«CO2-Gesetz wird die Gletscher in der Schweiz nicht retten»
Die Revision des CO2-Gesetzes, über die am 13. Juni auf eidgenössischer Ebene abgestimmt wird, werde die Steuerzahlenden zu viel kosten und nicht fruchten, so die Kritik. "Staatliche Eingriffe sind nicht notwendig, um den CO2-Ausstoss zu reduzieren", sagt Patrick Eperon, Koordinator des Referendumskomitees für die Westschweiz.
Die Klimapolitik der Schweiz spaltet nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Klimaaktivistinnen und -aktivisten. Das CO2-Gesetz kommt am 13. Juni zur Abstimmung.
Die Schweiz hat sich im Rahmen des Pariser Klimaabkommens verpflichtet, ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990 zu halbieren. Um dieses Ziel zu erreichen, haben Regierung und Parlament eine umfassende Revision des CO2-GesetzesExterner Link beschlossen. Damit wird eine Reihe von Steuern und Massnahmen eingeführt, die auch Strassenfahrzeuge, den Flugverkehr, Industrieemissionen und die Renovierung von Gebäuden betreffen.
Einige Akteurinnen und Akteure der Schweizer Wirtschaft sind von diesem Instrument überzeugt. Sie glauben, dass die Revision eine lohnende Investition in die Innovation sei und setzen sich deshalb für das CO2-GesetzExterner Link ein.
Das Wirtschaftskomitee «Nein zum CO2-Gesetz»Externer Link ist jedoch der Meinung, dass der Text falsch sei. Das Komitee aus der Automobil-, Luftfahrt-, Transport-, Bau- und Ölindustrie hat erfolgreich das Referendum gegen das Gesetz eingereicht. Zu den Gegnerinnen und Gegnern gehören aber auch einige Klimastreikende. Diese ihrerseits sind aber der Meinung, die Revision gehe nicht weit genug.
Patrick Eperon, Koordinator des Referendumskomitees in der Westschweiz und Vertreter des Centre Patronal (Arbeitgeber-Organisation), prangert den «bürokratischen und statistischen» Aspekt des Gesetzes an.
swissinfo.ch: Warum geht das neue CO2-Gesetz Ihrer Meinung nach nicht in die richtige Richtung?
Patrick Eperon: Weil es im Wesentlichen eine Bestrafung ist und keine Innovation fördert. Die Grundlage dieses Gesetzes sind zusätzliche Steuern und Vorschriften. Den Menschen wird vorgegaukelt, dass es sich dabei um Lenkungsabgaben handle, die ihnen zurückgegeben würden.
Ein Grossteil davon wird aber nicht zurückfliessen. Die Abgaben werden verwendet, um die riesige Subventionsmaschine und den Klimafonds zu füttern. Auch ist die neue Gesetzgebung kein Anreiz, sich innovativen Technologien zur Kontrolle der Treibhausgas-Emissionen zuzuwenden.
Schmelzende Gletscher, Hitzewellen, Erdrutsche und häufigere Überschwemmungen: Im Alpenland Schweiz hat der Klimawandel bereits spürbare Auswirkungen. Ist es da nicht nötig, rasch zu handeln?
Diese Behauptung erweckt den Eindruck, dass wir an dieser Situation schuld seien, aber das ist nicht wahr. Wenn wir von der globalen Erwärmung stärker betroffen sind als unsere Nachbarn, liegt das daran, dass unser Alpenland nicht durch die Anwesenheit von Ozeanen temperiert wird.
Zudem emittiert die Schweiz etwa ein Tausendstel der weltweiten CO2-Emissionen. Die Gesetzesänderung zielt darauf ab, diesen Ausstoss um die Hälfte zu reduzieren. Der Text würde damit die globalen Treibhausgas-Emissionen um ein halbes Tausendstel reduzieren. Das ist praktisch nichts. Das CO2-Gesetz wird die Gletscher in der Schweiz nicht retten.
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Die Schweiz ist den Bedingungen des Pariser Abkommens verpflichtet. Wie soll das ohne Gesetzgebung geschehen?
Das Pariser Abkommen verpflichtet den Bund nicht dazu, dieses Gesetz zu verabschieden. Jedem Staat steht es frei, die Ziele des Abkommens auf seine eigene Weise umzusetzen.
Regierung und Parlament haben ein ultra-teures Gesetz mit Zielen verabschiedet, die fast die ehrgeizigsten der Welt sind, obwohl wir bereits zu den Ländern mit der besten Bilanz im Umweltschutz gehören.
Aber hat ein entwickeltes und reiches Land nicht die Pflicht, ein Beispiel zu geben?
Wir gehen bereits mit gutem Beispiel voran, denn unsere CO2-Emissionen sind in den letzten 20 Jahren drastisch gesunken. Auch bei der Energieeffizienz haben wir enorme Fortschritte gemacht. Dafür ist kein staatlicher Eingriff nötig.
«Das Gesetz schlägt eine fast mittelalterliche Sichtweise der öffentlichen Politik vor.»
Patrick Eperon, Koordinator Referendumskomitee für die Westschweiz
Ein gewichtiger Teil der Schweizer Wirtschaft unterstützt die Revision des Gesetzes. Geht es darum nicht, wie diese sagen, um eine Garantie für Planungs- und Investitionssicherheit?
Ein grosser Teil der Befürwortenden dieses Gesetzes sind jene, die eine Chance haben, Subventionen durch den Klimafonds zu erhalten, der eine Art Geldumverteilungs-Maschine ist.
Den Menschen wird vorgegaukelt, dass jede und jeder am Ende mehr bekommt, als sie oder er eingezahlt hat. Aber das ist ein Mythos: Es gibt keine magische Steuer, die mehr Geld einbringen wird.
Auch sehr grosse Unternehmen unterstützen das Gesetz, da es ihnen den Zugang zum Emissionshandels-System der Europäischen Union ermöglicht. Dies betrifft jedoch nicht die Mehrheit der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) im Land, von denen die meisten mit zusätzlichen Kosten konfrontiert werden.
In Ihrem Kampf gegen dieses Gesetz haben Sie einige der Aktivistinnen und Aktivisten des Klimastreiks als Verbündete. Werden Sie sich im Abstimmungskampf auf diese unheilige Allianz verlassen?
Nein, wir werden nicht mit ihnen zusammenspannen. Ich möchte darauf hinweisen, dass ohne die Wirtschaft das Volksbegehren gegen das Gesetz nicht erfolgreich gewesen wäre. Die Klimastreikenden brachten 7000 Unterschriften und wir 110’000. Die Machtverhältnisse sind also klar.
Wir stimmen jedoch mit einigen der Kommentare der Klimastreikenden überein, dass diese Gesetzgebung ineffektiv und unsozial ist. Diese Analyse teilen wir. Menschen mit tiefen bis mittleren Einkommen werden in der Tat viel härter getroffen als wohlhabende Bürgerinnen und Bürger.
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Die Energiewende ist bereits in vollem Gang. Die Schweiz hat im Bereich der erneuerbaren Energien viel zu bieten, vor allem im Bereich der Innovation. Warum sollen wir zögern, endgültig diesen Weg zu gehen?
Ich bin skeptisch, was das Potenzial der Windkraft und die Entwicklung der Wasserkraft angeht. Als ich Mitglied der Energiekommission des Kantons Waadt war, wurde uns ein Projekt zum Bau von 170 Windturbinen vorgelegt. Heute steht noch keine einzige: Man hat uns Wind verkauft! Und das hydroelektrische Potenzial des Landes ist praktisch ausgeschöpft.
In der Zukunft sollten wir CO2 nicht als Abfallprodukt sondern als Ressource betrachten, wie das einige Unternehmen bereits tun. Das Gesetz fördert diese Art von Innovation jedoch nicht. Stattdessen schlägt es eine fast mittelalterliche Sichtweise der öffentlichen Politik vor. Es gibt Menschen, die für ein kaum wahrnehmbares Ergebnis viel bezahlen werden, denn sie erwarten, dass ihnen damit ihre Fehler verziehen werden.
Die Revision des CO2-Gesetzes sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Christoph Schaer, Co-Präsident des Wirtschaftskomitees für das neue Gesetz:
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(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)
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