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Macrons Appell beruhigt Schweizer in Frankreich halbwegs

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Bars, Cafés, Restaurants und Kinos sind jetzt in Frankreich geschlossen. Keystone / Yoan Valat

Präsident Macron hat eine "allgemeine Mobilisierung" gegen das Coronavirus angeordnet. "Konsequent, aber verspätet", findet man in der Schweizer Community..

«Wir sind im Krieg» gegen einen «unsichtbaren, schwer fassbaren» Feind, sagte Emmanuel Macron am Montagabend. Der französische Präsident kündigte ausserordentliche Massnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung des Coronavirus an. Während mindestens zwei Wochen darf das Haus nur noch verlassen, wer Einkaufen, zur Arbeit oder in ärztliche Behandlung gehen muss.

Also eine fast vollständige Abschottung, wie in Italien und Spanien. «Diese Massnahmen sind konsequent, auch wenn sie etwas spät kommen», sagt Jean-Paul Aeschlimann, Präsident der Société Helvétique de Montpellier-Languedoc-Roussillon. «Herr Macron stimmt einen kriegerischen Ton an, um die Menschen auf die Situation aufmerksam zu machen.» 

«Wenn die Italiener und Spanier es tun, warum sollten wir es nicht auch tun?» fügt der Pflanzenschutz-Forscher hinzu. Die Klischees, welche die Bewohner Südwestfrankreichs zu Rebellen und Vergnügungssüchtigen machen wollen, haben es derzeit schwer. «Sie ändern ihre Gewohnheiten, ich sehe hier in Montpellier viel weniger Menschen auf den Strassen.»

Worte, die an dunkle Jahre erinnern

«Krieg», «allgemeine Mobilisierung»: Diese starken Worte rufen bei manchen Menschen Erinnerungen an düstere Zeiten hervor, insbesondere weil Polizei und Armee mobilisiert werden, um den allgemeinen Notstand durchzusetzen.

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«Ich weiss nicht, warum, aber ich dachte an meinen Vater, der mir von seiner Evakuierung im September 1939 erzählt hatte. Damals wurden 300’000 Menschen aus dem Elsass und Lothringen in den Südwesten verlegt», sagt Catherine Minck, eine Schweizerin aus der Region Paris. Mincks Vater blieb danach fünf Jahre lang von seinen Eltern getrennt.

Trotzdem hat die Auslandschweizerin im Département Île-de-France volles Verständnis für die angekündigten Massnahmen. «Das Aufrütteln ist nötig, damit sich die Menschen des Problems bewusst werden.» Es seien logische Massnahmen. «Aber ich denke an die Eltern, die zuhause arbeiten müssen und ihre Kinder den ganzen Tag lang am Hals haben.»

Im Elsass angesteckt

Kurt Nussbaumer kennt die Abschottung, er lebt bereits seit zwei Wochen in Quarantäne. Der Präsident des «Cercle Suisse de Mulhouse» hat sich wahrscheinlich an einer Beerdigung der evangelischen Kirche mit dem Coronavirus infiziert.

Nussbaumer hatte weniger Fieber als seine Frau, die positiv getestet wurde. Es geht ihm gut, doch weil er nicht weiss, ob er noch ansteckend ist, beschränkt er sich auf kleine Spaziergänge vor seinem Haus. Er dreht sich weg, sobald er Menschen sieht. Einige Angehörige Nussbaumers liegen hingegen im künstlichen Koma im Spital. Nussbaumer tröstet sich damit, dass er jetzt immerhin immun gegen das Virus ist, wobei er sich dessen nicht ganz sicher ist.

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«Die Franzosen sind nicht diszipliniert. Das Fernsehen zeigte Pariserinnen und Pariser, die am Sonntag nebeneinander am Seineufer lagen. Die Hotels bleiben geöffnet, aber die Gäste dürfen dort nicht essen. Seltsam! Die Hotels in Basel-Landschaft sind geschlossen», ärgert sich der Rentner, der lange Zeit in der Landmaschinenbranche gearbeitet hat. 

Der Jahreskongress der Auslandschweizer in Frankreich sollte im April in der Nähe seines Hauses in Mulhouse stattfinden. Der Anlass wurde annulliert.

Zweite Runde verschoben

Die zweite Runde der Kommunalwahlen wurde auf den 21. Juni verschoben. Zuerst wollte Präsident Macron daran festhalten, doch dann änderte er angesichts des Fortschreitens der Pandemie seine Meinung.

Die Durchführung der ersten Runde war ein «Fehler», findet Jean-Paul Aeschlimann. «Man kann nicht einerseits gestützt auf die Meinung der Wissenschaftler auf Stufe 3 des Kampfes gegen das Virus [welche die Schliessung der meisten öffentlichen Plätze beinhaltet] übergehen, und andererseits entgegen der Warnungen der Experten die Abstimmung trotzdem durchführen», sagt der Forscher.

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«Es stimmt, dass es paradox ist, den Leuten zu raten, nicht auszugehen, und sie gleichzeitig zu ermutigen, auszugehen und abzustimmen», findet auch François Kneuss, Reiseleiter und Leiter von Frantour-Railtour in Paris. 

Der gebürtige Freiburger Jacques-Nicolas de Weck war Kandidat von Macrons Partei in Saint-Maur-des-Fossés in der Region Paris. «Am Sonntagmorgen ging ich die 54 Wahllokale in der Kommune durch. Ich habe eine Maske und Handschuhe getragen und natürlich niemandem die Hand geschüttelt», sagt der ehemalige stellvertretende Bürgermeister von Saint-Maur, der seine Pflicht als Kandidat um so verdienstvoller erfüllt hat, als er an einer seltenen Krankheit leidet.

«Ich machte morgens meine Runde. Am Mittag wurde ich über die grosse Zahl von Einweisungen aufgrund von Covid-19 im Spital Henri-Mondor informiert. Ich muss zugeben, dass mich das erschreckt hat…»

Drastische Verkehrsbeschränkungen

Der französische Innenminister kündigte an, dass die Verkehrsbeschränkungen am Dienstagmittag beginnen, und zwar für zwei Wochen, möglicherweise verlängerbar.

Für jeden Ortswechsel müssen die französischen Bürger und Bürgerinnen nebst einer Arbeitgeberbestätigung ein «Dokument zur Bestätigung der Ehrenhaftigkeit des Reisegrundes» vorlegen, das von der Website des Innenministeriums heruntergeladen werden kann. 

Ausnahmen von den Verkehrsbeschränkungen «können für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz gemacht werden». Andere Reisen unterliegen zwar keinen Restriktionen, müssen aber dennoch gerechtfertigt sein: Zum Beispiel Reisen für Einkäufe oder Grundbedürfnisse, aus gesundheitlichen Gründen, für Reisen aus zwingenden familiären Gründen, für gefährdete Personen, zur Unterstützung eines abhängigen Verwandten oder Reisen, die für getrennte Eltern notwendig sind, um Kinder abzuholen oder abzusetzen.

(Übertragung aus dem Französischen: Peter Siegenthaler und Sibilla Bondolfi)

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