Wer folgt auf Ueli Maurer im Bundesrat?
Zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten stehen auf dem Ticket der SVP für die Nachfolge von Ueli Maurer im Bundesrat. Der Berner Albert Rösti gilt als Favorit, der Zürcher Hans-Ueli Vogt könnte den Linken gefallen.
Abgesehen davon, dass beide die Farben der grössten Partei der Schweiz tragen, haben der Berner Albert Rösti und der Zürcher Hans-Ueli Vogt wenig gemein.
Am 7. Dezember wird das Parlament entscheiden, wer von ihnen die Nachfolge von Ueli Maurer antreten wird, dem derzeitigen Finanzminister der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Als die SVP am 18. November ihr Ticket für das Bundesratsrennen bekannt gab, legten Rösti und Vogt zwar Wert darauf, ihre Gemeinsamkeiten hervorzuheben. «Wir sind Mitglieder der gleichen Partei und haben die gleichen Werte», sagte der Zürcher.
Beide räumten jedoch ein, dass sie über unterschiedliche Lebensläufe und Kompetenzen verfügten – und es sind eher diese Differenzen, die auffallen, wenn man sich ihre Profile genauer ansieht.
Albert Rösti: Nett im Umgang, hart in der Sache
Nett ist das am häufigsten verwendete Adjektiv, um Albert Rösti zu beschreiben, sowohl von den Medien als auch von seinen Kolleg:innen im Parlament.
«Er ist der Archetyp des Berners. Er ist sehr rund, jovial. Er ist ein Mann des Kompromisses», kommentiert der Abgeordnete der Freisinnig-Liberalen Partei (FDP/Rechtsbürgerlich) Philippe Nantermod, der mit Rösti in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats sitzt.
Ein Charakterzug, der auch in den Reihen der Linken geschätzt wird. «Seine Kontaktfreudigkeit ist sicherlich ein Pluspunkt, der ihn dazu befähigt, Brücken zwischen den Parteien zu bauen», meint die sozialdemokratische Parlamentarierin Laurence Fehlmann Rielle.
Dem Favoriten für die Nachfolge von Ueli Maurer haftet aber auch ein weniger vorteilhaftes Image an, nämlich das des Lobbyisten. Auf der Website des Parlaments gibt der 55-jährige Nationalrat 16 Interessenbindungen an, wovon 13 bezahlt werden.
Diese Hyperaktivität bringt ihm Kritik bis in die eigenen Reihen ein. Die rechtskonservative Wochenzeitung Weltwoche stellte ihn vor kurzem an den Pranger und meinte, er sei «der Prototyp des Pöstchenjägers, ein Hansdampf an allen Kassen».
Es sind vor allem zwei Mandate, die er in diesem Jahr abgegeben hat, die ihn bei der Abstimmung Stimmen von links kosten könnten: die Präsidentschaft der Erdöllobby Swiss Oil und der Aktion für eine vernünftige Energiepolitik – einer Atomlobby.
Heute macht Rösti einen Spagat: Einerseits fördert er als Präsident des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbands erneuerbare Energien, andererseits setzt er sich als Präsident des Verbands Auto-Schweiz für die Autofahrenden ein.
«Man kann ihm tatsächlich seine Sympathien für die Erdölkreise vorwerfen, aber ich denke, dass er sich ohnehin an den Willen des Parlaments anpassen muss, die fossilen Energien zu reduzieren», sagt Fehlmann Rielle.
Auch wenn er nie Gemüse isst (ausser Kartoffeln), wie die Tageszeitung «24heures» berichtet, steht Rösti den landwirtschaftlichen Kreisen nahe. Der Berner ist Agraringenieur und wuchs in einer Bauernfamilie in der Bergstation Kandersteg auf. Er ist verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern im Alter von 22 und 26 Jahren.
Heute lebt er in Uetendorf, einem Dorf am Tor zum Berner Oberland, dessen Gemeindepräsident er seit neun Jahren ist. Dank seines Werdegangs dürfte er im Parlament auf die wichtige Bauernlobby zählen können.
Allerdings «fehlt ihm ein wenig die städtische Seite», stellt Philippe Nantermod fest, der meint, dass dies bei den Parlamentarier:innen der FDP als Schwäche wahrgenommen werden könnte.
Albert Rösti wird auch als Synthese des Berner und des Zürcher Flügels der Partei betrachtet. Seine Nähe zum ländlichen Raum hat ihn nicht daran gehindert, von der mächtigen, von Christoph Blocher geprägten SVP zum Ritter geschlagen zu werden.
Im Jahr 2015 wurde er zum Kampagnenleiter für die eidgenössischen Wahlen ernannt und war von 2016 bis 2020 Parteipräsident. Unter seiner Präsidentschaft hat die konservative Rechte bei den Parlamentswahlen allerdings Federn gelassen. Rösti war aus dem eigenen Lager mit der Kritik konfrontiert, er sei nicht bissig genug.
Seine konziliante Persönlichkeit macht Rösti auf Sachebene aber nicht zu einem gemässigten SVPler. «Ich habe hinreichend bewiesen, dass ich trotz dieser Natur – die ich als Stärke betrachte – nicht von der Linie der SVP abweiche. Ich habe auch nicht vor, dies in Zukunft zu tun», sagte er gegenüber «Blick».
So ist er strikt gegen eine Annäherung der Schweiz an die Europäische Union, vertritt eine enge Auffassung der schweizerischen Neutralität und eine restriktivere Asylpolitik.
Hans-Ueli Vogt: Emotional und atypisch
Intellektuell, städtisch und schwul – das Mindeste, was man sagen kann, ist, dass Hans-Ueli Vogt in den Reihen der SVP auffällt. Sein Profil ist in gewisser Weise das Gegenteil des Profils seines Rivalen.
Die Kandidatur des Rechtsprofessors der Universität Zürich überraschte jedoch aus einem anderen Grund. Er war Ende 2021 nach sechs Jahren aus dem Nationalrat zurückgetreten.
«Ich fühle mich wie ein Tennisspieler auf dem Fussballplatz», hatte er damals gesagt und gemeint, dass das Parlament nicht der Ort sei, an dem er seine Fähigkeiten optimal einsetzen könne.
Seine Rückkehr in die politische Arena stösst rechts wie links im politischen Spektrum auf Misstrauen. «Er zieht sich aus der Bundespolitik zurück und will ein paar Monate später wiederkommen, das vermittelt das Bild von jemandem, der nicht weiss, was er will», kommentiert Nantermod.
«Er hat den Nationalrat verlassen, weil er sich in seiner Rolle nicht wohlgefühlt hat. Ich bin mir nicht sicher, ob es ihm im Bundesrat besser gehen würde», sagt Fehlmann Rielle, die mit ihm in der Rechtskommission gesessen ist.
Vogt gibt sich als Freidenker. Während seiner Zeit als Parlamentarier hat er sich Abweichungen von der politischen Linie der SVP erlaubt. Dann, wenn es um Themen ging, die nicht die DNA der Partei berührten.
Der Zürcher war vor allem für den moderaten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative verantwortlich, von der seine Partei nichts wissen wollte. Ein Ausscheren, das für die rechte Seite schwer verdaulich ist. «Für mich ist das fast unverzeihlich», sagt FDP-Politiker Nantermod.
Untreu gegenüber seiner Partei war Vogt auch in seiner Unterstützung der Ehe für alle. Sollte er gewählt werden, wäre er der erste offen homosexuelle Bundesrat. Vogt ist jedoch der Meinung, dass seine sexuelle Orientierung bei seinem politischen Engagement keine Rolle spiele.
«Einer Minderheit anzugehören, macht mich sicherlich zu einem sensibleren und verständnisvolleren Menschen. Das sind Eigenschaften, die für einen Politiker nützlich sind», sagte er gegenüber den Medien, als er seine Kandidatur bekanntgab.
Damit aber endet die Offenheit des Rechtsprofessors. In den grossen Themen, die der SVP am Herzen liegen, ist er vollkommen auf Linie. So ist er beispielsweise der Ansicht, dass der Bundesrat die Neutralität verletzt habe, als er nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland übernommen hat.
Auch von einem Rahmenabkommen mit der EU hält er nichts. In der Einwanderungsfrage vertritt er eine harte Linie. Und auch wenn er die globale Erwärmung nicht leugnet, lehnt er es doch ab, «sich einer Ideologie des Klimawandels zu unterwerfen», wie er der Zeitung «Le Temps» sagte.
Vogt ist überzeugter Souveränist. Seine grösste politische Leistung: Er war der Vater der Selbstbestimmungsinitiative, die das Schweizer Recht über das internationale Recht stellen wollte. Auch wenn der Text vom Stimmvolk abgelehnt wurde, hat sich der Zürcher mit der Vorlage einen Namen gemacht.
Die Sympathien der Linken hat ihm das jedoch nicht eingebracht. «Die Schweiz ist in Bezug auf Europa bereits in einer ziemlich schlechten Position, da brauchen wir keinen Souveränisten in der Regierung», sagt Fehlmann Rielle.
Diejenigen, die mit Vogt zu tun hatten, loben einstimmig seine intellektuellen Qualitäten. «Er ist ein Mensch mit einem auffallend hohen Niveau», kommentiert Nantermod. Aber hat er das Format eines Bundesrats? Es gibt Zweifel: «Ich weiss nicht, ob er, der eine emotionale Seite hat, die Kritik verkraftet, der Bundesräte ausgesetzt sind», meint Fehlmann Rielle.
Wie funktioniert die Bundesratswahl?
In der Schweiz besteht die Regierung aus sieben Mitgliedern, die gemeinsam den Bundesrat bilden. Die Ministerinnen und Minister, die als Bundesräte bezeichnet werden, werden von der Bundesversammlung, das heisst von den beiden Kammern des Parlaments, gewählt. Die Wahl erfolgt in geheimen Abstimmungen über mehrere Runden, bis eine Person die absolute Mehrheit der Stimmen erhält.
Die ordentliche WahlExterner Link findet alle vier Jahre im Dezember statt. Wenn ein Bundesrat oder eine Bundesrätin zurücktritt, wird eine Ersatzwahl durchgeführt.
Um gewählt zu werden, muss man lediglich die Schweizer Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht besitzen. Es ist zumindest formell nicht erforderlich, dass man sich als Kandidatin oder Kandidat aufstellen lässt oder Mitglied des Parlaments ist.
Alle politischen Gruppierungen können Kandidat:innen vorschlagen. Häufig tun dies jedoch nur die Parteien der Zurückgetretenen.
Seit 1959 haben die vier grossen Parteien die Regierungssitze entsprechend ihrer Stärke untereinander aufgeteilt. Dies wird als «Zauberformel» bezeichnet. Derzeit haben die Schweizerische Volkspartei (SVP), die Sozialistische Partei (SP) und die Freisinnig-Liberale Partei (FDP) zwei Sitze inne, während das Zentrum nur über einen Sitz verfügt.
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