Die Einheitskrankenkasse im Zentrum
Die Schweizer Stimmbürger haben am Wochenende ein weiteres Mal über die Einführung einer Einheitskrankenkasse abgestimmt. Das Ziel der Volksinitiative, deren Prinzip bisher nie mehrheitsfähig war,ist es, die Explosion der Krankenkassenprämien einzudämmen. Die Stimmenden haben auch über eine Senkung der Mehrwertsteuer für Restaurants entscheiden.
Jedes Jahr im Herbst tritt der Schweizer Gesundheitsminister, ob er einer linken oder einer bürgerlichen Partei angehört, vor die Medien und kündet mit entschuldigender Miene auf den kommenden 1. Januar höhere Krankenkassenprämien an. Dieses Szenario wiederholt sich seit 20 Jahren.
Die Prämien für die obligatorische Krankenversicherung sind individuell und unabhängig vom Einkommen. Sie hängen von der Krankenversicherung, der Altersgruppe und dem Wohnort des Versicherten ab. Verbilligungen gibt es durch die Wahl eines höheren Selbstbehaltes oder einer Begrenzung der Arztwahl. Weniger Begüterte erhalten von den Kanton subventionierte Prämienverbilligungen.
Dennoch belasten die Prämien die Haushaltsbudgets alljährlich etwas stärker. Immer wieder werden Lösungen gesucht, um den Anstieg einzudämmen. Aus Sicht der Linken und des Konsumentenschutzes besteht ein Teil einer Lösung in der Schaffung einer Einheitskrankenkasse.
Wirkliche Konkurrenz?
Aktuell gibt es 67 Krankenkassen für die obligatorische Grundversicherung. Alle bieten die gleichen Leistungen – das ist eine gesetzliche Verpflichtung -, aber ihre Prämien können stark variieren. Um vom tiefsten Preis zu profitieren, können die Versicherungsnehmer die Kasse jedes Jahr innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist wechseln.
Mit der Einführung einer einzigen Krankenkasse könnten laut den Befürwortern der InitiativeExterner Link rund 10% der Kosten eingespart werden. Namentlich nennen sie die Ausgaben für die Werbung und Administration.
Für die GegnerExterner Link des Systemwechsels – die Regierung und die bürgerliche Mehrheit des Parlaments – ist das ein falscher Ansatz. Aus ihrer Sicht ist es gerade der Wettbewerb zwischen den Kassen, der den Prämienanstieg ein wenig begrenzt. Zudem würde eine Einheitskasse zum Ende der freien Arztwahl und zu einer zentralisierten und schwerfälligen Bürokratie führen, so ihr Argument.
Der Anhänger einer Einheitskasse bezeichnen das aktuelle System als ein nicht wirklich wettbewerbsorientiert, da jährlich lediglich zwischen 5 und 10% die Versicherung wechseln. Was die von den Gegnern ins Feld geführten Nachteile betrifft, verweisen sie auf die nationale Schweizerische Unfallversicherung, die zur Zufriedenheit aller funktioniert.
Dritter Versuch
Der Kanton Tessin stimmt über einen Kredit von 2.2 Millionen Franken für den Auftritt des Kantons an der Weltausstellung 2015 in Mailand ab.
Im Kanton Genf befinden die Stimmbürger über ein neues Projekt für die Seeüberquerung. Der geplante Strassentunnel, der in der Nähe des berühmten Springbrunnens den See unterqueren soll, würde laut den Initianten die Verkehrssituation entspannen. Die Idee einer Seeüberquerung beschäftig die Genfer Stimmbürger seit 1980. Bisher hat das Volk eine solche jedes Mal abgelehnt.
In der Region Basel stimmen die Stimmbürger über eine Fusion der beiden Kantone Basel-Stadt und Basel-Land ab.
Grundsätzlich geht es auch um die Frage der politischen Überzeugung, konkreter darum, ob der freie Wettbewerb die Kosten eindämmen kann oder ob das Geschäftsmodell vor allem das Ziel verfolgt, auf dem Rücken der Versicherten den Profit zu optimieren. Die Antwort auf diese Frage variiert je nach politischer Haltung.
Bisher schienen die Stimmbürger nicht besonders empfänglich zu sein für die sozialdemokratischen Ideen in diesem Bereich. Sie haben bereits zwei Volksinitiativen abgelehnt. Eine verlangte, dass im Bereich der Grundversicherung lediglich staatliche Versicherungen aktiv sein dürften und keine privaten, die andere wollte die Krankenkassenprämien abhängig vom Einkommen festlegen.
Beim dritten Versuch haben die Initianten auf die einkommensabhängigen Prämien verzichtet, aber auch das wird kaum ausreichen, die Mehrheit der Bürger zu überzeugen. Laut den letzten Umfragen wollen 54% der Stimmenden die Intitiative abgelehnen.
Vergebliche Mühe der Wirte
Die Gastro-Branche leidet. Zahlreiche Restaurants müssen wegen mangelnder Rentabilität geschlossen werden. Für diese Entwicklung machen die Wirte mehrere Faktoren verantwortlich: Das Rauchverbot und die tiefere Promillegrenze für das Autofahren. Das habe eine direkte Konsequenz auf die Rentabilität, denn die Marge bei Getränken ist höher als beim Essen.
Nicht zufrieden sind die Wirte aber auch mit dem Mehrwertsteuersatz. Restaurants zahlen 8% Mehrwertsteuer, währendem Lebensmittel im Einzelhandel oder bei Take-aways lediglich mit einem Satz von 2.5% besteuert werden. Mit seiner InitiativeExterner Link verlangt der Branchenverband GastroSuisse denselben tieferen Steuersatz für die Restaurants.
Die RegierungExterner Link macht geltend, dass ein solcher Schritt die Bundeskasse um jährliche Einnahmen von zwischen 700 und 750 Millionen Franken bringen würde. Auf der andern Seite sei eine Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes für die Take-aways und Lebensmittelgeschäfte nicht durchführbar, da diese auch Waren für den täglichen Bedarf verkauften.
Eine grosse Mehrheit des Parlaments teilt diese Auffassung. Nur die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) unterstützt die Initiative der Wirte. Doch die Chancen, dass diese Unterstützung für ein Ja reichen wird, sind gering. In der letzten Umfrage lehnten 46% die Initiative ab, 41 gaben an, Ja stimmen zu wollen und 13% waren unentschlossen.
(Übersetzung aus dem Französischen: Andreas Keiser)
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