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Die EU – zuoberst auf der Agenda

Wechsel im EDA: Von den Sozialdemokraten zum Freisinn, von Calmy-Rey zu Burkhalter. Keystone

Aussenpolitiker der grossen Parteien erwarten vom neuen Schweizer Aussenminister, dem freisinnigen Didier Burkhalter, dass er das angespannte Verhältnis mit der EU klärt. Die Bürgerlichen setzen dabei auf Standfestigkeit, die Linke auf “proaktives Handeln“.

“Wenn wir nicht proaktiv handeln, wird unser Verhandlungsspielraum viel kleiner sein“, sagt der sozialdemokratische Nationalrat Carlo Sommaruga gegenüber swissinfo.ch.

“Die EU wird sehr schnell kommen mit ihren Forderungen betreffend eines institutionellen Abkommens und eines Steuerabkommens. Persönlich glaube ich, dass wir früher oder später mit der EU ein globales institutionelles Abkommen abschliessen müssen“, so Sommaruga.

Seine bürgerlichen Kollegen in der aussenpolitischen Kommission teilen diese Ansicht nicht: “Wir dürfen nicht einfach in vorauseilendem Gehorsam die Vorgaben der EU umsetzen. Ich erwarte, dass Aussenminister Burkhalter diesem Druck stand hält“, sagt Ständerat Pirmin Bischof von der Christlich Demokratischen Volkspartei.

“Die grosse Frage ist, wie es weiter geht mit dem Zwang, der von Brüssel ausgeht, neue Gesetze automatisch zu übernehmen und gemeinsame Richter anzuerkennen, wobei es im Wesentlichen dann natürlich Brüsseler Richter sind“, sagt Christoph Mörgeli, Nationalrat der rechtskonservativen und Europa-kritischen Schweizerischen Volkspartei: – “Hier ist der neue Aussenminister gefordert.“

“Quadratur des Kreises“

Zur Erinnerung: Seit Jahren schwelt zwischen der EU und der Schweiz ein Streit, weil gewisse Schweizer Kantone ausländische Holdinggesellschaften steuerlich begünstigen. Die EU möchte zudem die bilateralen Abkommen mit der Schweiz dynamischer gestalten. Das heisst konkret, dass die Abkommen regelmässig an das sich weiter entwickelnde EU-Recht angepasst würden. Wenn es nach dem Willen der EU ginge, würden die Abkommen zudem einer Gerichtsbarkeit unterstellt.

Er gehe nicht davon aus, dass Burkhalter, gegen das Ansinnen der EU massiven Widerstand leisten werde, sagt Christoph Mörgeli: “Burkhalter war immer bekannt als Euro-Turbo.“

“Die institutionellen Probleme mit der EU lösen, das gleicht einer Quadratur des Kreises, da die Schweiz keine Automatismen und gleichzeitig am Binnenmarkt teilnehmen will“, sagt die freisinnige Nationalrätin Christa Markwalder.

Die Schweiz habe ein “riesiges Interesse am europäischen Binnenmarkt und muss sich den aktuellen Herausforderungen stellen“, sagt Markwalder: “Ein neuer Aussenminister kann auch gordische Knoten lösen, die wir in den vergangenen Jahren  mit der EU aufgebaut haben.“

Bürgerliche wollen Wirtschaft stärker gewichten

Seit dem 1. Januar 2012 ist das Aussendepartement zum ersten Mal seit 1961 wieder in freisinniger Hand. In den vergangenen neun Jahren war die Sozialdemokratin Micheline Calmy-Rey Aussenministerin.

Er erwarte in der Aussenpolitik “in dem Sinne eine Kurskorrektur, dass man durchaus auch zu eigenen Interessen stehen darf“, sagt Ständerat Bischof: “Es ist an sich richtig, dass die Schweiz die Pflege der Menschenrechte, die man weltweit propagiert und die humanitären Traditionen betont. Trotzdem ist Aussenpolitik primär auch Interessenpolitik. Ich erwarte vom Wechsel auch etwas mehr wirtschaftliches Selbstbewusstsein“.

Er hoffe, “dass Herr Burkhalter etwas mehr Systematik in die Aussenpolitik bringt“, sagt Nationalrat Mörgeli: “Die ist unter der letzten Aussenministerin leider verloren gegangen. Wir haben einen Übergang erlebt von einer Politik des Vorbildes zu einer Politik des Zeigefingers. Man hat begonnen rote und gelbe Karten zu verteilen und andere Länder ermahnt und getadelt. Das schafft uns keine Freunde, im Gegenteil, wir haben uns erstmals Feinde geschaffen auf dieser Welt.“

Auswirkungen des UNO-Beitritts

Im Stil wünsche er sich “unbedingt eine diskretere Aussenpolitik. Diese Politik des Blitzlicht-Gewitters ist uns nicht dienlich. Die Schweiz hat immer dann Erfolg gehabt, wenn sie den Lieferantenausgang gewählt hat bei andern Staaten“, so Mörgeli.

“Ich denke, dass der Stil-Wechsel in der Aussenpolitik auch damit zu tun hat, dass die Schweiz kurz vor Calmy-Reys Amtsantritt UNO-Mitglied geworden war“, sagt Sommaruga.

“Entsprechend war ihre Aussenpolitik charakterisiert durch die Verteidigung von Werten wie Demokratie, Menschenrechte und Kampf gegen die Armut. Die wirtschaftliche Interessenvertretung ist etwas weniger wichtig geworden.“

Allianzen schaffen

Die Sozialdemokratische Partei hoffe, “dass das auch mit einem bürgerlichen Aussenminister so bleibt. Wir werden diese Frage aufmerksam verfolgen, aber es kann auch eine Chance sein, nämlich dann, wenn es Burkhalter gelingt, das bürgerliche Lager noch stärker vom bisherigen Weg zu überzeugen“, sagt Sommaruga.

Die Entwicklungszusammenarbeit ist ein wichtiger Schwerpunkt der Schweiz mit ihrer humanitären Tradition“, sagt  Nationalrätin Markwalder. Ein Augenmerk würde ich auf die Diskussion bilaterale versus multilaterale Entwicklungshilfe legen.

Denn es sei “schön, wenn jeder sieht, dass eine Schule oder ein Spital  von der Schweiz gebaut worden ist“, aber genauso wichtig sei der multilaterale Weg, also beispielsweise die Beteiligung an der Weltbank. “In diesem Bereich hat die Schweiz auch die Möglichkeit zu zeigen, dass sie ein solidarischer Partner ist. So kann sie Allianzen schaffen, die anderweitig politisch helfen.“

Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) gestaltet und koordiniert im Auftrag des Bundesrats die schweizerische Aussenpolitik.

Die aussenpolitischen Ziele der Schweiz sind in der Bundesverfassung definiert:

Friedliches Zusammenleben der Völker.

 

Achtung der Menschenrechte und Förderung der Demokratie.

 

Wahrung der Interessen der schweizerischen Wirtschaft im Ausland.

 

Linderung von Not und Armut in der Welt.

 

Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen.

Das EDA besteht aus der Zentrale in Bern und über 300 Aussenvertretungen (Botschaften, Missionen, Konsulate, Verbindungs- und Koordinationsbüros).

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