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Die Schweiz ist für die USA eine «wertvolle Partnerin»

Urs Ziswiler war während vier Jahren die Stimme der Schweiz in den USA. Keystone

Urs Ziswiler, Schweizer Botschafter in den USA, verlässt seinen Posten. Während den vier Jahren seiner Amtszeit erlebte er das Ende der Präsidentschaft von George Bush, die Wahl von Barack Obama und den UBS-Skandal. Nun zieht er Bilanz.

Das Mandat von Urs Ziswiler in den USA ist am 15. Oktober ausgelaufen. Sein Nachfolger, Botschafter Manuel Sager, tritt am 25. Oktober sein Amt in den USA an. Als Botschafter in Washington verkörperte Urs Ziswiler die Schweizer Stimme in den verschiedensten Situationen.

swissinfo.ch: Sie hatten es mit zwei amerikanischen Präsidenten zu tun, George Bush und Barack Obama. Welche Unterschiede zwischen den beiden konnten sie feststellen?

Urs Ziswiler: Zuallererst möchte ich sagen, dass wir zu beiden Administrationen beste Beziehungen hatten. In gewissen Bereichen mussten die Schweiz und die USA jedoch akzeptieren, dass sie nicht einig waren, so zum Beispiel während der Bush-Administration. Die Schweiz war gegen den Irakkrieg und nicht einverstanden mit dem Gefangenenlager Guantanamo.

Diese zwei Dossiers werden nun unter Präsident Obama angegangen. Seine Administration ist im Gegensatz zur Bush-Administration eher bereit, Partnerschaften einzugehen und für globale Probleme multilaterale Lösungen zu finden. Diese Bewegung unter Obama – weg von unilateralen Entscheidungen – ist eine der entscheidendsten Veränderungen im Vergleich zur Bush-Administration.

swissinfo.ch: Seit der Affäre um nachrichtenlose Gelder jüdischer Opfer auf Schweizer Konten ist der Skandal um die Steueraffäre der UBS das grösste Problem zwischen den USA und der Schweiz. Hier in den USA brauchte es viel Zeit, um das Problem der Guthaben der Holocaust-Opfer aus den Köpfen zu vertreiben. Wird die Aufarbeitung des UBS-Skandals auch solange dauern?

U.Z.: Das Abkommen, das diese Kontroverse regelt, wurde im August 2009 unterzeichnet und ist heute umgesetzt. Ich habe deshalb die Hoffnung, dass sich die Situation beruhigt. Übrigens hat die Steueraffäre der UBS in der Schweiz mehr Staub aufgewirbelt als in den USA. Die wichtigsten Fernsehketten haben hier nicht darüber berichtet. Bloss das Wall Street Journal und die New York Times haben das Thema aufgegriffen, vereinzelt auch die Washington Post.

swissinfo.ch: Die Obama-Administration hat die Initiative gegen den Bau von Minaretten kritisiert. Zu Recht?

U.Z.: Die Mehrheit der Schweiz hat dem Verbot zum Bau von Minaretten zugestimmt. Das ist eine Tatsache. Die schweizerische Regierung, die Mehrheit des Parlamentes und die Mehrheit der Schweizer Medien waren gegen dieses Verbot. In einer direkten Demokratie wie der unseren, die nach dem Mehrheitsprinzip funktioniert, müssen solche Entscheide jedoch akzeptiert werden.

Nach der Abstimmung über den Bau von Minaretten habe ich mit dem Imam der grössten Moschee in New York, Mohamed Shamsi Ali, gesprochen. Natürlich war er über diesen Entscheid nicht erfreut, doch er anerkennt, dass die Angst vor dem Islam, insbesondere vor den radikalen fundamentalistischen Islamisten, nicht nur ein Problem der Schweiz, sondern ein weltweites Problem ist. Er schätzt, dass ein solche Volksabstimmung wahrscheinlich in den meisten europäischen Ländern und vielleicht auch in den Vereinigten Staaten zum gleichen Resultat geführt hätte.

Es ist tatsächlich so, dass die Mehrzahl der Reaktionen von Amerikanern, die wir hier in der Botschaft erhalten haben, den Schweizer Volksentscheid unterstützen. Das bedeutet, dass wir die antiislamischen Ressentiments, wo immer sie auch existieren, an der Wurzel bekämpfen müssen.

swissinfo.ch: Die Schweiz vertritt die amerikanischen Interessen im Iran und in Kuba. Hat Sie das Mandat Iran stark beschäftigt, wie vor allem die Befreiung der Amerikanerin Sarah Shourd?

U.Z.: Das hat einen grossen Teil unserer Zeit beansprucht. Wir arbeiteten nicht nur für den Fall von Sarah Shourd und ihrer zwei Kollegen, die im Iran im Gefängnis waren, wir trugen auch zur Befreiung anderer im Iran inhaftierter Personen bei, namentlich der amerikanischen Journalistin Roxana Saberi in 2009.

swissinfo.ch: Ist die Schweizer Regierung auch auf anderen als nur auf Botschafterebene in die Beziehungen zwischen Washington und Havanna involviert?

U.Z.: Das Mandat für Kuba ist ganz anders. Die amerikanische Vertretung in Havanna steht unter Schweizer Flagge und arbeitet mit amerikanischem Personal, während die kubanische Vertretung hier in Washington kubanisches Personal beschäftigt. Folglich werden die meisten Dossiers direkt von den zwei Regierungen bearbeitet und eine Schweizer Intervention erübrigt sich. Das Mandat im Iran ist von viel grösserer Tragweite als jenes von Kuba.

swissinfo.ch: Dies Mandate benötigen beträchtliche diplomatische Ressourcen. Warum ist es für die Schweiz wichtig, sie weiterzuführen?

U.Z.: Wir sind überzeugt, dass alle davon profitieren. Die Vereinigen Staaten profitieren, weil wir ihnen helfen, gewisse Problem zu lösen, was besonders im Fall von Iran sehr geschätzt wird. Auch die Schweiz profitiert, weil durch diese Mandate die bilateralen Kontakte auf allen Ebenen vertieft werden können.

Erst kürzlich, anlässlich eines Empfangs im Weissen Haus, dankte mir Präsident Obama persönlich für unseren Einsatz im Iran, insbesondere für jenen bei der Rückführung von Sarah in die USA. Übrigens besuchte Sarah unsere Botschaft Anfang des Monats und bedankte sich bei der Schweiz für die Mithilfe bei der Befreiung. Dies war eine gute Gelegenheit, dem Schweizer Publikum die Wichtigkeit dieses Mandats zu zeigen.

swissinfo.ch: Welches ist die oberste Priorität für die Schweiz in ihrer Beziehung mit den Vereinigten Staaten?

U.Z.: Unsere wirtschaftlichen Beziehungen sind sicher eine Priorität. Sie sind solide und vielfältig. Im politischen Bereich ist die Schweiz eine wertvolle Partnerin der Vereinigten Staaten. Unsere Neutralität verschafft uns oft eine besondere Position, die die USA zu schätzen wissen.

Zudem pflegen wir zahlreiche Kontakte mit der amerikanischen Regierung, die dem Erfahrungsaustausch in fachspezifischen Bereichen dienen, wie zum Beispiel der Gesundheitspolitik, der Steuerstabilität oder der umweltschonenden Technologien. Mit unseren amerikanischen Partnern entwickeln wir weiterhin eine multilaterale Politik und suchen ösungen für globale Herausforderungen.

Schweizer Botschafter in Washington vom Mai 2006 bis zum 15. Oktober 2010.

Geboren 1949 in Muri im Kanton Aargau.

Studienabschlüsse der Universitäten Genf und Zürich.

Beginn seiner Karriere als Experte für die Weltbank in Madagaskar.

IKRK-Delegierter in Beirut, Gaza, Tel Aviv und Kampala.

1979 Eintritt in den diplomatischen Dienst .

Als Diplomat war er in acht ausländischen Hauptstädten postiert.

Verheiratet, zwei Kinder.

Die Schweiz ist der fünftgrösste Investor in den Vereinigten Staaten. 500 Schweizer Unternehmen sind in den USA niedergelassen und generieren rund eine halbe Million Arbeitsplätze.

In der Schweiz haben sich rund 650 amerikanische Unternehmen niedergelassen, mehr als 300 haben ihren Hauptsitz für Europa, den Nahen Osten und Afrika in der Schweiz.

(Übertragung aus dem Französischen: Christine Fuhrer)

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