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Auslandschweizer organisieren sich für E-Voting

Keystone

Die Auslandschweizer-Organisation hat eine PetitionExterner Link lanciert, die für alle im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer die Einführung des E-Votings fordert. Eine ähnliche Debatte wird derzeit in verschiedenen Ländern geführt, wie diese Reportage des internationalen französischsprachigen Senders TV5Monde zeigt.

Wenn Schweizerinnen und Schweizer, die im Ausland leben, heute abstimmen wollen, machen sie dies grösstenteils per Brief. Doch die Fristen für den Erhalt und die Rücksendung des Stimmzettels sind manchmal sehr eng.

In einem Land mit vier offiziellen Landessprachen kommt es zum Teil auch vor, dass Auslandschweizer das Stimmmaterial in der falschen Sprache erhalten. Oft reicht die Zeit dann nicht mehr, sich das richtige Stimmmaterial zusenden zu lassen und dieses ausgefüllt zurückzuschicken. Dieses Prozedere kann Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer rasch entmutigen.

Rund 11% der Schweizer Bevölkerung leben im Ausland. Rund 62% der 752’000 Schweizerinnen und Schweizer, die 2017 im Ausland gemeldet waren, lebten in Europa. Im Lauf der Jahre hat die Anzahl der Personen, die im Ausland leben, ständig zugenommen. Angesichts dieses Phänomens beharrt die Auslandschweizer-Organisation (ASO) auf der Notwendigkeit, geeignetere Systeme zur Stimmabgabe zu finden.

«Will man den Stimmen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer Steine in den Weg legen? Nein», sagte ASO-Direktorin Ariane Rustichelli kürzlich in einem Interview der Sendung «64 minutes» des Senders TV5Monde. «Das andere Element ist die Teilnahmequote, die selten über 50% liegt, weil wir viermal im Jahr abstimmen. Sollten wir den jüngeren Generationen nicht den Zugang zu Internet-Abstimmungen ermöglichen, um ihre Teilnahme zu erleichtern? Ich glaube, ja», so Rustichelli.

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Eine Frage der Sicherheit

In der Schweiz gehen die ersten Tests mit E-Voting auf das Jahr 2003 zurück. Die politischen Verantwortlichen und einige Bürgerinnen und Bürger machen sich Sorgen um die Sicherheit, wegen Cyber-Attacken, dem Stimmgeheimnis und der Identifizierung der Bürger während der Abstimmung. In jüngster Zeit haben auch Schweizer Parlamentarier Fragen dazu aufgeworfen.

Trotz der Schwierigkeiten, denen sich die ASO im Kampf um das E-Voting für die Auslandgemeinde gegenübersieht, «benutzen neun Kantone E-Voting, und jedes Jahr kommen ein bis zwei Kantone dazu», sagt Rustichelli. Die ASO-Direktorin bleibt optimistisch: «Unsere Rolle ist nicht, eine Informatik-Lösung zu finden. Wir vertrauen bei der Projektleitung der Schweizer Regierung.»

Auslandfranzosen im Vorteil

In Frankreich durften die Auslandfranzösinnen und -franzosen erstmals 2012 per Internet wählen, und die Wahl ging ohne Zwischenfälle über die Bühne. Damals beteiligten sich 219’803 von 1’067’225 in den Registern eingetragenen Französinnen und Franzosen im Ausland, was einer durchschnittlichen Wahlbeteiligung von 20,6% in den 11 Wahlkreisen entsprach. 54% der Wählenden hatten damals den elektronischen Kanal genutzt.

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Bei den Wahlen 2017 entscheid das Aussenministerium aus Angst vor Cyber-Attacken, die elektronische Wahlmöglichkeit nicht mehr anzubietenExterner Link. Für Aymeric Girard, der seit 14 Jahren im Ausland lebt, davon die letzten sechs in Chile, waren die Parlamentswahlen 2017 ein echter Kampf.

«Für den ersten Wahlgang habe ich mich entschieden, ein Hotel in der Nähe der französischen Botschaft zu nehmen, weil ich zwei bis zweieinhalb Stunden entfernt von Santiago lebe. Ich hätte auch eine Stimmrechtsvertretung durch jemand machen lassen können, dem ich aber nicht vertraute, weshalb ich das Hotel genommen habe, um zu vermeiden, dass ich vier bis fünf Stunden reisen musste, um für eine Minute wählen zu können», erklärt er.

Für den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen 2017Externer Link wiederholte sich das Szenario. Auslandfranzösinnen und -franzosen mussten in vielen Städten auf der Welt mehrere Stunden warten, um wählen zu können.

Im Oktober 2017 erklärte Staatspräsident Emmanuel Macron, dass die politische Teilnahme per Internet für alle Französinnen und Franzosen im Ausland ermöglicht werden solle. «Sie werden 2020 und 2022 ihre Stimmen abgeben können», hiess es aus dem Aussenministerium.

In einer einstweiligen Verfügung vom Oktober 2016 hält der französische Rechnungshof fest, dass die Stimmabgabe per Internet «die Kosten für die Organisation der Wahlen reduziert, ohne die Teilnahme der im Ausland lebenden Franzosen an den Wahlen zu verringern».

Trotz der Vorteile, die sowohl für den Staat als auch für die Auslandfranzösinnen und -franzosen bestehen, steht die Ausdehnung der Internet-Stimmabgabe auf andere Wahlen nach wie vor ausser Frage. Auch für künftige Wahlen macht sich die Regierung Sorgen um die Internet-Sicherheit.

«Wir werden noch mehr gross angelegte Tests durchführen, um sicher zu sein, dass wir ab den Wahlen im Mai 2020 eine robuste und zuverlässige Lösung einrichten können», sagte der französische Europa- und Aussenminister.

Debatte in Belgien und Quebec auf Eis

In Belgien steht das E-Voting für die Auslandgemeinde nicht auf der Tagesordnung, auch wenn einige Gemeinden – in Flandern und Wallonien – bereits seit einigen Jahren ein solches System betreiben. «Das E-Voting wurde in den 1990er-Jahren eingerichtet, und im grossen Rahmen in den 2000ern», sagt Pierre Marlet, Journalist bei RTBF. «Die gesamte Hauptstadtregion Brüssel stimmt elektronisch ab.»

Auslandbelgierinnen und -belgier können per Stimmrechtsvertretung, brieflich oder bei einer konsularischen Vertretung ihre Stimme abgeben. In Belgien ist die Stimmabgabe eine Pflicht; wer nicht teilnimmt, kann einen Verweis erhalten oder sogar zu einer Geldstrafe verurteilt werden.

Gleiches gilt für die kanadische Provinz Quebec. Auslandkanadierinnen und -kanadier aus dieser Provinz können nicht elektronisch abstimmen und wählen. Das Abstimmungsverfahren beschränkt sich auf speziell personalisierte Abstimmungsunterlagen, die an alle ausländischen Wählenden geschickt werden und ausgefüllt an das Büro des Chef-Wahlleiters, Élections Canada, in Ottawa zurückgeschickt werden müssen.

Wie in vielen anderen Ländern auch üblich, verlieren Kanadierinnen und Kanadier, die länger als fünf Jahre im Ausland leben, ihr Stimm- und Wahlrecht. Dies gemäss einem Gesetz aus dem Jahr 1993, das jedoch erst unter der Regierung von Stephen Harper [Premierminister von 2006 bis 2015, die Red.] umgesetzt wurde.

(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

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