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Wahlen in den Medien: Ein stotternder Wahlkampf und ein «historisches» Ergebnis

Celine Amaudruz umringt von Journalist:innen
Die bisherige SVP-Nationalrätin Celine Amaudruz, die auch für den Ständerat kandidiert, steht den Medien Rede und Antwort. Salvatore Di Nolfi/Keystone

Die Schweizer Wahlen 2023 im Spiegel der nationalen und internationalen Medien. Eine Analyse mit Erkenntnissen von Politologe Marc Bühlmann.

Lange bevor das Ergebnis feststeht, nennen die Onlineportale der Tamedia-Zeitungen das Wahlresultat schon «historisch».

Gemäss den Hochrechnungen gewinnt die rechtskonservative SVP deutlich, während die Grüne Partei ähnlich deutlich verliert. Die Schweizer Medien schauen nun in erster Linie auf das schlechte Ergebnis der Grünen.

Bei den internationalen Medien liegt das Interesse beim Wahlsieg der SVP: Über den Sieg der SVP, die erneut stärkste Partei wird, schreibt die konservative französische Zeitung Le FigaroExterner Link die «populistische Rechte» gewinne mit Themen wie dem «Kampf gegen die «Masseneinwanderung»». Die Deutsche WelleExterner Link titelt, dass in der Schweiz «die populistische Rechte wachse». Beim Portal BloombergExterner Link heisst es die «anti-immigrantische SVP» festige ihre Position als stärkste Partei.

Doch so historisch der Wahltag nun dargestellt wird, so still verlief der Schluss des Wahlkampfs: Im Schlussspurt waren die Schweizer Wahlen medial dieses Jahr kaum mehr spürbar.

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Die Schweizer Wahlen sind nicht bekannt für grosse Verschiebungen – die Dramatik muss man zuweilen mit der Lupe suchen. Seit Beginn des israelisch-palästinensischen Krieges hat sich das öffentliche Interesse definitiv hin zur Weltlage verschoben. Die Berichterstattung über die Schweizer Wahlen kam vielleicht aber auch ins Stottern, weil sich in den Wahlen 2023 anders als vor vier Jahren kein überragendes Wahlkampfthema zeigte.

Weder Migration noch Klima: Kein dominantes Thema

Die Plattform Année Politique Suisse wertet in Wahl- und Abstimmungskämpfen auch die Zeitungsberichterstattung nach wissenschaftlichen Kriterien aus. Wie oft ist welche Partei erschienen? Welches Thema hat den Wahlkampf dominiert? In 4106 untersuchten Zeitungsartikeln während acht Wochen ergab sich ein breites Feld von Themen: «Krankenkasse, Gesundheit» kam zwar am häufigsten vor, aber auch Banken, Verkehr, Energie, Migration und Klima seien als Themen präsent gewesen, schreiben die Autor:innen Anja Heidelberger und Marc Bühlmann in der Analyse der Berichterstattung.

Anders also als bei den Wahlen 2019, die als «Klimawahl» und «Frauenwahl» in Erinnerung bleiben und bei den Wahlen 2015, wo angesichts hoher Asylzahlen die Berichterstattung über Migration alles dominierte, könne man 2023 «eher nicht von einer vorwiegend monothematischen medialen Wahlkampfberichterstattung» sprechen.

Marc Bühlmann blickt in die Kamera
Marc Bühlmann ist Co-Autor der Medienanalyse, Direktor der Plattform Année Politique Suisse und Professor an der Universität Bern. SRF

Mobilisierung bei Schweizer Wahlen entscheidend

Die Schweizer Wahlen sind Mobilisierungswahlen. Die im internationalen Vergleich tiefe Wahlbeteiligung sorgt dafür, dass sich die Wahlen vor allem darüber entscheiden, welcher Partei es gelingt, ihre vorhandene Klientel zu mobilisieren. Marc Bühlmann, Co-Autor der Studie und Direktor von Année Politique Suisse erklärt das Zusammenspiel von Medien und Wahlkampf im Gespräch mit SWI swissinfo.ch: «In der Schweiz mit ihrer tiefen Wahlbeteiligung ist in jedem Wahlkampf die Frage zentral, wer es schafft, seine Klientel zu mobilisieren. Als die Grünen vor vier Jahren von der Klimabewegung als Problemlöserin gesehen worden sind, hat das ihre Wähler:innen stärker mobilisiert.»

Nun sei es der Partei weniger gut gelungen, das weiterhin präsente Klimathema für sich zu nutzen. Denn wenn über Klimapolitik berichtet wird, etwa im Zusammenhang mit Aktivist:innen, die sich auf eine Strasse kleben und so den Verkehr blockieren, helfe das der Grünen Partei nicht.

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Die Politolog:innen von Année Politique Suisse werten auch aus, wie oft die Parteien vorkommen. Die rechtskonservative SVP als stärkste Partei wird am häufigsten erwähnt. Es folgen die sozialdemokratische SP, die liberale FDP und die gemässigte Mitte-Partei.

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Auffallend genau entspricht die Häufigkeit der Berichterstattung den Wählendenanteilen von 2019. Aber die vier Regierungsparteien sind im Verhältnis zu kleineren Parteien übervertreten – am meisten untervertreten sind die kleinen Oppositionsparteien EVP, EDU, MCG, Lega: «Ihr Wählendenanteil von 10,1 Prozent steht einem Medienartikelanteil von 3,4 Prozent gegenüber», heisst es in der Analyse.

Dass die Berichterstattung so gut zum Wählendenanteil 2019 passt, ist für Bühlmann bemerkenswert: «Es bleibt erstaunlich, wie gut es die Printmedien insgesamt schaffen, die herrschenden Verhältnisse hinsichtlich Wählendenstärken abzubilden.»

Die Parteien sind zwar auch auf den Sozialen Medien präsent, doch diese hält der Année Politique-Direktor tendenziell für vernachlässigbar. «Ein Grossteil der Wählerinnen und Wähler sind Menschen mittleren Alters. Diese nutzen die Sozialen Medien nicht, um Informationen zu erlangen», so Bühlmann. Zwar anerkannt er, dass die Parteien die Sozialen Medien als Kanäle zur Mobilisierung nutzen. Aber: «Es dürfte im Moment eher schwierig sein, via diesen Kanal neue Wählerinnen und Wähler zu gewinnen oder von sich zu überzeugen.»

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Die Plattform «Politransparency» zeigt auf, dass die SP mit 429’100 Franken am meisten für Werbung auf Facebook und Instagram ausgegeben hat. Dahinter folgen die FDP, die Mitte-Partei, die Grünliberalen und die Grünen. Die SVP hat in diesem Feld nur 112’000 Franken investiert.

Gleichwohl hat ein virales SVP-Video auf Instagram deutlich über 300’000 Menschen erreicht – mehr als jedes andere von einem Partei-Account auf Instagram veröffentlichte Video.

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Laut Bühlmann bleiben aber die Zeitungen und traditionellen Medien entscheidend. «In den Medien vorzukommen hilft, es ist mobilisierend», sagt Bühlmann. Aber: «Der Schluss wäre zu einfach, dass eine Partei gewinnt, weil viel berichtet wird.» Dass über einen berichtet werde, sei aber wichtig – das ist für Bühlmann klar feststellbar. Ob diese Berichterstattung positiv oder negativ ausfalle, sei wohl kaum entscheidend.

Das zeige die Verantwortung der Journalist:innen auf, über was sie berichten sollen und worüber nicht.

Editiert von Mark Livingston.

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