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Bern wird «Demokratie-Welthauptstadt» 2020

Ansicht der Altstadt von Bern und der Aare
2020 kommt Dynamik in die Beschaulichkeit Berns, wenn sich Fachleute aus aller Welt hier treffen, um über die neuesten Entwicklungen im Bereich Demokratie und Bürgerbeteiligung zu debattieren. © Marcel Bieri

Die Stadt Bern wird im nächsten Jahr die neunte Weltkonferenz für moderne direkte Demokratie beherbergen. Dies gaben die Behörden der Hauptstadt der Schweiz, die zum Weltkulturerbe gehört, bekannt.

Wegen Coronavirus auf 2021 verschoben

Aufgrund der Coronakrise haben die Veranstalter Externer Linkdas Global Forum on Modern Direct Democracy, das für diesen Herbst in Bern geplant war, auf Frühling 2021 verschoben.
Die Weltkonferenz der Volksrechte und Bürgerpartizipation findet neu vom 28. April bis 1. Mai in der Schweizer Hauptstadt statt.
Berns Stadtpräsident Alec von Graffenried sieht in der Verschiebung auch eine Chance. «Gerade in der Nach-Corona-Zeit wird das Thema direkte Demokratie in vielen Länder von grosser Aktualität sein», heisst es in einer offiziellen MitteilungExterner Link. «Zudem kann die Schweiz als Gastland im nächsten Jahr aufgrund der Corona-Krise sehr praxisorientiert aufzeigen, wie eine moderne direkte Demokratie mit Herausforderungen, wie sie eine Pandemie stellt, politisch und gesellschaftlich umgeht», so von Graffenried. 

Die neunte Auflage des Global Forum on Modern Direct DemocracyExterner Link wird in Bern vom 23. bis 26. September 2020 über die Bühne gehen. Erwartet werden rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 50 Ländern.

Sie werden sich am Weltreffen für direktdemokratische Volksrechte insbesondere über die Best Practice bei der Partizipation der Menschen austauschen.

Obwohl Bern etwas Schatten einiger bisheriger Austragungsorte wie Seoul, San Francisco und Rom stehe, sei sie als Zentrum der direkten Demokratie in der Schweiz zur Demokratie-Weltstadt prädestiniert, sagte Stadtpräsident Alec von Graffenried. Zur Einordnung: Die Stadt zählt «nur» knapp 135’000 Einwohnerinnen und Einwohner.

Ambitionierte Zielsetzung

«Die Konferenz und ihre Ziele passen perfekt in die Hauptstadt der Schweiz mit ihrer Tradition der direkten Demokratie und den Bestrebungen zum Ausbau der Partizipation», so von Graffenried.

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Die Stadtregierung erachte den Kongress als Chance, um ein Zeichen für nachhaltige Demokratieförderung zu setzen und verbindet dies mit einer ambitionierten Zielsetzung. «Der Anlass wird Bern die Möglichkeit geben, sich an die Spitze der internationalen Bemühungen zur Förderung der direkten Demokratie zu setzen.»

Die direkte Demokratie sei ein erfolgreiches politisches Modell, sagte Stadtpräsident Alec von Graffenried weiter. Aber sie könne auch Verwirrung und Unsicherheit stiften, wie das britische Referendum 2016 über die Mitgliedschaft in der Europäischen Union zeige.

«Das Beispiel der Brexit-Abstimmung zeigt die Chancen und Risiken der Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen», sagte er.

Der kleine, grosse Unterschied

Hier gilt es auf die Differenz zwischen einem Plebiszit und direkter Demokratie hinzuweisen: Zwar kommen beide als Volksabstimmungen daher. Der entscheidende, und vom damaligen britischen Premier völlig unterschätzte Unterschied besteht im Weg zu dieser Abstimmung. 

Die Brexit-Abstimmung war ein Plebiszit, also eine von oben angesetzte Volksabstimmung. Direkte Demokratie dagegen gründet auf Volksrechten wie der Volksinitiative und dem Referendum, von denen die Bürger aus eigenem Antrieb Gebrauch machen können. Direkte Demokratie kommt also per se von unten.

Der Kreis schliesst sich

Aber nicht nur Bern, sondern die Schweiz als Weltmeisterin in direkter Demokratie wird am nächstjährigen Anlass im internationalen Schaufenster stehen. 

Die Teilnehmenden können sich aus erster Hand über das Funktionieren der direkten Demokratie in der Schweiz auf staatlicher, regionaler und lokaler Ebene informieren. Weiter auf der Themenliste stehen Föderalismus, direktdemokratische Instrumente und Partizipation der Bevölkerung.

Für Bruno Kaufmann, Co-Präsident und Mitbegründer des Global Forum, stellt die Austragung in Bern eine Rückkehr in die Schweiz dar, fand doch die Premiere des Weltgipfels 2008 am damals jungen Zentrum für Demokratie Aarau statt. 

Heute zählt das ZDA zu den ersten Adressen in Europa, was Demokratieforschung betrifft. Die Stationen der Veranstaltungen dazwischen waren unter anderem Asien, Nord- und Südamerika sowie Afrika.

«Die Welt hat sich in diesen 12 Jahren stark verändert. Damals wurde das System der Schweiz als Kuriosität angesehen. Jetzt gilt es als Referenz», sagt Demokratiespezialist Kaufmann, der als Experte auch für swissinfo.ch tätig ist.

Wo andere Demokratien weiter sind

In dieser Zeit sei die Demokratie aber nicht nur in der Schweiz vorangekommen. Auch andere Länder hätten in den letzten zehn Jahren innovative Ideen der Bürgerbeteiligung entwickelt, von denen die Schweiz wiederum profitieren könne.

Aufholbedarf sieht Kaufmann etwa bei der Schaffung von mehr Transparenz in der Politikfinanzierung, bei der Integration ausländischer Bürger in die Politik und der Digitalisierung von Wahlverfahren.

Getragen wird das jährlich stattfindende «WEF der Demokratie» unter anderem von der Schweizer Demokratiestiftung und der NGO Democracy International. #DearDemocracy, die Plattform für direkte Demokratie von swissinfo.ch, ist Medienpartner des Anlasses.

Nach der letztjährigen Ausgabe in Rom, bei der eine Magna Charta für eine globale Liga von innovativen Demokratie-Städten lanciert wurde (siehe unten), gastiert das Global Forum in diesem Jahr in TaiwanExterner Link.  Genauer: vom 2. bis 5. Oktober 2019 in der Millionenstadt Taichung.

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