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Calmy-Rey setzt Zeichen am Horn von Afrika

Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey an Ort im Nordosten Kenias. Reuters

Am Donnerstag hat Micheline Calmy-Rey ihren dreitägigen Besuch in Kenia abgeschlossen. Er diente der Evaluation des Beitrags der Schweiz in dieser Region, wo zwölf Millionen vom Hungertod bedroht sind. Einschätzung des ehemaligen Botschafters François Nordmann.

Die Schweizer Bundespräsidentin ist die erste westliche Staatschefin, die seit dem Beginn der Hungersnot-Warnungen nach Ostafrika gereist ist. Betroffen ist vor allem Somalia, ein vom Krieg zerstörtes Land ohne funktionierende Regierung und Staatswesen.

Tief betroffen nach ihrem Besuch im Flüchtlingslager von Dadaab im kenianischen Nordosten, wünscht sich die Aussenministerin mehr Schweizer Engagement für diese Region.

«Mehr als 1300 Personen erreichen das Camp täglich, meist in einem schlechten gesundheitlichen Zustand», sagte Calmy-Rey gegenüber dem Westschweizer Fernsehen. Bereits früher hat sie während schweren humanitären Krisen Afrika besucht.

François Nordmann, Berater und ehemaliger Botschafter der Schweiz, unterstreicht die Notwendigkeit dieser von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei kritisierten Reise.

swissinfo.ch: Calmy-Rey ist die erste Präsidentin aus dem Westen, die das Horn von Afrika besucht hat. Wie steht es mit anderen Ländern?

François Nordmann: Diese Reise der Bundespräsidentin, der als Aussenministerin auch die Entwicklungs-Zusammenarbeit obliegt, setzt nicht nur gegenüber den Präsidenten anderer Länder ein Zeichen, sondern auch gegenüber der öffentlichen Meinung.

Wir befinden uns in einer dramatischen Situation: Zwischenstaatliche Organisationen wie die UNO oder Agenturen wie das UNO-Flüchtlingshochkommissariat versuchen, die anderen Staaten zu mobilisieren. Calmy-Reys Reise dient bestimmt auch dazu, hier bei uns das Bewusstsein für das Drama am Horn von Afrika wachzurütteln. 

swissinfo.ch: Hat eine solche Reise einen konkreten Einfluss auf die Art und Weise, wie die Hilfe am besten zu leisten wäre?

F.N.: Die Bundespräsidentin hat es selber gesagt: Diese Reise werde es ihr erlauben, sich ein präzises Bild der Situation zu machen. Die Schweiz hat sich bereits mit mehr als 14 Mio. Franken engagiert.

Eine Inspektionstour ist deshalb gerechtfertigt, auch weil sie es erlaubt, die Wirksamkeit der Hilfe abzuschätzen und eine Bündelung der Mittel vorzunehmen.

swissinfo.ch: Welche diplomatischen Folgen kann eine solche Reise haben?

F.N.: Die Bundespräsidentin kann ihre auf ihrer Reise an Ort gewonnenen Erkenntnisse im Kontakt mit anderen Staatspräsidenten nutzen, zum Beispiel während der bald anstehenden UNO-Generalversammlung. Dort wird die Hungersnot in Nordostafrika sicher ein Thema sein.

Ausserdem liessen sich mit der Reise auch die Beziehungen zwischen Kenia und der Schweiz wieder festigen.

swissinfo.ch: Rechtskonservative Kreise sprechen von einem medialen Coup und machen auf andere, aus ihrer Sicht dringlichere Themen wie zum Beispiel die Einwanderung aus Nordafrika aufmerksam. Eine Formalkritik?

F.N.: Ich erinnere mich noch an die negativen Kommentare auf die Afrikareise, die Pierre Aubert 1979 unternommen hatte. Es war die erste eines Schweizer Aussenministers. Laut den damaligen nationalistischen Kreisen diente eine solche Reise kaum den wirtschaftlichen Interessen des Landes.

Diese Denkweise gibt es auch heute. Und da es schwer fällt, die humanitäre Aktion an sich in Frage zu stellen, zielen die Kritiken in Richtung der Reise.

swissinfo.ch: Wir befinden uns in einem Wahljahr. Kann diese von einer sozialdemokratischen Bundesrätin gemachte Reise innenpolitische Folgen haben?

F.N.: Sie wirkt als Bundespräsidentin, als Aussen- und Entwicklungszusammenarbeits-Ministerin. Mit so einer Initiative lassen sich eigentlich kaum gross Wählerstimmen fangen.

Schaut man sich anderseits die Summen an, welche die Glückskette für diese Krise bereits gesammelt hat, wird klar, dass die Mehrzahl der Schweizerinnen und Schweizer die Sorgen ihrer Bundespräsidentin teilen.

Am Mittwoch hat die UNO weitere drei somalische Regionen zu Hungergebieten erklärt. Betroffen sind nun insgesamt fünf Regionen.

Gemäss dem UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge befanden sich bereits über 370’000 intern Vertriebene im kriegsversehrten Mogadischo, bevor die kürzlich durch Dürre und Hunger zusätzlich ausgelösten Migrationen begannen.

Der Konflikt im Land verschärft die Katastrophe, da bewaffnete Milizen internationale Organisationen davon abhalten, Hilfe zu leisten.

Gleichzeitig strömen Flüchtlinge ins benachbarte Kenia: Allein im Juli sind rund 40’000 Somalier ins Camp von Dadaab eingetroffen. Seit Januar waren es ungefähr 116’000.

Die Dürre am Horn von Afrika (Somalia, Kenia, Äthiopien, Dschibuti) wird als die schlimmste seit 60 Jahren eingestuft.

Es fehlen rund 1,4 Mrd. Dollar, um den rund 12,4 Mio. betroffenen Einwohnern dieser Länder zu helfen.

Die Schweizer Regierung hat einen Zusatzkredit über 4,5 Mio. Franken gesprochen, um die Bevölkerung am Horn von Afrika zu unterstützen. Damit beläuft sich die Schweizer Hungerhilfe seit Anfang Jahr auf rund 14 Mio. Franken.
 
Das Schweizerische Rote Kreuz stockte seine Hilfe auf 1,2 Mio. Franken auf.
 
Die Caritas Schweiz erhöht ihre Nothilfe auf zwei Mio. Franken. Unicef Schweiz stellt als Soforthilfe 500’000 Franken zur Verfügung.

Die Glückskette hat bisher fast 13 Mio. Franken Unterstützungsgelder von der Schweizer Bevölkerung erhalten.

(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)

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