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Die Fremdenlegion – einst Hort für arme Schweizer

Schweizer Fremdenlegionäre, die am Algerienkrieg teilgenommen hatten, wurden nach ihrer Rückkehr nie befragt. AFP

Tausende von Schweizern kämpften im Solde der französischen Fremdenlegion in den Kolonialkriegen in Indochina und Algerien. Im Dokumentarfilm "C'était la guerre" (Es war Krieg) des Filmers Daniel Künzi räumen die Protagonisten begangene Gewalttaten nur andeutungsweise ein.

Unter den Fremdenlegionären, die in «C’était la guerre» zu sehen sind, finden sich drei internationale Grössen: Laurel & Hardy und Fernandel. Man sieht sie auf der Leinwand in Sequenzen aus zwei bekannten Spielfilmen: Das amerikanische Komiker-Duo in einem Ausschnitt aus «In der Wüste» (Original: «Beau Hunks»), den Franzosen Fernandel in einem Ausschnitt aus «Un de La Légion».

Szenen mit drei Komikern, die dem Dokumentarfilm von Daniel Künzi einen leicht ironischen Hauch geben. «Ich habe mir jede Menge Filme über die Fremdenlegion angeschaut, und kein einziger davon hatte eine wirklich kritische Vision», erklärt Künzi. Bei allen habe die Institution eine Art Glorienschein.

Die 1831 geschaffene Fremdenlegion, die Speerspitze der regulären französischen Armee, hat in ihren Reihen zahlreiche ausländische Soldaten. Die meisten stammen aus schlechter gestellten Verhältnissen. Nicht zuletzt wegen solcher Umstände fanden sie im Schosse dieser Institution Zuflucht.

Daniel Künzi unterstreicht diese soziale Ausgangslage in seinem Dokumentarfilm, der sich auf junge Schweizer konzentriert, die von der Fremdenlegion während den französischen Kolonialkriegen in Indochina (1946-1954) und Algerien (1954-9162) angeheuert wurden.

Die Legion ist Teil des französischen Heers (Bodenstreitkräfte). Seit ihrer Gründung 1831 stand sie in vielen Konflikten im Einsatz, darunter in der jüngeren Vergangenheit in den Kriegen am Golf, in Afghanistan und Mali.

Wer bei der Fremdenlegion anheuern will, muss zwischen 17 und 40 Jahre alt sein. Die Fremdenlegionäre sind im Sinne des Völkerrechts reguläre Soldaten der französischen Armee.

Bei ihrer Gründung setzte sich die Legion vor allem aus ausländischen Korps der französischen Armee zusammen. Dazu gehörten Angehörige der ehemaligen Schweizer Regimenter (nicht zu verwechseln mit der Schweizer Garde des Papstes), die vertraglich im Dienste Frankreichs und anderer europäischer Herrscher gestanden waren.

Ihr erster Kommandant war ein Schweizer, der Thurgauer Christoph Anton Stoffel. Bis 1963 hatten in der Legion mehr als 600’000 Soldaten gedient, darunter eine Mehrheit Deutsche, dann Italiener, Belgier, aber auch Franzosen, Spanier und Schweizer.

Seit 1831 bis heute haben 30’000 bis 40’000 Schweizer in der Fremdenlegion gedient. Seit 1927 verbietet das Militärstrafrecht den Militärdienst für eine fremde Macht.

Auch viele andere Nationalitäten waren in der Legion zu finden, seit Anfang des 21. Jahrhunderts kommt die Mehrheit der Soldaten aus Osteuropa und dem Balkan.

Für gewisse bleibt die Fremdenlegion ein bevorzugter Weg zur Immigration und eine Möglichkeit, ein besseres Leben zu finden. Für andere wiederum war ein Engagement in der Fremdenlegion mit Prestige verbunden, vor allem im Rahmen der kolonialen Eroberungen und der beiden Weltkriege.

Immense Hexenkessel

Warum gerade diese Kriege? «Weil dies zwei riesige Hexenkessel waren, die Tausende von Männern brauchten», erklärt Daniel Künzi. «Es gab natürlich auch andere militärische Interventionen der Fremdenlegion in der Welt, bei denen Schweizer mit dabei waren, zum Beispiel während der Suez-Krise 1956. Doch in Indochina und Algerien war die Zahl der Schweizer in den Reihen der Legion am höchsten, zwischen 7000 und 8000 Soldaten.»

Der Filmemacher hat sechs von ihnen aufgestöbert. Und sie treten in seinem Film als Zeitzeugen auf, oft voller Emotionen. Viele verweisen auf eine schwierige Kindheit. Mangel an Zuneigung oder Geld habe sie in die Arme der Fremdenlegion getrieben, sagen sie.

«In den Kantonen, die an Frankreich grenzen, gab es immer wieder streunende Jungen, welche die Grenze überschritten. Wurden sie von der französischen Polizei festgenommen, stellte man sie vor die Wahl, repatriiert zu werden oder sich der Fremdenlegion anzuschliessen», erzählt Künzi, der nicht mit Kritik an den damaligen Behörden in der Schweiz spart. «Lady Helvetia spuckte die Kinder der armen Familien, denen sie keine Zukunft bot, einfach aus», sagt er.

Die meisten dieser von der Polizei erwischten mittellosen Jugendlichen entschieden sich für den Dienst bei der französischen Armee, die sich übrigens oft an die Erziehungsanstalt Tessenberg im Kanton Bern wandte, um Soldaten für die Legion zu rekrutieren. «Im Tessenberg wurden Jugendliche eingesperrt, die 2, 3 Hühner gestohlen hatten, um an etwas Essen heranzukommen», so Künzi.

In dieser Institution hat der Filmemacher auch gedreht; kein einfaches Unterfangen. «Ich hatte grosse Mühe, die Drehbewilligungen für eine Reportage zu erhalten, die ich für meinen Film brauchte», erklärt er. Kaum einfacher, als Zugang zu den Archiven der Legion in Aubagne im Süden Frankreichs zu erhalten. «Ich habe es versucht, aber vergeblich. Und die Archive des Bundes über Fremdenlegionäre sind unvollständig.»

Zwei Lager, zwei Gewichte

Es ist also schwierig, die genaue Zahl der Schweizer zu eruieren, die seit der Gründung der Fremdenlegion im 19. Jahrhundert dort angeheuert hatten. Die Zahl von 7000 bis 8000 Soldaten, die bei den Kriegen in Indochina und in Algerien im Einsatz gestanden haben sollen, ist eine ungefähre Schätzung des Deutschschweizer Historikers Peter Huber, der auch im Film über die Legion spricht.

Was man weiss, ist, dass viele dieser Soldaten bei ihren Einsätzen auch gefoltert oder getötet haben. Sie räumen es in dem Film ein, wenn auch nur andeutungsweise. «Versuchen Sie, einen Legionär dazu zu bringen, seine Übergriffe zu gestehen!», seufzt der Regisseur, der darüber staunt, dass diese Soldaten nach ihrer Rückkehr aus Indochina oder Algerien nicht von der Schweizer Militärpolizei befragt worden seien.

«Wieso nicht?», wird er gefragt. «Weil sie in den Augen der Schweizer Behörden im richtigen Lager standen. Im Lager der atlantischen Allianz, die Frankreich bei dessen Kampf gegen den Kommunismus in Indochina und Algerien unterstützte», antwortet der Filmemacher.

«Das ist empörend, vor allem wenn man an jene Schweizer Soldaten denkt, die sich einige Jahre zuvor den Freien Französischen Streitkräften angeschlossen hatten [1940 von General Charles de Gaulle im Kampf gegen Nazi-Deutschland gegründet]. Diese Schweizer waren bei ihrer Rückkehr von den Behörden in der Schweiz sehr viel harscher angefasst worden.»

Poet und Legionär

Seither hat sich Situation jedoch verändert. «Heute stehen vor allem Ukrainer, Serben und Kroaten, die über militärische Erfahrung verfügen, im Solde der Fremdenlegion», erklärt Daniel Künzi.

«Soviel ich weiss, gehört heute nur ein Schweizer, genauer ein Waadtländer, zur Legion. Abgesehen davon, ist es keine Schande, Fremdenlegionär zu sein. Auch berühmte Schweizer waren in der Legion, darunter Albert de Tscharner, sowie drei unserer grossen Schriftsteller, Michel Viala, Blaise Cendrars und Friedrich Glauser.»

Der erst jüngst verstorbene Viala, ein grosser Dramatiker, ist in dem Film auch selber zu hören. Was die beiden anderen Autoren angeht, die schon lange gestorben sind, so spricht deren Werk für sie. Cendrars schreibt in seinem Roman «Die rote Lilie» (Originaltitel: «La main coupée») über die Fremdenlegion, Glauser in «Gourrama». Etwas ernsthafter doch als Laurel & Hardy und Fernandel!

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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