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Wie die Kantone mit dem Szenario «Amok» umgehen

Was passiert, wenn eine Person auf einem Schulgelände in der Schweiz gewalttätig wird oder die Kontrolle verliert? Der Plan "Amok" unterscheidet sich von Kanton zu Kanton.

Im Neuenburger Ort Cortaillod wurde Mitte Dezember das Protokoll zur Verhinderung von Angriffen auf Schulen, genannt «Amok», ausgelöst. Mit diesem werden die Schüler:innen schnell in Sicherheit gebracht.

Was ist in Cortaillod passiert? Eine Person drang in eine Primarschule ein und machte «bedrohliche» Äusserungen. Nur sieben Minuten nach dem Notruf aus der Lehrer:innenschaft sind die ersten beiden Polizeistreifen am Ort des Geschehens eingetroffen.

Dies erinnert an andere ähnliche Vorfälle. Beispielsweise waren im Oktober zahlreiche Polizeikräfte in einer Berufsschule in der Genfer Gemeinde Carouge im Einsatz.

Dort löste man den Alarm aus, weil sich eine Person mit böswilligen Absichten auf dem Gelände der Schule befunden haben soll. Nach einer gründlichen Durchsuchung stellte die Polizei aber fest, dass es sich um einen Fehlalarm handelte.

Die ältesten «Amok»-Alarme in Bern und Genf

Auch wenn diese Ereignisse ein glückliches Ende genommen haben und die Einsätze meist auf Fehlalarme zurückzuführen waren, erinnern sie doch daran, wie wichtig ein solches Alarmsystem ist, um Amokläufe zu verhindern. In der Westschweiz gibt es seit mehreren Jahren «Amok»-Pläne. Diese wurden jedoch nicht zwischen den Kantonen koordiniert.

Der Begriff «Amok» stammt aus dem Malaiischen «amuk» und bedeutet unkontrollierbare Mordlust. In der indonesischen, malaysischen und philippinischen Kultur bezeichnet es eine öffentlich gedemütigte Person, die einen Massenmord begeht, um ihren verletzten Stolz zu retten.

Die Vorbereitung und die Massnahmen der «Amok»-Pläne können sich von Kanton zu Kanton sehr unterscheiden. Die für die Sicherheit zuständigen Regierungsrät:innen trafen sich letzte Woche, um eine Übersicht über die Sicherheitsmassnahmen im Zusammenhang mit diesem Einsatzprotokoll zu erlangen.

Die ältesten «Amok»-Alarme haben die Schulen der Kantone Genf und Bern. In Genf werden die Modalitäten des Systems und die zu befolgenden Anweisungen seit etwa 15 Jahren jedes Jahr an die Schulen weitergeleitet. Eingeführt wurde das Alarmsystem nach dem Amoklauf im amerikanischen Columbine 1999, als zwei Schüler zwölf Mitschüler:innen und einen Lehrer erschossen hatten.

Erst seit 2016 bietet hingegen der Kanton Neuenburg Schulungen für Lehrkräfte an. Für 2024 sind bereits neue Sessionen geplant.

Auch ein Faktor ist die Schulstufe. Während die Lehrkräfte der Sekundarstufe II, wie etwa dem Gymnasium, und des nachobligatorischen Bereichs in der Waadt, in Freiburg, im Wallis und im Jura recht gut informiert oder sogar entsprechend ausgebildet worden sind, gibt es auf der obligatorischen Sekundarstufe I Lücken in den Vorkehrungen.

Unbekannt in einigen Schulen im Kanton Jura

Am Tag nach dem Vorfall in Cortaillod berichteten mehrere Medien, darunter der Radiosender «rfj», dass nicht alle Schulleitungen im Kanton Jura über den «Amok»-Plan informiert gewesen seien. Spezielle Schulungen gab es nicht.

Dabei existiert im Kanton Jura seit etwa zehn Jahren ein Dokument, das die entsprechenden Anweisungen enthält. Doch es ist wichtig, die Schulleitungen regelmässig daran zu erinnern, wie sie vorgehen sollen, machte der zuständige Regierungsrat Martial Courtet im jurassischen Parlament deutlich.

«Vielleicht haben sich einige Schulen weniger betroffen gefühlt, aber die Aktualität erinnert uns daran, dass alle betroffen sind. Wir nehmen das also sehr ernst.» Und weiter sagte er: «Das Schul- und das Weiterbildungsamt haben den Schulleitungen eine entsprechende Mahnung geschrieben. Falls es bisher noch nicht geschehen ist, bitten wir sie darum, bis zum Ende des nächsten Quartals eine Präsentation und eine Diskussion mit den Lehrkräften zum ‹Amok›-Plan zu organisieren.»

Im Kanton Waadt ist bereits von kommendem Januar bis Juni eine entsprechende Weiterbildung an der obligatorischen Schule geplant. Der Kanton Wallis hält es nach den Ereignissen in Cortaillod für notwendig, die Sicherheitslage in seinen Schulen gemeinsam mit den Ordnungskräften neu zu beurteilen.

Übertragung aus dem Französischen: Benjamin von Wyl

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