CO2-Gesetz als kleinster Nenner
Die Eidgenössischen Räte sind übereingekommen, dass die Treibhausgas-Emissionen bis ins Jahr 2020 um 20% gesenkt werden sollen. Dafür soll es keine Treibstoffsteuer (Benzin-Abgabe) geben.
Dieser Kompromiss wurde vom National- und Ständerat in der laufenden Wintersession erreicht und ist als Gegenvorschlag auf eine 2007 von Umweltverbänden, SP und den Grünen eingereichte Volksinitiative («Klima-Initiative») zu verstehen. Diese verlangt eine Senkung der CO2-Emissionen von 30% bis 2020 gegenüber 1990.
Die Gesetzesrevision verlangt demnach bis in acht Jahren eine Reduktion von 10,5 Mio. Tonnen in der Schweiz ausgestossenes Treibhausgas gegenüber dem Ausstoss vor 20 Jahren. Auf die Privatwirtschaft entfällt ein Minus von 800’000 Tonnen.
Weitere Reduktionen werden durch energieeffizientere Fahrzeuge und eine Verbesserung der Strasseninfrastruktur erreicht. Möglich ist auch eine Erhöhung der bestehenden CO2-Steuer auf Heizöl von derzeit 35 Franken pro Tonne CO2 bis auf 120 Franken.
Was die geplanten Gaskraftwerke betrifft, die als Ersatz für die stillzulegenden Atomkraftwerke gedacht sind, wollen die Räte keine zu strengen Regeln: Die Gaskraftwerke müssen nur die Hälfte der Emissionen im Inland kompensieren, die andere Hälfte kann auch im Ausland über Emissionszertifikate abgegolten werden.
Am Freitag wird es im Parlament eine Schlussabstimmung zur CO2-Vorlage geben. Die Wirtschaftsverbände sind zwar nicht glücklich über das Resultat dieser Revision, doch werden sie vermutlich kein Referendum dagegen ergreifen.
Konkrete Auswirkungen
Laut Dominique Reber vom Wirtschaftsdachverband economiesuisse werden sich die Verbandsmitglieder vor dem Wochenende entscheiden. Reber sagt, die Wahrscheinlichkeit eines Referendums gegen die neue Revision habe sich «reduziert», weil das Parlament zwei Schlüsselgrössen des alten Gesetzes beibehalten habe.
Die erste Grösse, so Reber, sei die Erlaubnis, dass Unternehmen ihre Emissionen mit im Ausland verkauften Zertifikaten neutralisieren. Die Zweite sei der Umstand, dass KMUs von einer CO2-bedingten Belastung ausgeschlossen würden, wenn sie aufzeigen, dass sie freiwillig auf eine Reduktion des Gasausstosses hinarbeiten. Dies zeige, dass die Schweiz weiterhin international wettbewerbsfähig bleibe, sagt Reber.
«Es geht hier nicht um emotionale Debatten, sondern um konkrete Auswirkungen. Wir werden ausrechnen, was uns das neue Gesetz kosten wird, im Vergleich zu den Möglichkeiten, die sich ergeben.» Falle diese Berechnung ausgeglichen aus, werde economiesuisse kein Referendum ergreifen.
Vorläufiger Kompromiss
Henrique Schneider, Verantwortlicher für Wirtschaftspolitik beim Schweizerischen Gewerbeverband (SGV), sagt, dass zwar Konzessionen für das KMU-Gewerbe gemacht worden seien, der Verband jedoch nicht für eine Revision des bestehenden Gesetzes eingetreten sei.
«Grundsätzlich sind wir nicht für das CO2-Gesetz», sagt Schneider gegenüber swissinfo.ch. «Wir glauben, es wird der gesamten Wirtschaft, nicht bloss dem Gewerbe, diverse Schwierigkeiten bereiten.»
Doch müsse anerkannt werden, dass Konzessionen gemacht worden seien, speziell für kleine und mittlere Unternehmen. «Deshalb akzeptieren wir diesen Kompromiss» – obschon ohne grosse Begeisterung.
Auf der anderen Seiten des politischen Spektrums sagt Patrick Hofstetter, Sprecher des WWF, zu swissinfo.ch, dass das revidierte Gesetz einen «typisch schweizerischen Kompromiss» darstelle.
Der Entscheid, die Benzin-Abgabe auszuschliessen, sei erfolgt, um ein Referendum zu vermeiden, welches dann möglicherweise das gesamte Gesetzeswerk zu Fall gebracht hätte. Die Emissionsreduktion um 20% sei auch ohne Treibstoffsteuer zu erreichen.
«Die Regierung hat bereits gesagt, sie würde gerne die bestehende Heizöl-Steuer erhöhen, um Infrastrukturen zu finanzieren», so Hofstetter. Damit gäbe es einen Mechanismus ausserhalb des CO2-Gesetzes, den Ölpreis zu verteuern.
Laut dem WWF-Sprecher wird ein Komitee nächsten Februar entscheiden, ob die Volksinitiative zu Gunsten des parlamentarischen Kompromisses zurückgezogen werde oder ob dann an der Urne entschieden werde, ob nun 20 oder 30% Emissionsreduktion gelten soll.
Neuer Impuls
Seit vier Jahren in der Diskussion, stellt das revidierte CO2-Gesetz einen neuen Impuls seitens der politischen Entscheidungsträger dar, ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel zu verstärken.
«In einer idealen Welt wäre es wohl das Beste gewesen, das derzeit geltende Gesetz einfach weiterzuführen», sagt Henrique Schneider vom SGV. «Aber nach dem, was in den letzten zweieinhalb Jahren alles passiert ist, brauchten die Politiker die revidierte Fassung, um zu zeigen, dass sie etwas für das Klima tun.»
Hofstetter sagt, dass einige der im Gesetz vorgesehenen Massnahmen dem Bundesrat (Regierung) Vollzugsmacht einräumen würden, ohne ein Plazet vom Parlament haben zu müssen.
Es habe im vergangenen Jahr einige Anzeichen gegeben, inklusive Atomausstiegs-Entscheid, wonach es die Regierung mit dem Kampf gegen den Klimawandel ernst nehme. «Ich denke, der Bundesrat wird mit angemessenen Vorschlägen kommen, wie das Ganze realisiert werden soll», sagt Hofstetter. Auch tendiere das letzten Oktober neugewählte Parlament gegenüber dem alten leicht grüner.
Das revidierte Gesetz entspreche nicht dem, was die Umweltorganisationen verlangt hätten, so Hofstetter. Aber es sei ganz sicher mehr als das, was die Regierung noch vor zwei Jahren vorgeschlagen habe. Die Eidgenössischen Räte seien demnach ambitionierter als der Bundesrat gewesen, was sicher als positiv zu werten sei. «Noch genügt es nicht, aber es ist ein guter Anfang.»
Die Schweiz hat 1997 das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und sich damit verpflichtet, ihre Emissionen der klimaschädigenden Treibhausgase zu reduzieren.
Das Gesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen verlangt, dass der CO2-Ausstoss bis zum Jahr 2010 gegenüber 1990 um 10% reduziert wird.
2007 lancierten Umweltverbände, SP und die Grünen eine Volksinitiative, die eine Reduktion von 30% verlangte.
Als Gegenvorschlag revidierte der Bundesrat (Regierung) das CO2-Gesetz und setzte das Ziel auf 20% Reduktion bis 2020, teils über eine CO2-Abgabe, teils über ein Zertifkatssystem und Kompensations-Massnahmen ausserhalb der Schweiz.
Die Räte hiessen die 20% Reduktion gut, wollten aber ursprünglich, dass diese Reduktion mit Massnahmen in der Schweiz selbst erreicht werde.
Diese Forderung ist dann für einen Kompromiss fallen gelassen worden, den beide Räte akzeptierten.
Auch die EU setzt sich eine Reduktion um 20% zum Ziel.
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)
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