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Die USA werden keine Geschenke machen

Das US-Justizministerium will neue Steuerflüchtlinge und ihre Banker abschrecken. Keystone

Nachdem das Parlament die so genannte "Lex USA" zur Lösung des Steuerstreits mit den Vereinigten Staaten bachab geschickt hat, gibt es in der Schweiz wie auch in den USA grosse Zweifel, dass ernsthafte Schäden für das Schweizer Finanzsystem verhindert werden können.

Am Mittwoch hatte der Nationalrat den Gesetzesentwurf abgelehnt, der es Banken erlaubt hätte, vertrauliche Daten an die US-Behörden weiterzugeben. Die grösste Sorge ist, dass das US-Justizministerium (DoJ) jene Art der Strafverfolgung wieder aufnehmen könnte, die Anfang dieses Jahres den Untergang der Bank Wegelin besiegelt hatte.

«Es ist sehr wahrscheinlich, dass (das DoJ) die Wegelin-Anklage als eine Art Schuss vor den Bug der grösseren, einflussreicheren Schweizer Banken verstanden hat. Sollte dieser Schuss keine Wirkung zeigen, könnte es sehr wohl sein, dass sie keine Alternative sehen, als den Druck auf die wirtschaftlich bedeutenderen Banken zu erhöhen», sagt Beckett Cantley, Steuerrechts-Experte an der John Marshall Law School in Atlanta.

«Die Alternative wäre, dass es für den Rest der Offshore-Bankenwelt so aussehen würde, als meinten sie nicht, was sie sagten. Das DoJ versucht nicht nur, die heutigen Steuerhinterzieher zu erwischen, sondern auch dauerhaft neue Steuerhinterzieher und ihre Banker auf der ganzen Welt abzuschrecken.»

Das Abkommen zwischen der Schweiz und den USA zum US-Steuergesetz FATCA hat im Parlament die erste Hürde genommen.
 
Der Ständerat genehmigte es am Donnerstag deutlich. Stimmt auch der Nationalrat zu, erhalten die US-Steuerbehörden künftig Informationen von Schweizer Banken.
 
Während die «Lex USA» eine Lösung für die Vergangenheit gebracht hätte, stand diesmal ein neues Regime für die Zukunft zur Debatte.
 
Entscheiden musste der Ständerat über das Abkommen zwischen der Schweiz und den USA zur Umsetzung des US-Steuergesetzes FATCA («Foreign Account Tax Compliance Act»).
 
Mit dem Gesetz verpflichten die USA ausländische Banken dazu, Konten von US-Kunden den US-Steuerbehörden zu melden. Sie wollen so erreichen, dass sämtliche Einkünfte von in den USA steuerpflichtigen Personen besteuert werden können.

Kleine Kammer heisst FATCA gut

Das Abkommen zwischen der Schweiz und den USA zum US-Steuergesetz FATCA hat im Parlament die erste Hürde genommen.
 
Der Ständerat genehmigte es am Donnerstag deutlich. Stimmt auch der Nationalrat zu, erhalten die US-Steuerbehörden künftig Informationen von Schweizer Banken.
 
Während die «Lex USA» eine Lösung für die Vergangenheit gebracht hätte, stand diesmal ein neues Regime für die Zukunft zur Debatte.
 
Entscheiden musste der Ständerat über das Abkommen zwischen der Schweiz und den USA zur Umsetzung des US-Steuergesetzes FATCA («Foreign Account Tax Compliance Act»).
 
Mit dem Gesetz verpflichten die USA ausländische Banken dazu, Konten von US-Kunden den US-Steuerbehörden zu melden. Sie wollen so erreichen, dass sämtliche Einkünfte von in den USA steuerpflichtigen Personen besteuert werden können.

Der Schweizer Verhandlungsführer, Michael Ambühl, der im August von seinem Posten zurücktreten wird, hat bereits in einer Ansprache im Februar ein düsteres Bild des Lebens ohne US-Einverständnis gemalt: «Ob wir wollen oder nicht – die USA haben die Fähigkeit, das gesamte Schweizer Finanzzentrum zu destabilisieren, indem sie Massnahmen gegen Schweizer Banken ergreifen», sagte er.

Es wird vermutet, dass das DoJ bereits 14 weitere Schweizer oder in der Schweiz angesiedelte Banken im Visier hat, darunter Credit Suisse, Pictet und einige Kantonalbanken.

«Ich erwarte, dass in nächster Zeit eine weitere Schweizer Bank angeklagt wird», sagt Teig Lawrence, Steueranwalt aus Miami. «Die Frage ist nur, wen die Kugel trifft und wie gross die Pistole ist, mit der die USA schiessen werden.»

Ball bei der Regierung

Indem das Parlament die in aller Eile entworfene «Lex USA» abgelehnt hat, wurde der Ball wieder der Schweizer Regierung zugespielt, die nun eine alternative Lösung suchen muss, die sowohl Schweizer wie auch US-Recht einhält.

Das wird keine leichte Aufgabe werden, wenn man sich an die Resultate der jahrelangen, intensiven Verhandlungen zwischen den beiden Ländern erinnert. Frühere Gespräche endeten in einem «Misserfolg», wie sich der ehemalige Schweizer Diplomat Christian Blickenstorfer erinnert, der vor seinem Ruhestand auf der Schweizer Botschaft in den USA und als Schweizer Botschafter in Deutschland gearbeitet hatte.

«Unsere Diplomatie hat versagt, weil die Schweiz während Jahren den beharrlichen Druck der USA ignorierte, Informationen über US-Bürger herauszugeben, die Steuern nicht bezahlt hatten», sagt er. «Es gab Zeichen am Horizont – diese Situation ist nicht von einem Tag auf den anderen entstanden.»

Angesichts der Pattsituation zwischen Parlament und Landesregierung sieht Blickenstorfer nicht viel «Licht am Ende des Tunnels», dass es im Disput mit den USA zu einer Lösung kommen könnte.

Es scheint unwahrscheinlich, dass die USA weitere jahrelange Verhandlungen akzeptieren werden, um eine Lösung zu finden, während die Schweizer Regierung Gefahr läuft, Klagen von Bankangestellten und dem Schweizerischen Datenschützer gegenüberzustehen, sollte sie im Alleingang den Banken erlauben, das Gesetz zu verletzen und Informationen an die USA zu liefern.

2010 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Übergabe von Kundendaten der Grossbank UBS an die US-Behörden im Jahr zuvor illegal gewesen sei. Und später wurde ein grösserer Datentransfer erst erlaubt, nachdem das Parlament diesen gutgeheissen hatte.

US-Schikane?

Doch diesmal scheint das Parlament entschlossen, den US-Schikanen nicht nachzugeben – eine Haltung, die bei Beckett Cantley auf einige Sympathie stösst: «Der Einsatz von Macht der USA, um Souveränität und Gesetze eines anderen Landes zu unterminieren – besonders eines Alliierten –, ist ein gefährlicher Präzedenzfall», sagt er.

«Mir scheint, die USA hätten die nicht deklarierten Offshore-Bankkonten mit einer Anzahl weniger offensiver Mittel aufspüren können. Die USA verfügen über weitgehende Ressourcen, wenn es darum geht, Bewegungen von Dollars rund um die Welt nachzuverfolgen, besonders solcher, die ins und aus dem US-Bankensystem verschoben werden.»

Doch für den ehemaligen Diplomaten Blickenstorfer gibt es in der harten Welt der internationalen Diplomatie keinen Platz für Gefühle. Grössere Länder hätten schon immer ihr Gewicht gegen weniger starke Gegner ausgespielt, sagt er.

«Meine Erfahrung in den Verhandlungen mit den USA ist, dass sie hart aber fair sind. Die Schweiz muss normalerweise keinen Minderwertigkeitskomplex wegen ihrer kleinen Grösse haben – es geht nicht nur um Quadratkilometer oder Bevölkerungszahlen», so Blickenstorfer.

«Das kleinere Land unterstreicht in der Regel, dass es für den grösseren Partner auch wichtig ist, etwa was die Schaffung von neuen Jobs oder Investitionen in diesem Land angeht. Doch in diesem speziellen Fall gibt es nicht viel, mit dem wir die Verhandlungen ausbalancieren könnten.»

Versteckte Gelder

Teig Lawrence ist überzeugt, dass weiterhin nicht deklarierte US-Vermögenswerte in Offshore-Bankkonten versteckt werden können – auch in der Schweiz. Dies trotz dem Umstand, dass während Amnestien 40’000 Personen selber bei den US-Steuerbehörden Steuerflucht zugegeben haben.

Der Grossteil seiner Kunden, die sich reinwaschen wollten, hätten über kleinere Vermögen verfügt und seien keine millionenschweren Personen gewesen.

«Leute mit grösseren Vermögen haben generell das Gefühl, sie überstünden den Sturm besser», so Lawrence. «Sie warten viel eher ab und trinken Tee.»

Der Steuerstreit entzweit die Schweizer Banken, den Bundesrat und die amerikanischen Justizbehörden seit fünf Jahren. Von amerikanischer Seite sind es zwei Behörden, welche die Schweizer Banken in die Mangel nehmen: Das Justizdepartement (DoJ) und die Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS).

19. Juni 2008

Der ehemalige UBS-Banker Bradley Birkenfeld erklärt sich vor einem amerikanischen Gericht schuldig, für Kunden der Schweizer Grossbank Geld am Fiskus vorbeigeschleust zu haben.

19. August 2009

Nach einem monatelangen Tauziehen zwischen der UBS, dem Bundesrat und den US-Behörden um die Herausgabe von Namen verdächtiger Kunden einigen sich die Schweiz und die USA auf einen Vergleich. Die USA erhalten 4450 UBS-Kundendaten. Die UBS zahlt zudem eine Busse von 780 Mio. Dollar.

16. November 2010

Nach Erhalt der meisten UBS-Kundendaten zieht die US-Steuerbehörde IRS ihre zivilrechtliche Klage gegen die UBS zurück.

Februar 2011

Die USA haben neben der Credit Suisse weitere Banken im Visier, darunter die HSBC Schweiz, die Basler und Zürcher Kantonalbanken, Julius Bär und die Bank Wegelin.

9. Dezember 2011

Das US-Justizministerium verlangt von Schweizer Banken auch Namen von Kundenberatern. Das schweizerische Recht verbietet aber die direkte Herausgabe von Dokumenten mit Namen von Mitarbeitenden.

27. Januar 2012

Die Besitzer der Bank Wegelin verkaufen unter dem Druck der USA ihr Nicht-US-Geschäft an die Raiffeisen Gruppe. Die Bank war als Ganzes in die Schusslinie geraten.

16. März 2012

Das Schweizer Parlament erklärt sich mit Gruppenanfragen aus den USA einverstanden und stimmt einer entsprechenden Ergänzung des Doppelbesteuerungs-Abkommens zu.

11. April 2012

Das Bundesverwaltungsgericht stoppt auf die Klage eines CS-Kunden die Lieferung von Kundendaten der Credit Suisse an die USA, weil seiner Ansicht nach das amerikanische Amtshilfegesuch den Anforderungen nicht genügte.

4. Dezember 2012

Die Schweiz und die USA einigen sich auf die Einführung des «Foreign Account Tax Compliance Act» (FATCA) voraussichtlich 2014. Damit wollen die USA erreichen, dass sämtliche Auslandkonten von US-Steuerpflichtigen besteuert werden können.

3. Januar 2013

Die Bank Wegelin gibt in den USA ein Schuldgeständnis ab und gesteht damit ein, Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben. Im März wird das Strafmass bekannt: Die Busse beläuft sich auf 74 Mio. Dollar.

29. Mai 2013

Der Bundesrat verabschiedet ein Gesetz zur Beendigung des Steuerstreits. Es soll die Banken – nach einem dringlichen Verfahren im Parlament – ermächtigen, direkt mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten und einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.

5. Juni 2013

Der Ständerat stimmt der «Lex USA» mit einigen Abänderungen überraschend klar zu.

18.Juni 2013

Mit 126 zu 67 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschliesst der Nationalrat, nicht auf die Vorlage «Lex USA» einzutreten.

19. Juni 2013

Der Ständerat stimmt im Differenzbereinigungs-Verfahren der «Lex USA» ein zweites Mal zu, der Nationalrat sagt ein zweites Mal Nein. Damit ist die Vorlage vom Tisch.

(Quelle: sda)

(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)

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