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Die Sicherheit bleibt das grosse Problem

Die elektronische Stimmabgabe ist derzeit lediglich für 10% der Schweizer Wählerschaft möglich. Keystone

Den elektronischen Stimmabgabe-Systemen in der Schweiz mangelt es laut einer Studie an Transparenz. Zudem seien sie auf Virenangriffe anfällig. Die Behörden suchen nach Lösungen. Die totale Sicherheit bei Abstimmungen sei aber generell nicht möglich.

Mit den bisher verwendeten Systemen bei E-Voting-Versuchen könnte die Wählerschaft nicht verifizieren, ob ihre Stimme erfasst und korrekt ausgezählt worden sei, erklärt Eric Dubuis, Informatikprofessor an der Berner Fachhochschule Technik und Informatik (BFH).

«Wählerinnen und Wähler müssen den Verwaltungen und den Behörden volles Vertrauen schenken», sagt er gegenüber swissinfo.ch.

Zweite Generation

Dubuis hat im Auftrag der Bundeskanzlei eine Studie über nachprüfbare elektronische Wahlsysteme mitverfasst. Das heisst Systeme, die es der Wählerschaft ermöglichen, den ganzen Weg ihrer Stimmabgabe zu verfolgen und so zu kontrollieren, ob es dabei keine Manipulationen gegeben hat und die Stimmen korrekt ausgezählt wurden.

Die Forscher der BFH haben ein Projekt für ein System entworfen, das jedem ermöglichen soll, die Exaktheit des Prozesses von A bis Z nachzuprüfen, ohne dabei das Wahlgeheimnis zu gefährden.

Dank einer autonomen, speziellen «Wahlmaschine» mit integrierter Mikro-Kamera und Stimmausweis in Form eines Mikrochips soll das von den Forschern entwickelte System auch gegenüber Virenangriffen resistent sein. Aktuelle Ursache dieser Gefahr ist der Umstand, dass die für das E-Voting verwendeten Computer sich ausserhalb des Kontrollbereichs der Behörden befinden, die mit der Abstimmung beauftragt sind. Und nicht alle E-Voting-Nutzer haben die technischen Kenntnisse, um Virenangriffe auf ihrem Computer zu erkennen, die das Wahlgeheimnis verletzen und die Stimmabgabe verändern oder sogar annullieren können.

Für die Experten der BFH wäre es «höchst wünschenswert», zu E-Voting-Systemen der zweiten Generation – wie jene von ihnen entwickelten – überzugehen. Die Notwendigkeit eines Wechsels wird übrigens auch von Zürich unterstrichen, einem Pilotkanton in Sachen E-Voting-Tests. Im vergangenen Jahr hatte der Kanton Zürich beschlossen, eine Denkpause zur Überprüfung seines E-Voting-Systems einzuschalten.

Technologie aktualisieren

«Die elektronische Stimmabgabe funktioniert, die Versuche haben es bewiesen», sagt Christian Zünd, Generalsekretär der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons Zürich, gegenüber swissinfo.ch. «Mit der Zeit muss man aber diese Technologie aktualisieren und perfektionieren.»

In einer schriftlichen Antwort auf Fragen von swissinfo.ch weist die Bundeskanzlei darauf hin, dass die in der Schweiz verwendeten Systeme schrittweise aufdatiert worden seien. Die Bundeskanzlei sei übrigens bereits daran, mit den Kantonen an Systemen der zweiten Generation zu arbeiten. Die Einführung der Überprüfungskomponente in den aktuellen Systemen werde ebenfalls erforscht, schreibt die Bundeskanzlei.

Diese Lösung könnte schneller erfolgen als jene der BFH-Forscher, auch wenn Eric Dubuis einige Bedenken hat: «Wenn man einen Milchtransportlastwagen zu bauen beginnt und nachher beschliesst, einen Autobus daraus zu machen, wird es nicht einfach sein, den Lastwagen umzubauen», sagt der Informatikprofessor. Er räumt jedoch ein, dass man an den aktuellen E-Voting-Systemen tatsächlich Verbesserungen anbringen könne.

Hohe Kosten

Die Experten in der Bundeskanzlei sind der Ansicht, dass das System der BFH-Forscher als Referenz nützlich ist, jedoch nur langfristig angewendet werden kann, dies vor allem auch wegen der hohen Kosten.

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Dieser finanzielle Aspekt bremst nicht nur das BFH-Projekt. Ein neues System erfordert grosse Investitionen, die der Kanton Zürich zum Beispiel nicht an die Hand nehmen will, bevor er den für Sommer 2013 angekündigten neuen Bericht der Landesregierung über das E-Voting zur Kenntnis genommen hat.

«Bevor wir in unser System investieren, wollen wir genau wissen, welche Strategie der Bund verfolgt. Wir wollen eine Garantie haben, dass die Landesregierung wirklich überall das E-Voting einführen will», betont Christian Zünd.

Der Regierungsbericht werde «eine Vision für die Zukunft des Projektes und die Bedingungen für eine Erweiterung» präsentieren, schreibt die Bundeskanzlei. Und weiter: «Ziel ist, dass eine grosse Mehrheit der Auslandschweizer bei den nächsten eidgenössischen Wahlen 2015 via Internet stimmen kann.»

Kein Zwang

Der Föderalismus in der Schweiz kompliziert allerdings die Sache. Der Bund kann die elektronische Stimmabgabe koordinieren und überwachen, aber nicht für obligatorisch erklären. «Die Kantone entscheiden, ob und wann sie das E-Voting einführen wollen», schreibt die Bundeskanzlei.

In einer zur Zeit hängigen Motion im Nationalrat, der grossen Parlamentskammer, fordert die sozialdemokratische Abgeordnete Hildegard Fässler zusammen mit 41 Mitunterzeichnern, dass das E-Voting den Kantonen aufgezwungen werden soll. Ziel: Die elektronische Stimmabgabe soll für alle Auslandschweizer bis zu den eidgenössischen Wahlen 2015 und für alle Stimmberechtigten bis zu jenen 2019 möglich sein.

Die Landesregierung lehnt diese Forderung mit der Argumentation ab, ein Zwang laufe der aktuellen Partnerschaft zuwider, die sich bewährt habe. Der Bundesrat ist überzeugt, «dass eine überstürzte Einführung des E-Voting gegen den Willen eines oder mehrerer Kantone mehr Schlechtes als Gutes bewirken würde».

Die absolute Sicherheit gibt es nicht

Der Nationalrat wird darüber entscheiden, ob er die Motion Fässler gutheissen oder verwerfen will. Sicher wird es unter den Abgeordneten nicht an kritischen Stimmen fehlen, welche die Sicherheit der elektronischen Stimmabgabe bezweifeln und entsprechende Interpellationen deponiert haben.

«Es ist von grösster Wichtigkeit, ein Maximum an Sicherheit zu verschaffen», sagt Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO). «Aber man kann kein Nullrisiko verlangen, das gibt es nicht, weder beim E-Voting noch bei der brieflichen Stimmabgabe oder an der Urne selbst.»

Es gebe sogar beim Stimmen an der Urne manchmal Probleme oder Irrtümer», betont Christian Zünd. Der E-Voting-Verantwortliche vom Kanton Zürich verweist auch auf erhöhte Risiken bei der brieflichen Stimmabgabe – Risiken, die gerade dank dem E-Voting verhindert werden könnten.

Die Regeln für die elektronische Stimmabgabe werden vom Bund bestimmt. Die Teilnahme an E-Voting-Tests muss von der Schweizer Regierung gutgeheissen werden.

Die ersten Versuche wurden 2003 bei kommunalen Abstimmungen im Kanton Genf gemacht. 2005 folgten erste Tests in den Kantonen Neuenburg und Zürich.

Diese drei Pilotkantone nutzen unterschiedliche Informatik-Systeme, die sie nach Zusammenarbeits-Vereinbarungen den anderen Kantonen zur Verfügung stellen. Das erste Abkommen dieser Art wurde 2009 von den Kantonen Basel-Stadt und Genf unterzeichnet.

Bisher haben sich 13 Kantone an E-Voting-Tests beteiligt. Das Genfer System benutzen neben dem Kanton Basel-Stadt auch die Kantone Bern und Luzern. Sieben Kantone benutzen das Zürcher System: Freiburg, Graubünden, Solothurn, Schaffhausen, St. Gallen, Aargau und Thurgau.

Während Genf und Neuenburg die Möglichkeit der elektronischen Stimmabgabe auch einem Teil ihrer Wählerschaft im Kanton gewähren, bieten die anderen Kantone die Möglichkeit des E-Voting lediglich den bei ihnen registrierten Auslandschweizern an.

Der Kanton Wallis plant derzeit seine Teilnahme an E-Voting-Versuchen für 2013. Im Kanton Waadt wird die Frage nächstens im Parlament erörtert werden.

Gemäss den heute geltenden Regeln kann die Anzahl der Personen, die elektronisch abstimmen dürfen, maximal 10% der Stimm-berechtigten in der Schweiz und 30% der Stimmberechtigten eines Kantons betragen.

Bei den eidgenössischen Abstimmungen vom vergangenen 11. März hat ein im Kanton Luzern (der das Genfer Informatik-System benutzt) registrierter Auslandschweizer aus Versehen mit der gleichen Stimmkarte zweimal abgestimmt.

Das Problem wurde sofort der Alarmeinrichtung signalisiert. Der Irrtum wurde rasch korrigiert, «ohne weder die Anonymität des Wählers noch das Wahlgeheimnis zu verletzen und andere Stimmabgaben zu beeinträchtigen». Die Genfer Behörden betonen, dass es sich dabei um den ersten Problemfall beim E-Voting in dessen zehnjähriger Nutzung handelt. In der gleichen Zeitperiode habe es bei traditionellen Stimmzetteln wesentlich mehr Probleme gegeben.

Auch wenn ein solcher Vorfall beim E-Voting mit dem von der Berner Fachhochschule Technik und Informatik (BFH) entwickelten System verhindert würde, ist Informatikprofessor Eric Dubuis überzeugt, dass das Problem sogar mit dem Genfer System nicht mehr auftauchen wird, da die notwendigen Massnahmen ergriffen worden seien.

«Was man als ‹Misston vom 11. März» bezeichnet, kann man berechtigterweise auch als Erfolg bezeichnen: Der (wahrscheinlich unabsichtliche) Versuch, zweimal abzustimmen, wurde vom System selbst aufgedeckt und verhindert, ohne dass das Wahlgeheimnis verletzt wurde», sagt Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO).

 

Das E-Voting bleibt eine der wichtigsten Prioritäten der ASO, die eine Online-Petition lanciert hat, welche die baldige und allgemeine Einführung der elektronischen Stimmabgabe verlangt.

(Übertragung aus dem Italienischen: Jean-Michel Berthoud)

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