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Isabelle Moret, die Stimme der bürgerlichen Frauen

Nach einem holprigen Kampagnenstart will Isabelle Moret auf der Zielgeraden überzeugen und am 20. September die achte Bundesrätin des Landes werden. Keystone

Die liberal-progressive Politikerin Isabelle Moret, eine kompetente und geschätzte Parlamentsabgeordnete, setzt im Rennen um die Nachfolge von Didier Burkhalter im Bundesrat auch auf die Frauenkarte, um das Spiel aufzumischen. Ihre Chancen gegenüber dem Kronfavoriten, dem Tessiner Ignazio Cassis, gelten dennoch als gering.

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«Die Kompetenzen haben Vorrang», betont Isabelle MoretExterner Link (46 Jahre) immer wieder, seit die Waadtländer Sektion der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen) sie am 10. August offiziell für das Rennen um die Nachfolge von Didier Burkhalter im Bundesrat lanciert hat.

Dennoch zögert die Politikerin nicht damit, in den Medien jeweils ihren Lebenslauf hervorzuheben, vor allem ihre Erfahrung als getrennt lebende Mutter. Sie will sich so vom Tessiner Ignazio Cassis und dem Genfer Pierre Maudet abheben, den anderen beiden Kandidaten, die sich um den freiwerdenden Sitz in der Schweizer Regierung bewerben.

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So erklärte Moret etwa in einem Interview mit dem öffentlich-rechtlichen Westschweizer Radio RTS: «Es gab noch nie eine Mutter mit schulpflichtigen Kindern im Bundesrat.» Zudem unterstrich sie die Bedeutung der Gleichberechtigung und wie wichtig es sei, dass die «gesamte Bevölkerung» im Bundesrat vertreten sei.

«Die FDP-Frauen warten seit 28 Jahren [darauf, in der Regierung vertreten zu sein].» Noch schlimmer aber sei, dass noch nie eine Frau aus einer Rechts- oder Zentrums-Partei im Bundesrat gesessen habe, die aus der lateinischen Schweiz gekommen sei, betonte sie.

Isabelle Moret widersetzt sich zwar der positiven Diskriminierung und weigert sich, die Frauenkarte als politisches Argument einzusetzen – was gewisse linke Frauen verärgern kann. Dennoch sieht sie sich nun gezwungen, ihre Stellung als Frauenjoker zu nutzen, wenn sie bei der Wahl durch die Abgeordneten der Bundesversammlung überhaupt eine Chance haben will, wenn auch nur eine winzige.

Ein Tessiner oder eine Frau?

In der subtilen Alchemie, die eine Wahl in die Schweizer Regierung regelt, sieht sich Moret – jenseits aller Überlegungen, was ihre Regierungsfähigkeiten angeht – in der Tat mit einem grossen Handicap konfrontiert: Sie kommt aus dem Kanton Waadt, der mit Bundesrat Guy Parmelin bereits in der Regierung vertreten ist, und sie steht Ignazio Cassis gegenüber, dem Kandidaten aus der italienischsprachigen Schweiz, der sprachlichen Minderheit, die seit fast 20 Jahren nicht mehr in der Regierung vertreten war.

Die Schweizer Verfassung schreibt vor, es sei Rücksicht darauf zu nehmen, dass im Bundesrat die verschiedenen «Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten» seien. Es ist zwar eine recht unverbindlich formulierte Klausel, sie dürfte aber bei der Wahl in weniger als zwei Wochen ziemliches Gewicht entfalten.

«Weil meine Stimme nicht sehr laut ist, achte ich jetzt sehr darauf, dass die Mikrofone bei Debatten gut eingestellt sind.»
Isabelle Moret

Indem sie wohl alles auf eine Karte setzt, zögert Moret nicht, eine entwaffnende Aufrichtigkeit an den Tag zu legen, wenn sie darüber spricht, wie schwierig es für eine Frau sein kann, sich auf der politischen Bühne durchzusetzen.

«Weil meine Stimme nicht sehr laut ist, achte ich jetzt sehr darauf, dass die Mikrofone bei Debatten gut eingestellt sind. Dasselbe gilt auch für die Kleider. Von einer Frau wird erwartet, dass sie nicht nur kompetenter ist als die anderen, sondern, dass sie gleichzeitig auch auf solche Details achtet», unterstrich sie.

Wegen ihrer hohen Stimme wurde sie oftmals verspottet, und am Anfang ihrer politischen Karriere hatten ihre Gegner ihr den Übernamen «Fée Clochette» («Tinker Bell») verpasst, in Anspielung auf die zerbrechliche, einfühlsame, aber auch eifersüchtige und cholerische Trickfilm-Figur aus Peter Pan. Dennoch verschaffte sich Moret allmählich Respekt unter ihren politischen Kollegen und Kolleginnen.

Tochter eines Eisenbahners

Im Bundesparlament, wo sie seit über zehn Jahren sitzt, loben Kolleginnen und Kollegen quer durch alle Parteien ihre Kompromissbereitschaft, ihre Fähigkeit, auf konstruktive Lösungen hin zu arbeiten, ihr unabhängiges Denken, sowie auch ihre Fähigkeit, sich von Lobbys befreien zu können.

«Isabelle Moret ist eine anerkannte und von allen geschätzte Kollegin. In den Kommissionssitzungen ist sie immer sehr gut vorbereitet und ergreift regelmässig das Wort, um ihre Positionen zu verteidigen», sagt Michaël BuffatExterner Link, Waadtländer Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP, rechtskonservativ).

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«Sie ist eine offene Person, mit der man gerne diskutiert», erklärt der Sozialdemokratische Aargauer Nationalrat Cédric WermuthExterner Link. «Sie setzt sich ein für Stabilität und Respekt für die Institutionen, was auch innerhalb der FDP heute keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Zudem ist sie in gesellschaftlichen Fragen fortschrittlich und wird daher von der Linken eher geschätzt.»

Moret, die von 2009 bis 2016 Vizepräsidentin ihrer Partei war, kann zudem einen weiteren wichtigen Pluspunkt vorweisen: Neben Französisch und Italienisch spricht sie auch fliessend Schweizerdeutsch, was ihr Kontakte unter der Bundeshauskuppel bedeutend leichter macht. Mit ihren familiären Verbindungen in die Kantone Jura, Wallis, Basel und Graubünden ist Moret ein wahrhaftes «Schweizer Kondensat».

Ein Merkmal, das sie gerne hervorhebt, ebenso wie ihre bescheidene Herkunft. Als einzige Tochter einer Eisenbahnerfamilie war sie die erste Frau in ihrer Familie, die studieren und ihren Beruf frei wählen konnte. Als Anwältin, gestandene Politikerin und Kandidatin für den Bundesrat, sieht sich die Waadtländerin als Beispiel dafür, dass der soziale Aufstieg im liberalen Wirtschaftsmodell der Schweiz funktioniert.

Die Kunst, sich zu organisieren

Moret, die in ihrer Partei eher zum Zentrum gehört, definiert sich selbst als «liberal-progressiv». In finanzpolitischen Fragen ist sie strikt, in Sicherheits- und Asylfragen vertritt sie klar eine harte Linie, während sie in der Familienpolitik und bei anderen sozialen Themen immer mal auch auf Seiten der Linken steht, vor allem wenn es darum geht, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern.

Ein Engagement, das untrennbar mit ihrer persönlichen Geschichte verbunden ist. Im Herbst 1999, als sie erstmals in den Nationalrat einzog, war ihre Tochter kaum zwei Monate alt. Zwischen den Sitzungen eilte Moret jeweils in ihre Wohnung in Bern, wo ihre Mutter und der hungrige Säugling auf sie warteten. «Man muss sehr gut organisiert sein», sagt sie noch heute, wenn man sie fragt, wie man eine politische Karriere und ein Leben als Mutter unter einen Hut bringen kann.

«Nicht EU-Mitglied, solange ich lebe»

Was die Europapolitik angeht, das brennende Dossier, mit dem sie sich befassen müsste, falls sie gewählt und unter Umständen die Leitung des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) übernehmen würde, sorgte ihre eher unklare Position für etliche Kritik. Im Gegensatz zum scheidenden Aussenminister Didier Burkhalter ist Moret gegen ein institutionelles Rahmenabkommen mit der Europäischen Union (EU), das Brüssel seit 2008 fordert, und spricht sich für eine Fortsetzung des bilateralen Weges aus.

«Sie ist eine offene Person, mit der man gerne diskutiert.»
Cédric Wermuth, Nationalrat SP

In den letzten Tagen griff die Waadtländerin allerdings wie Ignazio Cassis zu deutlicheren Aussagen, um Zugeständnisse an die SVP zu machen. Denn die stärkste Vertretung im Bundesparlament machte die Europa-Frage zu einer Schlüsselfrage für die Wahl des neuen Mitglieds im Bundesrat.

Moret scheute sich nun nicht, zur Rhetorik der Rechtskonservativen über «ausländische Richter» zu greifen. In einem Fernsehbeitrag schob sie zudem diesen kurzen Satz ein, der auf Aufmerksamkeit stiess: «Solange ich lebe, wird die Schweiz nicht Mitglied der EU sein.»

Beim Thema Migration, das der SVP ebenfalls sehr am Herzen liegt, kritisierte die Kandidatin das Projekt ihres Gegenkandidaten Pierre Maudet, das auf eine Legalisierung der Sans-Papiers in Genf abzielt, und sprach in dem Zusammenhang gar von einer «gefährlichen Sogwirkung».

Bleibt die Frage, ob dieser Rechtsrutsch und das Ende einer Kampagne, die von Beobachtern nach einem holprigen Anfang als überzeugender eingestuft wird, ausreichen werden, damit Isabelle Moret entgegen den Prognosen die achte Bundesrätin in der Geschichte der Schweiz wird (unter bisher insgesamt 117 Mitgliedern der Regierung)? Die Antwort folgt am 20. September.

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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