Deiss neuer Präsident der UNO-Generalversammlung
Der ehemalige Bundesrat Joseph Deiss ist am Freitag in New York zum Präsidenten der 65. UNO-Generalversammlung gewählt worden. Die Wahl in der Generalversammlung erfolgte per Akklamation. Deiss war der einzige Kandidat gewesen.
Im Plenarsaal sass auch die Schweizer Aussenministerin Micheline Calmy-Rey, die ihr Amt 2003 von Deiss übernommen hatte.
Deiss wird die Generalversammlung ab dem 14. September für ein Jahr präsidieren. Er tritt die Nachfolge des libyschen Diplomaten Ali Treki an. Die Versammlung ist das Plenum der Weltorganisation, in dem alle 192 Mitgliedsstaaten unabhängig von ihrer Grösse und Macht eine gleichberechtigte Stimme haben.
Mit der Wahl in sein UNO-Amt kehrt Deiss an den Ort zurück, der mit einem der grössten Erfolge seiner politischen Karriere verbunden ist, mit dem Ja des Stimmvolks zum Beitritt der Schweiz in die Vereinten Nationen.
Deiss hatte das Hissen der Schweizer Flagge vor dem Hauptsitz der UNO in New York im September 2002 gegenüber swissinfo.ch als einen der schönsten Momente seiner politischen Karriere bezeichnet.
Erfolg für Schweiz, Ehre für Deiss
Das Präsidium der Generalversammlung ist formell das höchste Amt der UNO. Im Gegensatz zu Generalsekretär Ban Ki-moon oder dem Sicherheitsrat hat der Präsident der Generalversammlung aber keine politische Entscheidungsmacht.
Für die Schweiz ist die Wahl von Deiss ein diplomatischer Erfolg, für Deiss die Krönung seiner politischen Karriere, die ihn über Kanton (Grosser Rat Freiburg) und Gemeinde (Präsident) zum Bund und jetzt zur UNO führte.
«Die Wahl ist ein Erfolg für die Schweiz und eine grosse Ehre auch, dass wir nach erst relativ wenigen Jahren als Mitglied das Präsidium der Generalversammlung stellen können», sagte Deiss. «Für mich selber ist es in erster Linie eine grosse Herausforderung. Ich möchte namentlich schauen, dass die GV etwa gegenüber der G20 mehr Gewicht erlangt.»
In seinem neuen UNO-Amt hat der ehemalige Bundesrat nicht die Interessen der Schweiz voranzutreiben, er steht im Dienste aller UNO-Staaten. Für die Durchsetzung der Interessen der Schweiz zuständig bleibt UNO-Botschafter Paul Seger.
Der Präsident der Generalversammlung hat die Rolle eines unabhängigen, neutralen Vermittlers, dessen erste Priorität die Ziele der internationalen Gemeinschaft sein müssen. Er hat keine besonderen Befugnisse, um nationale Interessen seines Landes zu vertreten.
Zu den Aufgaben des Präsidenten gehört die Gestaltung der Agenda, was in Zusammenarbeit mit einem Präsidial-Ausschuss erfolgt. Er muss für einen reibungslosen Ablauf der Sitzungen sorgen und leitet die zweiwöchige Generaldebatte und allfällige Sondersitzungen.
Der Brückenbauer
Deiss ist ein Mann, der sich als Vermittler versteht, als Brückenbauer, der Dinge von verschiedenen Seiten betrachtet, nach Kompromiss und Konsens sucht. Er ist ausgleichend und diskret und gilt als guter Verhandlungsführer, alles Eigenschaften, die ihm bei dem UNO-Amt zu gute kommen dürften.
Deiss hatte die Rolle des Präsidenten der Generalversammlung nach seiner Nomination als bedeutend bezeichnet und die Aufgabe mit der eines Schiedsrichters verglichen, der neutral zwischen den Teams zu vermitteln habe.
Aber natürlich wird das Wertesystem der Schweiz, das auch Deiss symbolisiert, in gewissem Sinne zum Zuge kommen. Wichtig wird für Deiss sein, dass es ihm gelingt, vermittelnd zu wirken, Kompromisse aufgleisen zu können, um Themen, die zwischen Blöcken in der UNO umstritten sind, vorwärts zu bringen.
Als wichtige Aufgaben der 65. Generalversammlung nannte Deiss in Interviews mit Schweizer Medien nach seiner Nomination unter anderem die UNO-Reform, die Debatte über die Millenniumsziele und Wirtschaftsfragen.
Wahl war erwartet worden
Das Amt des Präsidenten der Generalversammlung wechselt jedes Jahr von einer der fünf geopolitischen UNO-Gruppen zur andern. Dieses Jahr kam ein Kandidat aus der Gruppe Westeuropa und andere Länder (WEOG) zum Zuge, zu der auch die Schweiz gehört.
Die Wahl von Deiss war erwartet worden, denn normalerweise wird der Vorschlag der Regionalgruppe, die den nächsten Präsidenten stellt, in der Generalversammlung nicht mehr angefochten.
Deiss hatte im letzten Dezember die interne Ausmarchung in der WEOG gegen den ehemaligen belgischen Aussenminister Louis Michel für sich entscheiden können. Wie viele Stimmen bei der inoffiziellen, geheimen Wahl auf die beiden Kandidaten entfallen waren, wurde nicht bekanntgegeben, doch hatten belgische Medien von einem knappen Ausgang berichtet.
Rita Emch, New York, swissinfo.ch
Mit der Wahl zum Präsidenten der UNO-Generalversammlung erhält die politische Karriere von Joseph Deiss vier Jahre nach seinem Rücktritt aus der Schweizer Regierung nun noch eine internationale Dimension.
Seine politische Karriere begann 1981 im Grossen Rat des Kantons Freiburg. Von 1982 bis 1996 war er zudem Gemeindepräsident von Barberèche.
1991 wurde er in den Nationalrat gewählt, 1999 folgte die Wahl in den Bundesrat, wo er das Aussenministerium übernahm. In dieser Funktion führte er die erfolgreiche Abstimmungskampagne für den Beitritt der Schweiz zur UNO.
2003 wechselte er ins Wirtschaftsministerium, 2006 trat er aus dem Bundesrat zurück.
Joseph Deiss wurde 1946 geboren. Er ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Kindern.
Von 1984 bis zu seiner Wahl in den Bundesrat 1999 war Deiss Wirtschaftsprofessor an der Universität Freiburg. Von 1993 bis 1996 amtete er zudem als Preisüberwacher der Schweiz.
Die Generalversammlung ist das Plenum der Weltorganisation, in dem alle 192 Mitgliedsstaaten unabhängig von ihrer Grösse und Macht eine gleichberechtigte Stimme haben.
Zu den Aufgaben des Präsidenten der Generalversammlung gehört die Gestaltung der jährlichen Agenda, was in Zusammenarbeit mit einem Präsidial-Ausschuss erfolgt.
Der Präsident leitet die zweiwöchige Generaldebatte und die Sondersitzungen, die im Verlauf des Jahres angesetzt werden können. Ist der Präsident während einer Sitzung verhindert, überträgt er die Leitung einem seiner 21 Vizepräsidenten.
Zudem ist er in Zusammenarbeit mit UNO-Staaten, dem UNO-Generalsekretär, den Vorsitzenden der sechs Unterausschüsse der Generalversammlung an der Erarbeitung von konsensfähigen Resolutionsentwürfen zu Themen beteiligt, die der Versammlung vorgelegt werden sollen.
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