Die USA schlagen eine tiefe Bresche ins Bankgeheimnis
Ab 1. Juli wird der US-amerikanische "Foreign Account Tax Compliance Act" schrittweise umgesetzt. Damit unterliegen weltweit alle Banken der Pflicht, regelmässig Bankkundendaten an den US-Fiskus zu liefern, wenn diese Kunden in den USA steuerpflichtig sind. Für die Schweiz bedeutet das neue Regime de facto das Ende des Bankgeheimnisses gegenüber den Vereinigten Staaten.
Die Schweizer Banken und Finanzdienstleister sind bereit, um ab 1. Juli die neuen Fatca-Normen des amerikanischen Steuergesetzes anzuwenden. Mit dem so genannten «Foreign Account Tax Compliance Act» (Fatca) verlangen die US-Steuerbehörden von ausländischen Banken Zugriff auf alle Daten, die Kapitaleinlagen von Bürgern oder Unternehmungen betreffen, die in den USA steuerpflichtig sind.
Das Vorgehen der USA hätte vor ein paar Jahren noch einigen Widerstand ausgelöst. Doch mittlerweile haben sich auch entschiedene Verfechter des Bankgeheimnisses damit abgefunden – zumindest seit die US-Justizbehörden gegen ein Dutzend Schweizer Banken Verfahren eröffnet haben.
Gemäss den Vorwürfen der USA haben Schweizer Banken Tausenden von steuerpflichtigen US-Bürgern geholfen, Steuern zu hinterziehen. Unter diesem Druck unterzeichnete dann die Schweiz sogar als eines der ersten Länder das Fatca-Abkommen, das die Anwendung der Normen durch die im Land tätigen Finanzinstitute regelt.
Mit dem Fatca-Gesetz (Foreign Account Tax Compliance Act) haben die USA ihren Kampf gegen Steuerhinterziehung aller in den USA steuerpflichtigen Personen und Unternehmungen verschärft.
Die ausländischen Finanzinstitute sind verpflichtet, sich bei der US-Steuerbehörde (Internal Revenue Service, IRS) zu registrieren und regelmässig über die Kontenbewegungen ihrer amerikanischen Kunden zu rapportieren. Mit den ersten Meldungen wird bis zum 30. April 2015 gerechnet.
In einer ersten Phase müssen nur Vermögen gemeldet werden, die einen festgelegten Mindestbetrag erreichen, beispielsweise 50´000 Dollar für Privatpersonen. Die Meldungen müssen dann schrittweise für alle Kapitaleinlagen erfolgen.
Bisher haben 80 Staaten weltweit Verträge mit den USA abgeschlossen oder sind in Verhandlungen, um die Anwendung der Fatca-Standards zu regeln.
Die US-Normen sind zum Grossteil Vorbild für die neuen Standards der OECD, die zur weltweiten Einführung des automatischen Informationsaustausches führen.
Kosten in Millionenhöhe
Im Gegensatz zu den meisten europäischen Staaten hat sich die Eidgenossenschaft für das so genannte Modell 2 eines erleichterten Umsetzungsabkommens entschieden. Demnach wird nicht auf eine Anfrage der US-Steuerbehörden gewartet, sondern die Banken liefern die Daten von sich aus an den amerikanischen Fiskus – mit Zustimmung der Kunden. Dafür müssen die Finanzinstitute zuerst alle Kunden ausfindig machen, die den US-Steuergesetzen unterliegen. Neben US-Bürgern sind dies auch Halter von «Green Cards» sowie Personen oder Gesellschaften mit einer Niederlassung in den US.
Die Einhaltung des Fatca-Abkommens stellt für den Finanzplatz Schweiz einen enormen Aufwand dar. «Die Einführung dieser Normen ist für viele andere Länder nicht so bedeutend, weil die dortigen Banken weniger US-Kunden betreuen oder bereits in der Vergangenheit Daten geliefert haben. Die Schweizer Banken verwalten hingegen den weltweit grössten Betrag an transnationalem Kapital», sagt Mario Tuor, Kommunikationschef des Sekretariats für internationale Finanzfragen (SIF).
«Es handelt sich um ein äusserst komplexes Verfahren», hält Thomas Sutter, Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBV), fest. Und es wird mit Kosten in Höhe von 200 bis 300 Millionen Franken für die Schweizer Banken gerechnet. «Man kann nicht einfach auf einen Knopf drücken, um alle Kunden zu identifizieren, die den amerikanischen Steuergesetzen unterliegen. Man muss die Kunden ausfindig machen, sie kontaktieren, den Vorgang erklären und schliesslich um das Einverständnis zur Übermittlung der Daten bitten», erklärt Sutter.
Umfangreiche Sanktionen
Die Kunden können ihr Einverständnis für die Datenübermittlung verweigern. Trotzdem werden sie den Fängen der US-Steuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) kaum entkommen. Die Banken müssen nämlich auch die Zahl der nicht kooperationswilligen Kunden sowie den Gesamtwert derer Vermögen übermitteln. Die IRS kann dann im Rahmen der ordentlichen Amtshilfe ein Gruppengesuch für säumige Kunden stellen.
Auf dieses Gruppengesuch muss Bern wiederum innerhalb von acht Monaten antworten. Die Zeiten, in denen viel Aufwand zur Beantwortung von Anfragen aus den USA nötig war, sind damit definitiv vorbei. Auch ist ein abschlägiger Bescheid auf eine Gruppenanfrage nicht denkbar.
«Die Amtshilfe wird mit Sicherheit gewährt, wenn die Indizien für eine Steuerhinterziehung offenkundig sind. Wenn sich ein Kunde nicht kooperativ zeigt, räumt er im Prinzip schon ein, nicht mit den US-Steuergesetzen im Reinen zu sein», sagt Patrick Dorner, Geschäftsführer des Schweizerischen Verbandes der Vermögensverwalter (VSV).
«Mit dem Fatca-Abkommen existiert das Bankgeheimnis für Kunden, die dem US-amerikanischen Fiskus unterstehen, praktisch nicht mehr», betont Thomas Sutter. Doch Regierung und Parlament mussten sich diesen Normen beugen. Denn das Abkommen sieht eine ganze Reihe von Sanktionen für nicht kooperationswillige Banken oder Kunden vor.
Nimmt ein Finanzinstitut nicht an Fatca teil, so erfolgt ein unilateraler Quellensteuerabzug im Umfang von 30 Prozent auf sämtlichen aus den USA stammenden «withholdable payments» (u.a. Zinsen, Dividenden sowie Bruttoerlöse aus Veräusserungen). Zudem laufen die Bankinstitute Gefahr, nicht mehr am internationalen Interbankenverkehr teilnehmen zu können.
Das amerikanische Fatca-Abkommen gilt auch für Vermögensverwalter, Treuhänder, Versicherungen und Grossindustrien, wenn sie umfangreiche Finanzgeschäfte tätigen. Sie müssen sich ebenfalls bei der US-Steuerbehörde IRS registrieren, um so zu verhindern, als nicht kooperativ zu gelten.
Auf der IRS-Homepage finden sich bereits mehr als 4000 Einträge von Schweizer Firmen «Seit Monaten informieren wir die Vermögensverwalter aktiv darüber, dass sie sich anmelden müssen, selbst wenn sie keine US-Kunden betreuen oder amerikanische Wertpapiere handeln. Wenn sich ein Verwalter nicht einträgt, werden sich die Banken weigern, mit ihm zusammenzuarbeiten. Keine Bank kann sich erlauben, mit Vermögensverwaltern zu kooperieren, die nicht regelkonform im Sinne von Fatca sind», meint Patrick Dorner.
Die Empfehlung einer rechtzeitigen Registrierung hat auch die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) gegeben. «Insbesondere sind keine Handlungen vorzunehmen, welche auf eine Umgehung von Fatca abzielen», warnt die Finma in einer Mitteilung.
Das neue Fatca-Gesetz, das am 30. Juni 2014 in Kraft tritt, sieht Bussen bis zu 250´000 Franken vor, wenn vorsätzlich Vorschriften verletzt werden und keine Registrierung beim IRS erfolgt.
Die Umsetzung des Fatca-Abkommens erfolgt in der Schweiz nach dem so genannten Modell 2. Demnach melden schweizerische Finanzinstitute die Kontendaten mit Zustimmung der betroffenen US-Kunden direkt an die US-Steuerbehörde.
Gemeldet wird aber auch die Zahl nicht-kooperationswilliger Kunden sowie das entsprechende Kapitalvolumen. Daten über nicht kooperationswillige Kunden müssen die USA dann auf dem ordentlichen Amtshilfeweg anfordern.
Im Mai 2014 hat der Bundesrat den Entwurf des Mandats zu Verhandlungen mit den USA über einen Wechsel zu Modell 1 gutgeheissen. Dieses sieht den automatischen Informationsaustausch vor. Die meisten europäischen Staaten haben sich für Modell 1 entschieden.
Ein Paradigmenwechsel
Mit dem Fatca-Abkomen wird ein epochaler Paradigmenwechsel eingeläutet. Bis vor wenigen Jahren liefen Banken Gefahr, gebüsst zu werden, wenn sie das Bankkundengeheimnis nicht respektierten und mit ausländischen Behörden zusammenarbeiteten. Jetzt wird gebüsst, wer keine Daten an Washington liefert.
Die Schweizer Regierung will sogar noch weiter gehen. Sie will im Herbst von Modell 2 auf Modell 1 der Fatca-Normen umstellen. Das bedeutet im Grundsatz einen automatischen Informationsaustausch mit den Steuerbehörden.
Bankiervereinigung und Vermögensverwalter sprechen von einer «logischen Konsequenz» in Hinblick auf den Austausch von Bankkundeninformationen. «Als man anfänglich über das Fatca-Abkommen sprach, war der automatische Informationsaustausch noch ein Tabu in der Schweiz. Doch inzwischen gibt es internationale OECD-Standards, an die sich die Schweiz anpassen muss. Daher ist es sinnvoll, dieses Modell gleich gegenüber den Vereinigten Staaten anzuwenden», meint Patrick Dorner.
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
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