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Das menschliche Antlitz der IV-Kampagne

Schwer sehbehindert: Oliver Maridor ist ein gutes Beispiel für eine Integration dank IV-Rente

Ihre Gesichter erscheinen auf Plakaten. Es sind Personen mit Namen: Frauen, Männer und auch ein Kind mit Behinderungen. Sie zeigen die menschliche Dimension der Abstimmung über die IV-Zusatzfinanzierung. swissinfo.ch hat einen von ihnen - Olivier Maridor - getroffen.

Sein Traum war es, Lokführer zu werden. Und sein Vater wollte ihn zum Physiotherapeuten ausbilden lassen. Doch wegen seiner schweren Behinderung konnte er keinen dieser Wege einschlagen. Stattdessen wurde er Klavierstimmer.

Bereits als kleines Kind litt Olivier unter der seltenen Augenkrankheit Aniridie. 1969 – im Alter von drei Jahren – muss er sich einer Operation unterziehen. Doch die Operation misslingt. Der kleine Olivier verliert auf dem linken Auge seine ganze Sehkraft. Das Sehvermögen auf dem rechten Auge ist sehr stark eingeschränkt.

Sein Lebensweg ist seither voller Hindernisse. Doch Olivier Maridor erträgt sein eigenes Schicksal mit einer erstaunlichen und zugleich beeindruckenden Gelassenheit. Gegenüber der Invalidenversicherung (IV) empfindet er grosse Dankbarkeit: «Ich habe viel erhalten.»

Auf der Suche nach der richtigen Ausbildung

Maridor konnte die öffentliche Schule in seiner Heimatstadt Vevey nicht besuchen. Stattdessen fuhr er täglich nach Lausanne zu einer Sonderschule für Sehbehinderte.

Er ist froh, dass er diese Schule besuchen konnte, die von der IV mitfinanziert wurde. Auch sein anschliessendes Jahr an der Sonderschule für Sehbehinderte in Zollikofen bei Bern im Alter von 16 Jahren konnte er dank der IV abschliessen.

In Sachen Beruf fiel die Wahl schliesslich auf Klavierstimmer. «Meine Eltern hatten herausgefunden, dass dieser Beruf für Sehbehinderte geeignet war», erzählt Maridor. In Paris fand er eine geeignete Schule, machte seinen Diplom und kehrte in die Schweiz zurück.

Und wieder auf Suche

Doch es war schwierig, eine Arbeit zu finden. Schliesslich schafft er es, aber das Unternehmen ging nach nur sechs Monaten Konkurs. Die Suche nach einem neuen Job als Klavierstimmer war vergeblich. 1988 ergab sich dann die Gelegenheit, an Stelle seiner Schwester in einer Braille-Druckerei in Basel zu arbeiten.

Nach 12 Jahren musste die Druckerei schliessen, weil die Subventionen durch die IV auf Grund einer Gesetzesänderung eingestellt wurden. Olivier Maridor ist wieder einmal arbeitslos, ohne ein Diplom der Branche, in der er über Jahre tätig war.

Er lässt sich nicht entmutigen und bittet die IV, ihm eine kaufmännische Ausbildung zu finanzieren. Die IV beantwortet die Anfrage positiv.

Er kann in einer Privatschule mit Sonderkursen für Sehbehinderte die Ausbildung machen. Ein Taggeld ermöglich ihm, während der dreijährigen Ausbildungsphase ohne eigene Berufstätigkeit zu leben.

Eingeschränkte Geschwindigkeit

Mit dem eidgenössischen Fähigkeitsausweis in der Tasche begibt sich Olivier erneut auf die schwierige Stellensuche. Denn seine Behinderung erfordert ein Anpassung des Arbeitsplatzes und Hilfsmittel, die normalerweise Unternehmungen nicht gewähren wollen.

Denn trotz eines speziellen Vergrösserung des Bildschirmtextes ist er nicht in der Lage, einen Text am Computer schnell zu lesen.

Im Jahr 2005 eröffnet die Stiftung Blindlicht das neue Restaurant «Blindekuh» in Basel. Olivier wird nach einem bestandenen Test teilzeit angestellt. Fast gleichzeitig erhält er eine weitere Teilzeitstelle, und zwar auf dem Zentralsekretariat der Behinderten Selbsthilfe Schweiz (AGILE) in Bern.

Sein Lohn wird wegen seiner reduzierten Arbeitsgeschwindigkeit gekürzt, aber durch die Invalidenversicherung mit einer Viertelsrente kompensiert.

Niemand ist gegen Invalidität geimpft

In seiner Freizeit singt Olivier Maridor in einem Gospel-Chor, fährt Tandem, ausserdem engagiert er sich im Verein Pro Bahn und in einigen Behinderten-Verbänden. Zur Zeit ist er in Zusammenhang mit der Kampagne zugunsten der IV-Zusatzfinanzierung stark beschäftigt.

Er setzt sich an vorderster Front für dieses Vorhaben ein, «denn die IV ist in meinem ganzen Leben ständig präsent.» Die IV, sagt er, geht alle etwas an. Denn jeder kann von einem Moment auf den anderen invalid oder teilinvalid werden.

Olivier Maridor will nicht bestreiten, dass es auch in der IV-Betrüger gibt, so wie bei anderen Sozialleistungen. «Doch es ist eine ganz kleine Minderheit», meint er. Die Mehrheit der IV-Empfänger sei wirklich behindert und wäre mehr als glücklich, keine Behinderung zu haben.

Sonia Fenazzi, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

Die Schweizer Stimmberechtigten müssen entscheiden, ob sie die Mehrwertsteuersätze zugunsten der Invalidenversicherung (IV) während sieben Jahren (2011–2017) leicht erhöhen wollen, um deren Finanzierung zu gewährleisten.

Im Falle einer Annahme der Vorlage steigt der Normalsatz von heute 7,6 auf 8%.

Mit diesem wichtigen Schritt im Sanierungsplan soll den laufenden Defiziten (zirka 1,5 Mrd. pro Jahr) und der enorm anwachsenden Verschuldung der IV (zirka 13 Mrd. Ende 2008) Einhalt geboten werden.

Da die die befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer mit einer Verfassungsänderung verbunden ist, wird sie Volk und Ständen zur Abstimmung vorgelegt. Bundesrat und Parlament befürworten die Zusatzfinanzierung.

Olivier Maridor wird 1966 in Vevey geboren. Seit seiner Geburt leidet er an der Augenkrankheit Aniridie.

Nach der obligatorischen Schule in einer Sonderschule für Sehbehinderte in Lausanne lässt er sich in Paris zum Klavierstimmer ausbilden.

In Folge des Konkurses seines Arbeitsgebers wird Maridor arbeitslos. Ab 1988 arbeitet er bei einer Druckerei für Braille-Publikationen in Basel. Im Jahr 2000 schliesst das Unternehmen.

Olivier Maridor absolviert eine kaufmännische Ausbildung und erwirbt den eidgenössischen Fähigkeitsausweis.

Seit 2005 arbeitet er im Restaurant Blindekuh in Basel sowie als Zentralsekretär der Behinderten Selbsthilfe Schweiz (AGILE) in Bern.

Er ist geschieden und Vater eines neunjährigen Jungen, mit dem er das Wochenende und die Ferien verbringt.

Aniridie ist eine seltene, angeborene Unterentwicklung der Regenbogenhaut (Iris) des Auges.

Synonyme sind Irisaplasie und Irideremie.

Man verbindet damit auch häufig die Fehlentwicklung der Retina am hinteren Ende des Augapfels, was den Verlust der Sehkraft bedeutet.

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