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Das internationale Genf wird grün

Genf bewirbt sich um den Sitz des Grünen Klimafonds. Reuters

Genf entwickelt sich immer mehr zu einem grünen Zentrum: In einer Villa aus dem 19. Jahrhundert im grünen Versoix, nur ein Katzensprung vom Stadtzentrum entfernt, hat sich Arnold Schwarzeneggers Umweltschutzgruppe R20 niedergelassen.

Die R20 ist eine Allianz von 30 städtischen und lokalen Regierungen und Partnern, die weltweit kohlenstoffarme Projekte entwickeln. In Genf ansässig sind bereits zahlreiche europäische Hauptsitze von UNO- und spezialisierten Agenturen sowie rund 250 regierungsunabhängige Organisationen (NGO) und 32 internationale Organisationen, von denen viele im Umweltbereich tätig sind.

«Es war für uns eigentlich ein natürlicher Entscheid», erklärt Liliane Ursache, Projekt-Managerin bei R20. «Wir müssen genau verfolgen, was im Umweltbereich passiert, damit wir die internationalen Verhandlungen nicht aus den Augen verlieren. Zu den wichtigsten Akteuren hier zählen die Finanzwelt und die Investoren, die sehr an neuen Projekten interessiert sind», sagt sie.

«Genf ist auch ein wichtiger Platz für Cleantech. Auf diesem Gebiet sind grosse Fortschritte erzielt worden, und wir arbeiten eng mit Netzwerken und hier angesiedelten Partnern zusammen.»

Schwarzenegger hatte seinen Entscheid für Genf als Standort öffentlichkeitswirksam verkündet. Erleichtert wurde ihm dieser Schritt wohl dadurch, dass der Kanton bereit ist, die Miete der Villa Grand-Montfleury in Versoix für fast zwei Jahre zu übernehmen, dass die Einnahmen steuerfrei sind und es in der Schweiz einen «einmaligen Kundendienst» gibt.

Klare Strategie

In den letzten Jahren haben sich Schweizer und lokale Behörden sehr dafür eingesetzt, Genf zu einem internationalen Hub für Umwelt- und Gesundheitsfragen zu machen.

Vor der R20 hatte sich 2011 bereits das Sekretariat des Global Framework of Climate Services in Genf niedergelassen. Die Liste von Umwelt-Institutionen ist lang, darunter befindet sich etwa der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaveränderung (IPCC) und der Hauptsitz der Weltorganisation für Meteorologie (World Meteorological Organization WMO).

Auch das ständige Sekretariat des Grünen Klimafonds (GCF) könnte bald nach Genf kommen, eine autonome Organisation der UNO-Klimarahmen-Konvention. Der GCF soll bis 2020 jährlich gegen 100 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern für arme, verwundbare Staaten zur Verfügung stellen, um sie bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen.

Die Schweiz hat sich offiziell um den Sitz des Fonds beworben und im April ihre Kandidatur für einen Sitz in dessen Exekutivausschuss eingereicht. Auch die ehemalige deutsche Hauptstadt Bonn, wo das Sekretariat vorübergehend zu Hause ist, kandidiert als Standort für den Fond, ebenso Südkorea, Polen, Namibia und Mexiko. Ende 2012 soll der Entscheid fallen.

«Starkes Netzwerk»

Schweizer Vertreter sind überzeugt, dass Genf dank seiner wachsenden Umweltkompetenz, seinen Synergien und dem globalen Finanzzentrum der ideale Standort für den Fonds wäre.

«Genf hat auch ein starkes Netzwerk für diplomatische Vertretungen. Das ist wichtig, wenn der GCF wachsen soll und die Länder ihre Aktivitäten ausführen sollen», sagte Franz Perrez, Chef der Abteilung Internationales im Bundesamt für Umwelt BAFU, gegenüber swissinfo.ch.

Umweltberater Yves Lador ist ebenfalls der Meinung, dass andere internationale Umweltzentren wie Nairobi (Hauptsitz des UNO-Umweltprogramms UNEP), Bonn oder Montreal in Sachen Synergien mit Genf nicht Schritt halten können.

«Genf beherbergt zahlreiche spezialisierte Umwelt-Organisationen und ist mit den drei Konventionen ein Zentrum für wirtschaftliche und chemische Anliegen. Zudem gibt es innerhalb der Internationalen Arbeits-Organisation (ILO), der Weltgesundheits-Organisation (WHO) sowie in der WMO und im IPCC Abteilungen, die sich mit diesen Fragen befassen.

Der komplexe politische Entscheid über die Zukunft des GCF liege aber nicht in den Händen der Schweiz oder Genfs, so Lador.

Zweites globales Zentrum

Der ehemalige Schweizer Botschafter François Nordmann kann dies nur bestätigen. «Die Konkurrenz ist hart. Die Schweiz tritt gegen fünf Länder an, von denen drei G20-Mitglieder sind und eines aus Asien – ein sehr attraktiver Vorschlag. Und Deutschland ist so stark, dass es viele Stimmen beeinflussen kann. Zudem entwickelt sich Bonn immer mehr zu einem Umweltzentrum.»

Lador sieht für die Schweiz ein grosses Problem darin, dass zahlreiche Staaten einer globalen Umwelt-Gouvernanz kritisch gegenüber stehen, einem Thema, das am kommenden Gipfel in Rio im Juni diskutiert wird.

«Sie wird mit einer Strategie von Staaten konfrontiert, welche die Umwelt-Organisationen aufteilen wollen. Wenn die Politiker wirklich seriöse Arbeit für die Umwelt leisten wollten, würden sie wohl Klima-, chemische oder Biodiversität-Hubs aufbauen. Stattdessen aber splittern sie diese auf und verteilen sie auf Bonn, Genf und Montreal», erklärt der Umweltberater.

Laut Perrez ist es wichtig, eine Aufsplitterung der Standorte zu verhindern und das Know-how stattdessen zu konzentrieren. Es sei nicht der Wunsch der Schweiz, «das» globale Zentrum für Umwelt zu werden.

«Nairobi ist ‹das› Zentrum für Umweltfragen, da es Sitz des UNEP ist und das Umweltprogramm eine starke Institution bleiben muss. Nairobi kann nicht für alles zuständig sein. Ein zweites Zentrum, das Nairobi unterstützt, hätte klare Vorteile – und hier kommt Genf ins Spiel», fügt Perrez an.

Die Schweiz kandidiert als Sitzstaat für das permanente Sekretariat des Green Climate Fund (GCF). Gleichzeitig kandidiert sie für einen Sitz im Exekutivrat des GCF.

Aus Gründen der Effizienz sei es sinnvoll, so die Schweizer Haltung, inhaltlich verwandte Prozesse und Organisationen institutionell und geographisch zu konzentrieren. Genf und die Genfersee-Region sind ein wichtiges Zentrum der internationalen Umweltpolitik, in welchem zahlreiche internationale Organisationen und NGO ihren Sitz haben.

Für Klimafragen ist etwa der Hauptsitz der meteorologischen Weltorganisation WMO mit dem Sekretariat des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen IPCC und der Globalen Erdbeobachtungs-Initiative GEO relevant.

2011 wurde Genf zudem als Standort für die Einrichtung des Sekretariats des Global Framework for Climate Services (GFCS) bestimmt.

Das UNO Umweltprogramm (UNEP) verfügt über ein Regionalbüro in Genf. Andere in der Finanzierung von Klima-Massnahmen aktive Organisationen, so die Weltbank und das UNO-Entwicklungsprogramm (UNDP), haben dort Vertretungen.

Der 2010 gegründete Green Climate Fund soll ärmere Länder bei Problemen im Klimabereich unterstützen, mittelfristig Summen im zweistelligen Milliardenbereich verwalten und in Entwicklungsländern investieren.

Genf ist Sitz von 32 internationalen Organisationen, darunter WHO, WTO, ILO und IKRK.

Sie alle bringen dem Kanton pro Jahr Einnahmen von rund 3 Mrd. Franken.
 
Insgesamt arbeiten in Genf rund 40’000 Diplomaten und Beamte. 8500 sind allein bei der UNO angestellt. Ihr angegliedert sind 169 internationale Missionen.
 
Zudem beherbergt Genf rund 250 regierungsunabhängigen Organisationen NGO. 2400 Personen sind für Nichtregierungs-Organisationen tätig.

(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

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