Das Ende des Bankgeheimnisses naht
Mit der Ankündigung Luxemburgs, den automatischen Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden einzuführen, und der Gesprächsbereitschaft Österreichs kann die Schweiz ihre Position in Europa nicht viel länger halten. Für die Schweizer Presse gehört das Bankgeheimnis der Vergangenheit an.
«Der Gnadenstoss Luxemburgs», «Luxemburg schleift Bankgeheimnis», «Die neue Schlacht wird hart», «Druck auf Finanzplatz steigt weiter», «Irrlichternder Steuerdruck», «das Unvermeidliche vorbereiten». So titeln die Schweizer Zeitungen am Donnerstag ihre Artikel und Kommentare zum luxemburgischen Entscheid, ab Januar 2015 den automatischen Informationsaustausch für Zinserträge von Privatpersonen einzuführen.
«Es ist eine historische Zäsur für das Steuerparadies», kommentieren Tages-Anzeiger und Der Bund. Luxemburg habe mit diesem Entscheid keine Rücksicht genommen «auf Österreich, dessen Koalitionsregierung noch zögert, oder auf die Schweiz, mit der man in einer Art Allianz lange das Bankgeheimnis verteidigt hat».
«Im Gegenteil signalisiert die Luxemburger Regierung, künftig innerhalb der EU darauf drängen zu wollen, dass konkurrierende Finanzplätze wie die Schweiz den Standard des automatischen Informationsaustausches auch übernehmen», so Tagi und Bund.
«Mehr als der Entscheid ist es die Geschwindigkeit des Sinneswandels, die erstaunt», schreibt der Kommentator von Le Temps. «Die Aktualität – die Affäre Cahuzac in Frankreich und die Enthüllungen von ‹Offshore-Leaks›, die zeigen, dass Steuerflucht nicht nur von ein paar wenigen Reichen betrieben wird – ist vielleicht auch ein wenig schuld an dieser Beschleunigung des Kurswechsels.»
Die Schweiz werde Mühe haben, dieser unaufhaltsamen Welle zu widerstehen. «Besonders, wie es Luxemburg für sich selber gesagt hat, weil sie ’nicht den Europäern vorenthalten› kann, was sie ‹bei den Amerikanern akzeptiert›, wie dies im Abkommen Fatca festgehalten ist, das der Bundesrat am Mittwoch erst gutgeheissen hat.
Der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker hat am Mittwoch mitgeteilt, sein Land werde den automatischen Informationsaustausch ab 1. Januar 2015 anwenden.
Auch Österreich scheint immer mehr daran interessiert zu sein, in diese Richtung zu gehen.
Die Schweiz steht daher auf europäischer Ebene noch isolierter da mit ihrem Versuch, das Bankgeheimnis zu verteidigen.
Auch die Eidgenossenschaft hat diese historische Säule des Finanzplatzes Schweiz in den letzten Jahren bereits mehrmals gelockert.
Zum Beispiel hat sie die Unterscheidung zwischen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung abgeschafft. Bis dahin hatte sie Amtshilfe gegenüber anderen Ländern nur im Falle von Steuerbetrug geleistet.
Im Verlauf dieses Jahres will die Regierung eine neue, internationalen Standards angepasste Strategie für einen sauberen Finanzplatz einführen.
«EU schadet sich selber»
«Just an dem Tag, an dem der Bundesrat seine Botschaft ans Parlament zum Fatca-Vertrag mit den USA verabschiedet hat», habe Luxemburg seinen Entscheid für die Abwendung vom Bankgeheimnis mitgeteilt, schreibt die Neue Zürcher Zeitung.
«Zwischen den beiden Ereignissen besteht durchaus ein Zusammenhang: Mit ihrem Fatca-Gesetz erzwingen die USA einseitig die Lieferung von relativ umfassenden Angaben über Konten von in den USA steuerpflichtigen Personen. Fügen sich Staaten, Banken und Kunden nicht, drohen derart harte Sanktionen, dass es sich kaum ein Bankenplatz leisten kann, den Forderungen nicht nachzukommen.»
Das Grossherzogtum habe als EU-Land gar keine andere Wahl gehabt, als einzulenken, so die NZZ, dürfe es doch «anderen EU-Staaten nicht weniger anbieten als den USA».
Die Schweizer Lösung einer Quellensteuer schätzt der Kommentator aber «nach wie vor deutlich besser» ein. Diese wahre die Privatsphäre, während der automatische Informationsaustausch eine riesige Datenflut produziere und die Bürokratie aufblase. «Man braucht nicht boshaft zu sein, um zu vermuten, dass die EU-Kommission und die Steuerverwaltungen auch deswegen so viel Wert auf den automatischen Informationsaustausch legen.»
Die jüngsten Entwicklungen zeigten «leider auch, dass im Zeichen der Finanz- und Schuldenkrise in manchen grossen Staaten der irrlichternde Steuerhunger keine vernünftigen Grenzen mehr zu kennen scheint». Mit ihren Plänen würde die EU «unüberlegt die Attraktivität ihrer Finanzplätze schwächen». Für den Kommentator ist daher klar: Der Harmonisierungsdruck der EU «stellt für das kleine Nicht-EU-Land inmitten Europas die grösste Bedrohung dar».
Mehr
Steuerflucht: Geheimnisse bleiben immer seltener geheim
Schweiz auf verlorenem Posten
«Bricht auch die Schweiz ein?», fragt der Blick. Die Schweiz sei mit ihrem Bankgeheimnis schon bald ein Sonderfall in Europa. «Nach dem Schwenker von Luxemburg verbleibt nur noch Österreich als Land mit Bankgeheimnis alter Prägung innerhalb der EU. Doch auch dort hat die Regierung Gesprächsbereitschaft mit Brüssel signalisiert.»
Hintergrund für den Richtungswechsel scheine in beiden Ländern der «Foreign Account Tax Compliance Act» (Fatca) der USA zu sein, schätzt die Basler Zeitung. «Die Akzeptanz des Fatca-Vertrags zwingt die beiden EU-Länder Luxemburg und Österreich faktisch zur Zustimmung zum automatischen Informationsaustausch.»
Mit der Bereitschaft von Österreich und Luxemburg, diesen Austausch einzuführen, «verliert die Schweiz zwei Verbündete im Verhandlungspoker mit der EU, die sich bisher gegen eine Ausweitung der Zinsbesteuerung gewehrt haben».
Druck wird zunehmen
Der Druck auf die Schweiz werde damit noch grösser, ist La Liberté überzeugt. «Besonders, weil in Europa ein globaler, automatischer Informationsaustausch geplant ist.»
Die Schweiz werde an verschiedenen Fronten kämpfen müssen, um ihren Bankenplatz zu verteidigen, schreibt die Tribune de Genève. Die Schweiz habe mit Luxemburg «einen wichtigen Alliierten im Herzen der Europäischen Union» verloren.
Einen ersten Schritt habe Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf gemacht, indem sie sich in der französischen Zeitung Le Monde für die Weissgeld-Strategie der Schweiz starkgemacht habe, die sie dem automatischen Informationsaustausch vorziehe. Diese Intervention habe starke Beachtung gefunden.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch