Didier Burkhalter stärkt Südkorea den Rücken
Die erste Übersee-Reise als Aussenminister hat Didier Burkhalter nach Südkorea geführt. Dort nahm er am Gipfel über nukleare Abrüstung teil und unterstrich die strategische Partnerschaft mit dem Gastgeberland. Empfangen wurde er mit Schweizer Folklore.
Sie tragen Trachten der Schweizer Landkantone, jodeln, als hätten sie den Gesang mit der Muttermilch aufgesogen und sie sind wahre Meister des Schwyzerörgeli.
Doch etwas ist anders: Die jungen Hirtenbuben und -mädchen haben allesamt asiatische Mandelaugen. Ihr volkstümlicher Auftrag: Die Eröffnung der «Schweizer Wochen von Seoul» zusammen mit Didier Burkhalter.
Die Festwochen finden aus Anlass des 50. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Staaten statt. Zudem ist die Schweiz auch an der diesjährigen Weltausstellung in Yeosu mit einem Pavillon vertreten. Dieser öffnet am 12. Mai seine Tore.
Die kleinen Halszäpfchen-Artisten sind der lebende Beweis: die Schweiz geniesst im Südkorea einen hervorragenden Ruf. «Die Beziehungen sind gut, können aber noch intensiviert werden», sagt Didier Burkhalter.
Dazu wolle die Schweiz insbesondere die bestehenden Partnerschaften stärken, sagte der Aussenminister in seiner Eröffnungsrede. Den Willen dazu bekräftigte Burkhalter auch bei einem Treffen mit seinem südkoreanischen Amtskollegen. Die letzten Kontakte der beiden Länder auf Aussenminister-Ebene datieren aus dem Jahr 2004.
«Cocktail aus Design, Jugend, Kunst und Kultur»
In Südkorea vertrat Burkhalter die Schweiz am Gipfel über nukleare Sicherheit. Danach nahm er die Gelegenheit wahr, Land und Leute besser kennen zu lernen. Er habe sich für seine erste Übersee-Reise ein Land mit hoher Dynamik gewünscht, sagte er. «Südkorea entspricht genau einer unserer strategischen Prioritäten, nämlich Partnerschaften mit globalen Akteuren zu unterhalten», so der Aussenminister.
Besonders angetan zeigte sich Burkhalter vom «Cocktail aus Design, Jugend, Kunst und Kultur», der die südkoreanische Gesellschaft präge.
Dazu steht die eingangs von der koreanischen Jugend präsentierte Schweizer Folklore in krassem Gegensatz. Natürlich müsse die Schweiz auch von solchen Klischees profitieren, sagte Nicolas Bideau, Direktor von Präsenz Schweiz, der Promotions-Agentur des Bundes. «Aber wir versuchen in Asien generell, über die Traditionen hinaus andere Akzent zu setzen.»
Die Strategie lässt sich unter anderem am Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Schanghai 2010 illustrieren. Einerseits präsentierte sich die Schweiz als Hightech-Hochburg, andererseits wurden den Gästen urchige Spezialitäten wie Raclette serviert.
Angewandte Neutralität
Auf Burkhalters Programm stand auch ein Besuch der demilitarisierten Zone und der Schweizer Soldaten, welche diese seit 1953 überwachen. Soldaten von Nord- und Südkorea beobachten dort durch Ferngläser jede Bewegung des Feindes, denn die beiden Staaten befinden sich offiziell immer noch im Krieg.
Vom Beobachtungsposten Dora sah Burkhalter jenseits des demilitarisierten Streifens hinein die industrielle Sonderzone von Kaeson. Er erblickte die «Brücke ohne Umkehr» sowie die nordkoreanische Flagge gigantischen Ausmasses. Diese ist als Provokation der Bewohner im Süden gedacht, die der festen Überzeugung sind, dass die Menschen beiderseits der befestigten Grenze aus demselben Fleisch und Blut sind.
Von seinem Posten aus nahm Burkhalter eine «stark gespannte Atmosphäre» wahr. «Hier zeigt die Neutralität der Schweiz ihre Nützlichkeit», bemerkte er.
Thema beim erwähnten Treffen mit seinem südkoreanischen Amtskollegen war auch die Bedrohung durch Nordkorea.
Pjöngjang kündigte für Mitte April den Abschuss einer Trägerrakete an, die mit einem zivilen Satelliten bestückt sein soll. Beobachter gehen aber von einem militärischen Zweck des Satelliten aus.
Symbolischer Einsatz
«Südkorea ist besorgt, die Lage ist heikel», sagte Burkhalter nach dem Gespräch. Angesichts der regionalen Instabilität sei die Unterstützung durch die Schweiz immer noch notwendig.
Doch das Engagement der Schweiz ist arg begrenzt: Gerade mal fünf Offiziere mit dem weissen Kreuz im roten Wappen stehen am Brennpunkt im Einsatz. «Die Überwachungsmission an der Demarkationslinie hat eher symbolischen Charakter», ist sich Kommandant und Divisionär Urs Gerber im Klaren. «Aber wir bleiben, solange unsere Dienste erwünscht sind».
Auch der Aussenminister will nichts von einem Rückzug wissen. «Die Schweiz ist wie andere Länder auch dafür verantwortlich, dass unsere Welt besser wird», so die Überzeugung Burkhalters.
Im Schweizer Pavillon an der diesjährigen Weltausstellung in der südkoreanischen Stadt Yeosu, die Expo wird am 12. Mai eröffnet, wird auch ein Felsbrocken aus dem Monte-Rosa-Massiv zu sehen sein.
In der Schau mit dem Titel «Die Quelle liegt in Ihrer Hand» lernen die Besucherinnen und Besucher auf einer Reise ins Herz der Alpen die Schweiz als Wasserschloss Europas kennen.
Neben dem Felsmassiv ist eine gefrorene Karotte, die über 4000 Jahre alt ist, ein weiterer Höhepunkt.
Angesichts des angekündigten Abschusses einer Trägerrakete mit einem Satelliten hat die Schweizer Regierung den Botschafter Nordkoreas in Bern ins Bundeshaus zitiert.
Auch hat der Botschafter der Schweiz für China und Nordkorea am 15. April die Teilnahme an den Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag des Diktators Kim Il-sung abgesagt.
Der Abschuss ist für dieses Datum geplant.
Didier Burkhalter hat das Vorhaben bedauert und den Abschuss als «grosse Provokation» verurteilt, die den UNO-Resolutionen widerspreche.
Südkorea
1962: Aufnahme von Beziehungen zwischen Bern und Seoul.
2006: Abschluss eines Freihandelsabkommens zwischen der Efta (zu der auch die Schweiz zählt) und Südkorea.
2010: Exporte von 2,3 Mrd. Franken, Importe von 440 Mio. Franken.
Ende 2011 lebten 235 Schweizer in Südkorea.
Nordkorea
1974: Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bern und Pyöngyang.
1995: Erste Entwicklungs-Zusammenarbeit in Form von Lebensmittellieferungen während einer grossen Hungersnot.
1997: Eröffnung eines Koordinationsbüros in Pjöngjang mit drei Schweizern und fünf lokalen Mitarbeitern.
2003: Aufnahme eines politischen Dialoges, der einmal jährlich stattfindet.
Im Land leben acht Schweizer.
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Kuenzi)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch