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Diplomatie und Entwicklungshilfe unter einem Dach

Will das Netz der Aussenstellen reformieren: Aussenminister Didier Burkhalter. Keystone

Das Aussenministerium will die DEZA-Aussenstellen in die Botschaften eingliedern. Dies ist nach Ansicht gewisser Experten ein wichtiger Schritt zu mehr Kohärenz in der Schweizer Aussenpolitik, während NGOs eine Schwächung der Entwicklungszusammenarbeit befürchten.

«Ziel der Reform ist es, in einem Land jeweils nur eine Schweizer Vertretung zu haben. Geschehen wird dies durch eine Integration der Koordinationsbüros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in die Botschaften. Und dort, wo es bisher nur ein DEZA-Büro gibt, wird dieses in eine Schweizer Vertretung umgewandelt», erklärte Yves Rossier, Staatssekretär im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), am Dienstag gegenüber Schweizer Radio und Fernsehen (TSR und SRF).

Das Projekt zur Reorganisation des Netzes der Schweizer Vertretungen, das am Rande der jährlichen Botschafterkonferenz bekannt wurde, hat zum Ziel, die Schweizer Aktivitäten im Ausland besser zu koordinieren. Es soll helfen, Widersprüchlichkeiten zu vermeiden, die sich aufgrund unterschiedlicher Interessen der Wirtschaftsförderung, der Verteidigung der Menschenrechte oder der Entwicklungszusammenarbeit ergeben könnten und bis 2017 umgesetzt werden.

«Man stelle sich vor, dass wir in einem Land ein Schweizer Bergbauunternehmen unterstützen und gleichzeitig ein Programm, mit dem die Bedingungen zum Minenabbau besser definiert werden sollen. Wenn diese beiden Tätigkeiten nicht koordiniert werden, könnte man uns vorwerfen, die linke Hand wisse nicht, was die rechte tut», erklärte Rossier.

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) gehört zum Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Sie wurde 1961gegründet.

Sie ist zuständig für die Nothilfe und den Wiederaufbau sowie für langfristige Entwicklungszusammenarbeit. Das Schweizerische Korps für Humanitäre Hilfe (SKH), das im Fall von Katastrophen zum Einsatz kommt, ist ein fester Bestandteil der DEZA.
 
2012 gab die DEZA für ihre Aktivitäten 1,85 Mrd. Franken aus. Sie hat in der Schweiz und weltweit insgesamt gegen 1500 Angestellte.

Neben ihren eigenen Programmen unterstützt die DEZA Programme multilateraler Organisationen und hilft bei der Finanzierung von Programmen von Schweizer und internationalen Hilfswerken.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) ist der andere staatliche Akteur der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit.

2011 hatte das Schweizer Parlament beschlossen, die öffentliche Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,5% des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Mit dieser Rate würde die Schweiz unter den europäischen Geberländern im Mittelfeld liegen.

«Gut für das Bild der Schweiz»

Peter Niggli, Direktor von Alliance Sud, dem Dachverband von sechs grossen Schweizer Nichtregierungsorganisationen (NGO), ist «sehr skeptisch», was das Projekt angeht und befürchtet, dass dieser Schritt die Schweizer Politik der Entwicklungszusammenarbeit schwächen könnte. «Wenn es Divergenzen gibt, etwa im Fall des von Herrn Rossier zitierten Beispiels, kann man befürchten, dass die wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen der Schweiz alle anderen Überlegungen überwiegen werden.»

Bisher hatte die Schweiz zu einer Gruppe von Ländern gehört, die eine von den grossen nationalen Interessen unabhängige Entwicklungshilfe-Politik verfolgten, eine Politik, die in erster Linie auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer ausgerichtet war, wie Peter Niggli erklärte. «Diese Politik ist nun in Gefahr.»

Für Nicola Forster, den Präsidenten des Forums für Schweizer Aussenpolitik (Foraus), sollte man nicht den Teufel an die Wand malen. «Solche Konflikte sind in der Schweizer Aussenpolitik nicht häufig. Und es gab sie schon bisher, wir werden hier keinen Paradigmenwechsel erleben. Auch für den ehemaligen EDA-Staatssekretär Franz von Däniken geht das Projekt in die richtige Richtung. «Das ist eine gute Sache für ein geschlossenes Handeln, die Koordination und das Bild der Schweiz im Ausland.»

Für Franz von Däniken sind die von den NGO erhobenen Befürchtungen nicht gerechtfertigt. «Die Verteidigung der wirtschaftlichen Interessen der Schweiz und die Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit sind völlig kompatibel. Denn auf lange Sicht hat die Schweizer Wirtschaft Interesse daran, dass die Länder im Süden sich entwickeln.» Er zitiert das Beispiel Mali, wo zur Zeit Aktivitäten der Entwicklungshilfe Vorrang hätten, das aber in der Zukunft auch Schweizer Unternehmen interessieren könnte.

Bedeutender kultureller Wandel

Der Wunsch, die Mauer zwischen EDA und DEZA abzubauen, geht auf eine Zeit zurück, bevor Didier Burkhalter 2011 die Leitung des Aussenministeriums übernahm. So kam es in den vergangenen Jahren bereits zu einer Annäherung in den Bereichen Personalwesen und Kommunikation.

Und schon 2003 wollte die damalige EDA-Chefin Micheline Calmy-Rey ein geschlossenes Handeln der Schweiz im Ausland stärken. «Die DEZA war lange ein autonomes Königreich, was sie im Budgetbereich zum Teil bis heute ist», erklärte Nicola Forster. «Ein bedeutender kultureller Wandel trat aber 2008 ein, als Martin Dahinden die Nachfolge von Walter Fust als DEZA-Chef übernahm. Didier Burkhalter und Yves Rossier wollen diese Integration nun weiter beschleunigen und wirklich eine kohärentere Aussenpolitik aufbauen.»

Auch Vorteile

Die DEZA, lange als eine Hochburg der Interessenvertreter der Dritten Welt betrachtet, hat sich nach Ansicht von Forster in den letzten Jahren gemausert.  «Das Personal der DEZA und des EDA haben heute das Gefühl, die gleichen Interessen zu verteidigen, und nicht nur die ihrer jeweiligen Dienststellen. Sicher gibt es immer noch etwas Widerstand gegen den Wandel, doch die Vorteile einer besseren Zusammenarbeit liegen auf der Hand.»

Der Foraus-Präsident unterstrich, dass es in den vergangenen Jahren im Ausland bereits Integrationsprojekte gab, auf denen man aufbauen könne. Auch Niggli räumte ein, dass diese Pilotprojekte bis heute nicht zu negativen Erfahrungen geführt hätten: «In Nepal oder Mozambique ist es gut gegangen. Aber die Zusammenlegungen werden jetzt in Ländern erfolgen, die aus wirtschaftlicher Sicht für die Schweiz und Schweizer Unternehmen viel interessanter sein werden. Ich denke vor allem an Burma, wo diese Integration zu Problemen führen könnte.»

In einer schriftlichen Antwort an swissinfo.ch schreibt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten, die Zusammenführung der Botschaften und der Integrationsbüros entspreche der Absicht, im Ausland als «einzige Schweiz» aufzutreten.

«Neben der universellen Ausrichtung des Schweizerischen Vertretungsnetzes ist eine gut koordinierte und integrierte Aussenpolitik der Schlüssel zur effizienten Wahrung der Interessen der Schweiz und zur Sicherstellung der bestmöglichen Sichtbarkeit unseres Landes auf der internationalen Bühne.»

Weiter schreibt das EDA: «Die Aufgaben wie auch die finanziellen Ressourcen der Entwicklungszusammenarbeit sind in der Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit der Schweiz 2013–2016 klar definiert. Das Mandat der DEZA wird durch diese Massnahme nicht angetastet. Im Rahmen der Integrierten Vertretungen wird vielmehr eine erhöhte Wirksamkeit der Internationalen Zusammenarbeit (IZA) erreicht, als wichtiger Bestandteil der Schweizer Aussenpolitik.»

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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