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«Das Generalabonnement heizt den Verkehr an»

Überlastete A1: Economiesuisse will mit Mobility Pricing Engpässe verhindern. Keystone

Benutzer von Schiene und Strasse sollen mit Mobiltiy Pricing verursachergerechte Preise zahlen. Dies fordert Economiesuisse gestützt auf eine Studie. swissinfo.ch sprach darüber mit Dominique Reber, Infrastruktur-Verantwortlicher des Wirtschaftsdachverbands.

swissinfo.ch: Das von Economiesuisse vorgeschlagene Mobility Pricing soll für Strasse und Schiene gleichermassen gelten. Um was geht es dem Wirtschaftsdachverband bei diesem System?
Dominique Reber: Wir plädieren für eine Abkehr von den aktuellen intransparenten Spezialfinanzierungssystemen hin zu einem klaren, einheitlichen Finanzierungssystem.

Die Verwendung der Einnahmen aus unterschiedlichen Finanzierungsquellen wie Mineralölsteuer, LSVA, Gemeinde- und Kantonssteuern ist verworren. So fliessen etwa alljährlich rund 2 Mrd. Franken von der Strasse auf die Schiene.

Mit Mobility Pricing könnte man diesem Durcheinander Einhalt gebieten. Denn das verursachergerechte und verkehrsträgerübergreifende System funktioniert nach dem Prinzip: Wer viel fährt, der bezahlt mehr.

Mobilität soll nicht Ziel per se sein, sondern ein Mittel, um in der Volkswirtschaft Wertschöpfung zu erzielen.

swissinfo.ch: Die Schweizer Politik hat jahrelang die Autofahrer aufgefordert, auf die Bahn umzusteigen. Geht Mobility Pricing nun nicht auf Kosten der Zugreisenden?

D.R.: Ich möchte hier ein Zahlenbeispiel aufführen: Ein Personenkilometer in einem kleinen Auto kostet etwa 40 Rappen, die Steuern nicht eingerechnet. Laut SBB-Chef Andreas Meier generiert ein durchschnittlicher GA-Kilometer einen Ertrag von 10 Rappen und Kosten von 16 Rappen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es deshalb nicht realistisch, an der heutigen Verkehrsfinanzierung festzuhalten.

Ob man damit die Zugreisenden bestraft, das ist eine andere Frage. Heute werden im Grunde genommen alle bestraft, die wenig mobil sind. Was wir uns einfach fragen müssen, ist: Wieviel Mobilität können wir uns leisten und wie soll sie finanziert werden? Es muss für alle, die unterwegs sind, transparent sein, wie hoch die Kosten ihrer Reise sind. Unabhängig davon, ob sie mit dem Zug oder dem Auto fahren.

Seitens der Wirtschaft sind wir von einem verursachergerechten Modell überzeugt. Denn es sollen keine falschen Anreize entstehen. Es ist wie beim Ausverkauf: Produkte sind dann so billig, dass man mehr kauft als nötig. Im Verkehr ist das fatal, denn die Differenz zahlt die Allgemeinheit. Wer mehr konsumiert, soll auch mehr bezahlen.

Und auch wer zu Stosszeiten unterwegs ist, soll mehr zahlen als jemand, der zu Randzeiten reist.

Heute besteht zudem die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Sie wird einfach sehr wenig genutzt. Ein Grund dafür ist sicher auch, dass die Mobilität eben heute sehr günstig ist.

swissinfo.ch: Eine Krankenschwester oder ein Bauarbeiter können weder Heimarbeit leisten noch wählen, wann sie zur Arbeit fahren. Werden schlussendlich mit diesem System nicht wohlhabende Leute, die sich etwa eine Wohnung im Stadtzentrum leisten können, bevorteilt?

D.R.: Die Verkehrsfinanzierungsfrage stellt sich ja aufgrund des ständig wachsenden Mehrverkehrs. Es geht deshalb um einen Grundsatzentscheid: Sollen wir das Verkehrswachstum durch immer höhere Subventionen anheizen? Angeheizt wird es etwa mit Systemen wie dem Generalabonnement. Denn beim GA lohnt sich jeder zusätzliche Kilometer aus der Perspektive des Einzelnutzers.

Die Frage ist deshalb, wie in den nächsten 15 bis 20 Jahren ein faires System geschaffen werden kann. Das heutige System ist extrem unfair zu Ungunsten derer, die wenig fahren und nahe beim Arbeitsort leben.

Die jüngste Statistik des Bundesamtes für Statistik zeigt, dass nur rund ein Drittel der Personenkilometer auf den Bahnverkehr entfallen und ganze zwei Drittel auf die Strasse. Der Strassenverkehr übersteigt den Personenverkehr an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung also massiv. Dennoch sind die Ausgaben für beide Bereiche etwa gleich hoch: Sie belaufen sich laut dem Direktor des Bundesamtes für Verkehr, Max Friedli, auf je 3 Mrd. Franken pro Jahr.

swissinfo.ch: Sollen die Zugreisenden, die weniger Sozial- und Umweltkosten als die Autofahrer verursachen, für den Strassenverkehr aufkommen?

D.R.: In den letzten Jahren war es umgekehrt. Von 1 Franken, der aus der Strasse kam, gingen um 1980 noch rund 80 Rappen zurück in die Strasse und 20 Rappen in die Schiene. Heute sind es noch 70 Rappen.

Doch es ist klar, wer im Landrover fährt, stellt ein anderes Umweltrisiko dar, als eine Person, die im Zug reist. Dieser Aspekt wurde in unserer Studie nicht berücksichtigt, beim Mobility Pricing würden die Umweltkosten jedoch mitberechnet.

Ziel muss einfach sein, dass auf Strasse und Schiene Engpässe beseitigt werden und dort das fahren teurer ist, wo es Engpässe gibt.

swissinfo.ch: Profitieren Autofahrer nicht auch davon, dass nicht alle Auto fahren und die Strassen noch mehr verstopfen?

D.R.: Das ist die Huhn- und Ei-Frage. In unserer Studie haben wir allgemein festgestellt, dass die Schweiz beim Strassennetz im Vergleich zu anderen Ländern Nachholbedarf hat.

Wenn man die Tendenz in den letzten 20 Jahren anschaut, stellt man fest, dass die staatlichen Mittel für den Verkehr weniger stark zunahmen als die Ausgaben in der sozialen Wohlfahrt. Es wird tendenziell also viel mehr Geld für Krankenvorsorge und Arbeitslosenversicherung ausgegeben als für Verkehrsinfrastrukturen.

swissinfo.ch: Sie plädieren für einen Ausbau der Strasse, was eine Zunahme anstatt eine Reduzierung des Strassenverkehrs zur Folge hätte. Steht das nicht im Widerspruch zum Mobility Pricing?

D.R.: Economiesuisse fordert nicht grundsätzlich einen Ausbau der Strassen. Wir sagen einfach, wenn es einen Nachholbedarf in der Verkehrsinfrastruktrur gibt, dann müsste man das Augenmerk auf die Strasse legen: Gemäss der qualitativen WEF-Rangliste steht die Schiene auf Rang 1, während der Autoverkehr lediglich auf Rang 4 figuriert.

Corinne Buchser, swissinfo.ch

In der Schweiz kommt ein neues Modell zur Finanzierung der Verkehrs-Infrastruktur auf den Tisch.

Eine Mobilitätsabgabe, die bei allen Verkehrsmitteln erhoben würde, soll gemäss dem Bericht die künftigen Verkehrsströme lenken und den mittelfristigen Rückgang bei den Einnahmen aus der Mineralölsteuer kompensieren.

Gemäss dem Bericht ist der Zustand der Infrastrukturen in der Schweiz «gut».

Die vorhandenen Netze für Strasse, Schiene, Luftfahrt, Strom, Gas und Telekommunikation seien gut ausgebaut, erreichten alle Landesteile und funktionierten zuverlässig.

In den kommenden 20 Jahren würden die Anforderungen jedoch stark steigen, und es sei mit einer eigentlichen «Europäisierung der Netze» zu rechnen.

Die Schweiz müsse mitten in der EU eine aktive Rolle als «Infrastruktur-Drehscheibe» spielen können, schreibt das Verkehrsdepartement.

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