Die Schweiz soll sich an globalen Lösungen beteiligen
Bundesrat Didier Burkhalter weilte zusammen mit einer hochrangigen Wissenschafter-Delegation in Brasilien. Für den Erziehungs- Forschungs- und Gesundheitsminister ist das südamerikanische Land ein unverzichtbarer internationaler Player.
Zum Abschluss ihres sechstägigen Besuchs verbrachten Didier Burkhalter und seine hochrangige Delegation das Wochenende an verschiedenen Forschungsinstituten in Brasilien. Dabei wurde der Wille bekräftigt, das Engagement für die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und dem südamerikanischen Riesen zu stärken.
swissinfo.ch hat den Minister bei der Stiftung Oswaldo Cruz in Rio de Janeiro getroffen.
swissinfo.ch: Was für Eindrücke bringen Sie aus Brasilien mit?
Didier Burkhalter: In den letzten zwei Tagen hatte ich das Gefühl, ein Jahr hier verbracht zu haben. Es war wirklich sehr intensiv.
Der Eindruck, den wir von einem der Giganten dieser Welt erhielten, dessen riesiges Potential aus den Schwellenländern herausragt und der in den kommenden Jahren wahrscheinlich eine wichtige Rolle spielen wird, war sehr nachhaltig.
Sie haben vorgeschlagen, ein «wissenschaftliches Konsulat» einzurichten, das ins swissnex-Netzwerk eingebettet wäre. Was verbirgt sich dahinter?
D. B.: Da versteckt sich nichts, das muss ich klar sagen. Die Schweiz ist der Ansicht, sie sollte präsent sein in den Diskussionen der Länder, welche die Welt gestalten. Die Schweiz ist abhängig von der Entwicklung der Welt und sollte sich daher dieser Diskussion stellen.
Der Bereich Wissenschaft und Technik ist ein wichtiger Schlüssel für die Schweiz. Unser kleines Land ist im Bereich der Wissenschaft, Technik, Grundlagenforschung und Innovation unter den weltweit besten. Deshalb können wir mit allen reden und stossen sofort auf grosses Interesse.
Was swissnex anbetrifft, betreiben wir bereits fünf Häuser: zwei in den Vereinigten Staaten und je eines in Singapur, China und Indien. Ob wir eines in Brasilien eröffnen, werden die nächsten Jahre zeigen.
Aber wenn Forschungsinstitute und Universitäten beginnen, Kontakte zu etablieren und zu pflegen und direkte Projekte vereinbaren, und wenn ich auf die letzten zwei Tage zurückblicke, denke ich, dass es nicht sehr lange dauern wird.
Sie haben in Ihrer Delegation praktisch alle wichtigen Vertreter der Wissenschaft und Forschung dabei. Ist das ein Signal?
D. B.: Die Wissenschafts-Delegation ist tatsächlich recht gross. Denn ich bin der Ansicht, dass die Schweiz in ihren Beziehungen zum Rest der Welt besser punkten kann, wenn sie jene Bereiche hervorhebt, in denen sie am stärksten ist.
Dazu kommt, dass die Welt – nicht nur die Schweiz – von grossen Problemen betroffen ist, welche die Umwelt, Energie und Gesundheit betreffen. Und hier sollten wir nicht nur, hier müssen wir uns an den globalen Lösungen beteiligen.
swissinfo.ch: Die Schweiz möchte gerne ins Exekutivkomitee der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Die Entscheidung fällt nächsten Monat. Braucht sie dafür die Unterstützung Brasiliens?
D. B.: Wir möchten uns für eine WHO mit einer klareren Regierungsführung einsetzen, die ihre Aktivitäten priorisiert, die ihre Beziehungen zu ihren unterschiedlichen Partnern klärt, einschliesslich den privaten. Die WHO soll grundsätzlich effizienter werden. Und in dieser Beziehung, glauben wir, hegt die Schweiz denselben Wunsch wie Brasilien.
swissinfo.ch: Und die Idee ist, eine globale Gesundheitsinitiative zu schaffen?
D.B.: Ja, für die Schweiz war es immer sehr wichtig, Gesundheit nicht nur als rein nationale Angelegenheit anzusehen. Sie ist ein globales Problem, das die Landesgrenzen sehr schnell passieren kann. Was punkto Gesundheit auf der Welt geschieht, betrifft auch die einzelnen Länder.
swissinfo.ch: Die Gesundheitskosten in der Schweiz steigen rapid. Können wir in diesem Bereich etwas von einem Land wie Brasilien lernen?
D. B.: Man muss den Tatsachen ins Gesicht sehen: Wir leben in einem Land, das ein teures, aber ausgezeichnetes Gesundheitssystem hat. Um hierher, in dieses Institut zu gelangen, mussten wir Favelas durchqueren. Man muss in Brasilien nicht weit reisen, um zu sehen, wie gross die Ungleichheiten in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Ausbildung sind.
Es ist ein Land, das sich sehr stark entwickelt, das aber auch enorme Probleme hat. Deshalb ist, was die Gesundheit anbetrifft, die Situation in der Schweiz und in Brasilien nicht miteinander vergleichbar.
In Brasilien gibt es Krankheiten, von denen man wenig spricht. Aber es handelt sich um sehr schwere Krankheiten, welche vor allem die armen Bevölkerungsgruppen betreffen. Da wartet noch ein hartes Stück Arbeit.
Die Kosten in der Schweiz werden sich weiter erhöhen. Solange wir praktisch das beste Gesundheitssystem der Welt haben, wird es einen leichten Druck nach oben geben. Man muss einfach dafür sorgen, dass der Anstieg kontrollierbar bleibt.
Nicht akzeptabel ist, dass die steigenden Kosten nicht zu einer wirklich besseren Qualität führen. Und daran arbeiten wir. Höhere Effizienz, bessere Versorgung, ohne mehr Volumen zu produzieren, nicht einfach Medikamente verschreiben, wenn dies nicht notwendig ist. Wir wollen einfach die besten Lösungen finden.
Dies erfordert integrierte Versorgungsnetze (Managed Care). Wir versuchen mit Kraft und Leidenschaft das Parlament davon zu überzeugen,… das dafür sicher ein wenig Verständnis aufbringt.
Alexander Thoele, Rio de Janeiro, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Etienne Strebel)
Burkhalter wurde am 17.April 1960 im Kanton Neuenburg geboren.
An der Universität von Neuenburg studierte er Nationalökonomie.
Der freisinnige Politiker war bis zu seiner Wahl zum Bundesrat am 16. September 2009 Mitglied des Ständerats
urkhalter interessiert sich für Kultur, Wissenschaft und das Gesundheitswesen und pflegt als Freizeitbeschäftigungen Fussball, Skifahren und Wandern.
In der Armee ist er Reserve-Offizier für Presse und Radio.
Didier Burkhalter besuchte vergangenen Sonntag auch die Auslandschweizerschule in Sao Paulo. Er sagte, die Landesregierung unterstütze diese Institutionen, die «ein wichtiges Bindeglied zwischen der Schweiz und dem Ausland» seien und eine gute Möglichkeit, die Interessen der Schweiz zu verteidigen.
In Brasilien gibt es Schweizer Schulen in Sao Paulo und Curitiba (Süden). Eine weitere in Rio de Janeiro wird von Bern offiziell nicht anerkannt.
Insgesamt 17 Schweizer Schulen sind über die ganze Welt verbreitet.
Unterrichtet werden rund 6’700 Kinder vom Kindergarten- bis zum Erwachsenenalter.
Die Landesregierung stellt jährlich 18 Mio. Franken für die Schweizer Schulen zur Verfügung.
Die Schweizer Kinder, die diese Schulen besuchen, können einerseits eine Verbindung zur Schweiz behalten und andererseits eine multikulturelle Schule besuchen, die vom Kindergarten an zweisprachig unterrichtet.
An allen Schulen kommt noch die englische Sprache dazu.
Die Kinder können jederzeit ohne Probleme ins schweizerische Schulsystem wechseln und in der Schweiz studieren, falls sie mit der Matur abschliessen oder mit dem International Baccalaureate (IB).
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch