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Deutsch-schweizerische «Lieblingsthemen»

Der Schweizer Hoffnungsträger im Steuerstreit, der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, zieht alle Register. Keystone

Eigentlich sollten zwei bilaterale Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz die Jahrzehnte andauernden Debatten um Steuern und Fluglärm beenden. Doch vielleicht kommt alles anders. Über zwei Nachbarn, die selten so richtig einer Meinung sind.

Das Verhältnis zwischen der Schweiz und Deutschland ist gespannt. Zwei Themen, welche die Beziehungen beider Länder seit Langem belasten, sind wieder einmal auf der Tagesordnung und führen auf beiden Seiten der Grenze zu intensiven Diskussionen: das Steuerabkommen und der Streit um den Lärm am Flughafen Zürich.

Steuerabkommen droht zu scheitern

Laut Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft liegen deutsche Vermögen im Wert von etwa 150 Milliarden Euro unversteuert auf Schweizer Konten. Dem deutschen Fiskus entgehen so Steuereinnahmen in Milliardenhöhe.

Das vom deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seiner Schweizer Amtskollegin Eveline Widmer-Schlumpf ausgehandelte Abkommen soll den Streit beider Länder nun beenden. «CD-Käufe waren nur die zweitbeste Lösung», sagte Schäuble in einem Video-Podcast. «Die Steuerbeziehungen beider Länder müssen auf eine zukunftsfähige Basis gestellt werden.»

Im deutschen Bundestag wurde das Steuerabkommen Ende Oktober schon ratifiziert. Im Bundesrat, der Länderkammer, wird es am kommenden Freitag voraussichtlich keine Mehrheit finden, denn die von der Opposition regierten Länder haben angekündigt, ihm nicht zuzustimmen.

Die SPD lehnt das Abkommen geschlossen ab

Kritikern aus den Reihen von SPD, Grünen und Linken geht das Abkommen nicht weit genug, viel zu zahlreich seien die Schlupflöcher. Auch Schäubles jüngstes Angebot – von deutschen Medien augenzwinkernd als «unmoralisches Angebot» betitelt – konnte die SPD nicht umstimmen.

Laut einem Bericht des Magazins Spiegel von Sonntag hatte Schäuble den Ländern einen grösseren Teil des Steuerkuchens in Aussicht gestellt als bisher geplant, sollten sie dem Abkommen im Bundesrat zustimmen.

Bei einem SPD-Treffen am Sonntagabend hätten sich alle Länderchefs oder deren Stellvertreter dafür ausgesprochen, den Vertrag am Freitag abzulehnen, meldete gestern die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf Teilnehmerkreise. Niemand glaube, dass die Schweiz eine solche Summe überweisen würde.

Und der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sieht in dem Angebot der Bundesregierung den Beweis, dass es ihr «nicht um das Schliessen von Steuerschlupflöchern geht, sondern um die eigene Gesichtswahrung und ganz offenkundig auch darum, Steuerbetrügern endlich wieder zu ruhigem Schlaf zu verhelfen».

Nach der für die Sozialdemokraten schwierigen Diskussion über die Nebeneinkünfte des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück ist sich die SPD in der Ablehnung des Steuerabkommens einig. Schäuble sagte indes, der Opposition gehe es ausschliesslich um billige Polemik und pure Parteipolitik.

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So löchrig wie ein Schweizer Käse

Doch auch jenseits parteipolitischer Auseinandersetzungen ist die Kritik am Steuerabkommen in Deutschland laut. Die Nichtregierungs-Organisation Campact beispielsweise hat die Kampagne «Kein Freibrief für Steuerbetrüger!» gestartet, unterstützt unter anderem von der grössten deutschen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Mehr als 110’000 Bürger haben den Appel des Aktionsbündnisses unterzeichnet, das «Steuer-Amnestie-Abkommen» zu stoppen. Mit öffentlichen Aktionen weist die Organisation immer wieder auf die Mängel im Steuerabkommen hin, das «so löchrig wie ein Schweizer Käse» sei.

Die Berichterstattung in den deutschen Medien ist ebenfalls kritisch. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete das Abkommen in einem Kommentar zum Beispiel als «von Anfang an schlecht verhandelt».

Die Stimmung hatte sich bereits aufgeheizt, nachdem Schweizer Behörden im April Haftbefehle gegen drei deutsche Steuerfahnder erlassen hatten. Als Mitte November Steuerfahnder in ganz Deutschland die Wohnräume deutscher Kunden der Schweizer Bank UBS sowie die Geschäftsräume der deutschen Filialen der Bank durchsuchten, spitzte sich die Situation sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz weiter zu.

Auch im Fluglärmstreit kein Frieden in Sicht

Auch der Streit um den Lärm am Flughafen Zürich-Kloten erhitzt erneut die Gemüter diesseits und jenseits des Rheins. Anwohner auf der deutschen Seite wehren sich seit Jahren gegen den Lärm der in Zürich-Kloten startenden und landenden Flugzeugen.

Wie Schäuble hatte auch sein Kabinettskollege Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) einen Staatsvertrag ausgehandelt, der die alte Debatte endlich beenden sollte, nun aber kurz vor der Unterzeichnung zu scheitern droht. Uneins ist man sich auf deutscher und schweizerischer Seite erneut darüber, wie viele An- und Abflüge über deutsches Gebiet erfolgen dürfen. Die von Schweizer Seite Ende Oktober verkündeten 110’000 Flüge bezeichnete Ramsauer erbost als «Unfug».

Ramsauer wiederum wird heftig von Landespolitikern und Bürgerinitiativen aus Baden kritisiert, die von dem Abkommen überrascht wurden.

«Der Fluglärm-Staatsvertrag bringt in der vorliegenden Form keine Entlastung von der Flugverkehrsbelastung für Südbaden, sondern im Gegenteil eine erhebliche Mehrbelastung. Die Region ist sich einig, dass dies nicht akzeptabel ist», sagt zum Beispiel Thomas Dörflinger (CDU), Bundestagsabgeordneter aus Waldshut-Tiengen und Vorsitzender der Deutsch-Schweizerischen Parlamentariergruppe auf Anfrage von swissinfo.ch.

«Beziehungen sind trotzdem in Ordnung»

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz hält Dörflinger dabei aber nicht für nachhaltig belastet. «Ungeachtet der beiden Sachfragen, von denen ich mindestens eine – das Steuerabkommen – für kurzfristig lösbar halte, sind die deutsch-schweizerischen Beziehungen in Ordnung und funktionsfähig.

In vielen anderen Fragen, wie etwa der Zusammenarbeit über den Rhein hinweg entlang der Grenze, arbeiten Deutschland und die Schweiz unauffällig und sehr effektiv zusammen», so Dörflinger.

Die Gegner kritisieren unter anderem folgende Punkte:

Zu niedrige Steuersätze für Altlasten

Die ausgehandelten Sätze von 21-41% würde es Steuerkriminellen ermöglichen, ihre zum Teil seit Jahrzehnten in der Schweiz deponierten Vermögen mit einer pauschalen Abschlagszahlung zu legalisieren.

– Die Anonymität bleibt gewahrt

Die Steuern würden künftig von Schweizer Banken erhoben und dann nach Deutschland transferiert. Die Inhaber der Schweizer Konten blieben so weiter anonym. Auch wie hoch die Summe deutscher Gelder in der Schweiz tatsächlich ist, bliebe unbekannt.

– Zu viele Schlupflöcher

Trotz des Abkommens gibt es weiterhin viele Möglichkeiten, Gelder am deutschen Fiskus vorbei in Steueroasen anzulegen. Bis das Abkommen 2013 in Kraft tritt, können Steuersünder ihr Vermögen in Ruhe in andere Steueroasen transferieren.

– Begrenzte Anzahl von Anfragen

Die deutschen Finanzämter sollen in zwei Jahren nur 1300 Anfragen an Schweizer Banken stellen können, das wären weniger als zwei Anfragen für jedes Finanzamt in zwei Jahren.

– Blockade einer EU-Regelung

Ein bilaterales Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz blockiert Bemühungen, zu einer EU-weiten Regelung der Besteuerung zu kommen.

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