückzuweisen, denen es nicht gelingt, innerhalb von 48 Stunden gültige Reise- und Identifikationsdokumente vorzulegen und jene, die sich weigern, auszureisen, maximal zwei Jahre in Abschiebehaft zu nehmen. Abgelehnte Asylbewerber verloren auch das Recht auf Unterstützung durch Sozialhilfe. Sie haben nur Anrecht auf Nothilfe.

Der Vorgänger von Simonetta Sommaruga, Christoph Blocher, Vordenker der Schweizerischen Volkspartei, ordnete eine Reduktion von Personal und Unterkünften an. Er ging von der Annahme aus, dass in der Schweiz nicht mehr als 12’000 Asylgesuche gestellt würden.

In Wahrheit gingen die Asylanfragen mitten in einer Diskussion über die Kantone, die nicht genug Unterkünfte zur Verfügung stellten, zurück.

Drei Jahre zuvor hatte die damalige Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf Pläne zur Debatte gestellt, die Zahl der Asylsuchenden zu beschränken, indem man Gesuche aus Schweizer Botschaften nicht mehr zulassen sollte oder dadurch, dass gewissen Menschen nicht mehr erlaubt wird, Asylgesuche zu stellen. Damit waren zum Beispiel Männer aus Eritrea gemeint, die nicht in der Armee ihres Landes dienen wollten.

Von Janaur bis März 2011 haben 4371 Personen in der Schweiz ein Gesuch um Asyl eingereicht. Gegenüber der Vorjahresperiode bedeutet dies eine Zunahme von 18%.

Die meisten Gesuche stammten aus Eritrea (724 insgesamt, ein Anstieg von 35% im Vergleich zum Vorjahr), Nigerianern (428, Abnahme um 32%) und Tunesiern (251, Zunahme um 77%).

Im März allein wurden 1874 Gesuche gestellt, ein Drittel mehr als im März 2010

Das Schweizer Justizministierium sagte, die Schweiz könne Flüchtlingen aus Libyen Schutz bieten, aber so genannte Wirtschaftsflüchtlinge aus Tunesien würden zurückgeschickt.

Eine erste Reform des Gesetzes trat 1984 in Kraft. Es erlaubte den Behörden, Asylgesuche als unbegründet abzulehnen.

1988 verloren Asylsuchende das Recht, zu arbeiten und die Behörden erhielten das Recht, abgewiesene Asylbewerber vorübergehend festzunehmen.

In den 1990ern wurden die einschränkenden Massnahmen gegen abgelehnte Asylbewerber ausgedehnt, auch die Liste der Gründe, ein Gesuch als unbegründet abzulehnen, wurde erweitert.

In den letzten zehn Jahren wurde die Annahme der Gesuche schwieriger, Rekursfristen wurden kürzer gestaltet, die finanzielle Unterstützung gekürzt und die Möglichkeit, jemanden in Haft zu behalten, verlängert.

2006 stimmten die Schweizer Stimmberechtigten einer Vorlage zu, dass nur Personen für Asyl in Betracht kommen, die mit gültigen Reisedokumenten einreisen.

(Quelle: Schweizer Flüchtlingshilfe)

(Übertragung aus dem Englischen: Eveline Kobler)

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