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Deutschland restriktiver: Immer mehr Afghanen kommen in die Schweiz

Bisher war die Schweiz kein eigentliches Zielland der Afghanen. Keystone

Im Oktober 2015 wurden in der Schweiz 4750 Asylgesuche registriert. Das sind 206 mehr als im September. Die Zahl der Gesuche eritreischer Staatsangehöriger sank gegenüber dem Vormonat erneut deutlich. Demgegenüber stieg die Zahl der Asylgesuche afghanischer Staatsangehöriger. Aufgrund der angespannten Situation entscheiden Bund und Kantone heute über mögliche Sondermassnahmen.

Auf der Traktandenliste einer Sondersitzung zwischen den kantonalen Polizeidirektoren, den Sozialdirektoren und der Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga ist auch die Frage, ob Bund und Kantone einen nationalen Sonderstab einsetzen sollen oder nicht.

Hans-Jürg Käser, der Präsident der kantonalen Polizeidirektoren, forderte vor einigen Tage, dass der Bund sein Notfallkonzept aktiviere. Die Forderung Käsers ist unter den Polizeidirektoren umstritten. Die Kompetenz zur Aktivierung des Notfallkonzepts und zur Einsetzung eines Sonderstabes liegt bei der Landesregierung.

Prognose wird übertroffen

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hofft, dass bei der zweiten Runde der Syrien-Konferenz am Samstag in Wien Fortschritte auf dem Weg zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts gemacht werden.

Sie setze darauf, dass das Treffen ein kleiner Schritt hin zu einer politischen Lösung sei, sagte Merkel am Freitag in Berlin. Bis diese erreicht sei, werde die internationale Gemeinschaft aber vermutlich noch viel Geduld aufwenden müssen.

Die Rückkehr zum sogenannten Dublin-Verfahren bei syrischen Flüchtlinge in Deutschland begrüsste die Kanzlerin. Damit wird seit Mitte Oktober wieder geprüft, ob ein Flüchtling bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurde und damit eigentlich dort Asyl beantragen muss.

Merkel erklärte, dies sei ein Schritt, «um zu einer fairen Lastenverteilung in Europa insgesamt zu kommen». Zeitweilig hatten die Behörden unter dem Andrang der Flüchtlinge auf die Prüfung verzichtet.

Laut der am Freitag veröffentlichten Asylstatistik war die Zunahme gegenüber dem September mit 206 Gesuchen relativ gering. Auffallend ist jedoch die Zunahme der Asylgesuche von Afghanen. 1533 Gesuche kamen im Oktober aus Afghanistan, im September waren es noch 658 Gesuche. Im ganzen Jahr 2014 hatten insgesamt nur 747 Afghaninnen und Afghanen ein Asylgesuch gestellt.

Die Zahl der Asylsuchenden aus Eritrea nahm im Oktober im Vergleich zum September um 57 % auf 599 ab. Weitere wichtige Herkunftsländer waren Syrien mit 621 Gesuchen (-292) und Eritrea mit 599 Gesuchen (-788). Zunahmen um mehr als 100 Gesuche gab es zudem bei den Herkunftsländern Irak mit 519 Gesuchen (+170) und Sri Lanka mit 212 Gesuchen (+105).

Bis Ende Oktober 2015 stellten in der Schweiz 28’962 Personen ein Asylgesuch. Damit steht fest, dass die die ursprüngliche Prognose von 29’000 Asylgesuchen im Jahr 2015 übertroffen werden wird.

Im Vergleich zu Gesamteuropa verläuft der Anstieg der Asylgesuchszahlen in der Schweiz laut dem Staatssekretariat für Migration weiterhin moderat. Im Oktober 2015 gingen in Österreich 10’632 neue Asylgesuche ein, in Norwegen waren es 8666 und in Schweden 39’181. In der Schweiz waren wie erwähnt es 4750.

Geänderte Praxis in Deutschland

Bisher habe die Schweiz nicht zu den wichtigsten Zielländern für Menschen aus Afghanistan gehört, sagte Mario Gattiker, der Staatssekretär für Migration, der Schweizerischen Depeschenagentur. Eine Ausnahme bildeten die Jahre 2011 und 2012. Damals fanden viele Gefechte zwischen den internationalen Truppen und den Taliban statt, was die Menschen in die Flucht trieb. Dieser Umstand zeige, wie sehr die Migration von der Lage in den Herkunftsstaaten abhängig sei, so Gattiker.

Die Asylsuchenden aus Afghanistan kommen allerdings nicht zuletzt deshalb in die Schweiz, weil Deutschland eine rigorose Praxis gegenüber Afghanen angekündigt hat. Auch in der Schweiz sind Wegweisungen nach Afghanistan aber grundsätzlich zulässig und auch möglich.

Gattiker betonte, dass jeder Fall sorgfältig geprüft werde. Es wäre falsch, davon auszugehen, dass afghanische Staatsbürger generell nicht gefährdet seien. «Aber ebenso klar ist, dass wir Menschen, die wir gefahrlos nach Afghanistan wegweisen können, auch konsequent zurückführen», sagte der Staatssekretär.

Seit drei Jahren bereit

Bereits seit Ende 2012 hat der Bundesrat ein Notfallkonzept in der Schublade parat. Darin sind 29 Massnahmen aufgelistet, die helfen sollen, kritische Situationen in den Griff zu bekommen. Würde der Sonderstab vom Bundesrat aktiviert, so wäre die Landesregierung für die weitere Strategie, Planung und Umsetzungskontrolle der Bewältigung der ausserordentlichen Lage zuständig. Der Sonderstab würde Bundesratsentscheide vorbereiten und wäre auch für die Kommunikation gegenüber der Öffentlichkeit zuständig.

Zu den im Notfallkonzept vorgesehenen Massnahmen gehört eine Notstandsklausel im Asylgesetz. Unter anderem soll der Bund bei extrem wachsenden Asylzahlen den Menschen vorübergehend Schutz gewähren können. Dadurch würde ihr Asylverfahren sistiert und das Asylsystem als Ganzes entlastet. Rechtlich ist dieser sogenannte «Status-S» bereits heute möglich. Er wurde jedoch noch nie angewandt.

Zur Frage der Unterbringung heisst es im Notfallkonzept, dass bis 2018 die Unterbringungskapazität des Bundes auf 6000 Betten erhöht werden soll. Laut Auskunft des Staatssekretariats für Migration (SEM) ist die Zahl der Unterbringungsplätze seit dem Frühling in enger Zusammenarbeit mit den Kantonen von 2300 auf 3400 erhöht worden. In diesen Tagen wird sie auf rund 4300 aufgestockt, unter anderem mit dem neuen Bundeszentrum Glaubenberg bei Sarnen und mehreren Zivilschutzanlagen.

Genügend Haftplätze

Gemäss dem Notfallkonzept sollen Bund und Kantone bundeseigene Anlagen und Bauten bewilligungsfrei als Asylunterkunft nutzen können. Bei einem unerwartet hohen Zustrom sollen Militäranlagen bereitgestellt werden. Asylsuchende sollen von den Kantonen in zusätzlichen Einrichtungen untergebracht werden können, die temporär erstellt oder umgenutzt würden.

Die Kantone sollen zudem genügend Haftplätze zur Verfügung stellen, um auch bei erhöhtem Bedarf die rückzuführenden Personen in Ausschaffungshaft beziehungsweise in Administrativhaft zu nehmen. Der Bund prüft zudem die Schaffung von Ausreisezentren für abgewiesene Asylsuchende.

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