Entwicklungshilfe nach marktwirtschaftlichen Kriterien
In der Schweizer Entwicklungshilfe zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: Sie solle sich mehr nach marktwirtschaftlichen Kriterien ausrichten, findet eine Expertengruppe, welche die Regierung berät. Ein Unternehmen aus St. Gallen entwickelt solche Geschäftsmodelle. Für Madagaskar, zum Beispiel.
Die Fischer im Südwesten von Madagaskar haben sich zu Kooperativen zusammengeschlossen. Sie fischen gemeinsam. Anschliessend kommt der Fisch in Kühlhäuser, später auf den Markt. Transport und Kühlkette gewährleistet das Unternehmen WeconnexExterner Link aus St.Gallen.
Gründer von Weconnex ist der Ökonom Lars Willi. Für ihn ist das Engagement Entwicklungszusammenarbeit nach marktwirtschaftlichen Kriterien: Man führe zusammen mit den Fischern eine Firma und trage das Risiko mit. «Wir sind finanziell am Erfolg beteiligt, aber eben auch am Erfolg der Nachhaltigkeit. Wenn es keinen Fisch mehr gibt, dann ist unser Geschäftsmodell dahin.»
«So muss man Entwicklungshilfe in Zukunft aufbauen», ist Willi überzeugt. Die klassische spendenfinanzierte Entwicklungshilfe sei nicht nachhaltig, sie müsse abgelöst werden. Der Ökonom rüttelt an einem Tabu: Darf man mit den ärmsten Menschen dieser Welt Geschäfte machen?
«Wir sollten die Ärmsten als Kunden von unserer Entwicklungszusammenarbeit betrachten.» Philipp Aerni vom ccrsExterner Link der Uni Zürich
Ja, man müsse sogar, sagt Willi: «Für uns sind die wirtschaftlichen Kriterien eine Bedingung, um überhaupt erfolgreich in diesen Regionen zu arbeiten. Wenn wir langfristig denken, müssen wir die Umwelt entsprechend einsetzen. Das heisst, wir müssen eigentlich schon aus unternehmerischen Gesichtspunkten Umweltschutz betreiben – genau so, wie wir aber auch verantwortungsvoll mit unserem Sozialkapital umgehen müssen.»
Das Entwicklungshilfe-Projekt in MadagaskarExterner Link ist ein Erfolg. Mit den fünf Kooperativen werden immerhin 12’000 Bedürftige erreicht.
Expertengruppe prüft neuen Ansatz
Mit dem Paradigmenwechsel beschäftigt sich auch die Schweizer Regierung (Bundesrat). Aussenminister Ignazio Cassis hat dafür eine Expertengruppe eingesetzt. Philipp AerniExterner Link, Direktor des Zentrums für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit an der Universität Zürich ist Mitglied dieser Gruppe.
Aerni betont, dass eine nachhaltige Entwicklungshilfe einen Strukturwandel benötige: «Wir sollten die Leute, also die Ärmsten, als Kunden von unserer Entwicklungszusammenarbeit betrachten. Die Ärmsten sollten bestimmen können, was die dringenden Prioritäten sind, die in jeder Region angegangen werden müssten.» Und eine solche Priorität, so Aerni, könne der Aufbau von Kooperativen sein, also etwa Investitionen in Kühlketten und Logistik.
Die vom Bundesrat eingesetzte Expertengruppe wird dies nun prüfen und mit den Nachhaltigkeitszielen der UNO abstimmen. Im Frühjahr soll dann ein Weissbuch zum Thema vorliegen.
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