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Droht der Schweiz in diesem Winter ein Energieengpass?

Ein Mädchen sitz vor einem Heizkörper
Der Winter steht vor der Tür. Werden wir die Heizungen in der Schweiz wieder herunterdrehen müssen, oder werden wir es gemütlich warm haben? © Keystone / Gaetan Bally

Im letzten Winter fürchteten die Menschen in der Schweiz, dass ihnen das Gas zum Heizen ausgeht, das zuvor zum grossen Teil aus Russland kam. Hat sich die Lage unterdessen entspannt? Eine Zustandsanalyse.

Die gute Nachricht vorneweg: In diesem Winter dürfte die Situation laut Expert:innen besser sein. Die Schweiz müsse aber noch viel mehr investieren, um die Energiewende zu schaffen und sich von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu befreien.

Mit Blick auf den kommenden Winter hat die Regierung beschlossen, keine gross angelegte Energiesparkampagne für die Öffentlichkeit zu starten. Man bleibe aber in Alarmbereitschaft für den Fall, dass die Preise in die Höhe schiessen oder das Angebot knapp wird. Die Abhängigkeit von russischem Gas ist heute weitgehend überwunden, aber die Unsicherheiten bleiben.

Nach Angaben des Bundesamts für Energie (BFE) sind die Energiemärkte nach wie vor volatil, und «die Preise reagieren stark auf neue Unwägbarkeiten». Die Warnung sei nicht aufgehoben worden, so das BFE weiter, und «bei einer Verschlechterung der Energieversorgungslage könnte eine Kampagne durchgeführt werden», insbesondere bei anhaltend tiefen Temperaturen.

Marc MüllerExterner Link, Berater und Spezialist für nachhaltige Energiewirtschaft, hält eine Energieknappheit selbst dann für unwahrscheinlich, «wenn es extrem kalt würde». Dies weil Europa eine bemerkenswerte Umstellung weg von billigem russischem Gas vollzogen habe.

Und weil die französischen Kernkraftwerke gut funktionierten und die Schweiz im Bedarfsfall mit Strom versorgten, was im letzten Jahr nicht der Fall gewesen sei.

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Grosse Importabhängigkeit

Die Schweiz ist stark abhängig von Strom- und Gasimporten. Beim Gas ist die Abhängigkeit sogar fast komplett, stellt das BFE fest. Noch im Jahr 2020 bezog die Schweiz fast die Hälfte ihres Gases aus Russland. Beim Strom ergibt sich ein differenzierteres Bild.

Müller sagt, die Bevölkerung sei im letzten Winter nur deshalb nicht von Stromausfällen betroffen gewesen, weil das Wetter milder war als sonst.

Heute ist die Situation eine andere. Europa hat viel in den Import von Flüssiggas (LNG) aus den Vereinigten Staaten und Katar investiert, um das russische Erdgas zu ersetzen. Dieses muss jedoch von Flüssiggas in Erdgas umgewandelt werden.

«Es braucht eine Menge Schiffe und Infrastruktur in den Häfen, um Flüssiggas in Schiffen in Erdgas in Rohren umzuwandeln. Letztes Jahr verfügten wir noch nicht über die entsprechende Infrastruktur. Es ist absolut beeindruckend, wie schnell die europäische Industrie in der Lage war, diese Anlagen aufzubauen, und zwar in einem Umfang, der die russischen Importe fast vollständig ausgleicht.»

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Die Preise sind jedoch gestiegen, wie die unter der Inflation leidenden Verbraucher:innen sehr wohl wissen. In der Schweiz haben die Energiekosten seit März 2022 um mehr als 25% angezogen. «Diese Infrastruktur is teuer, Flüssiggas kostet mehr als russisches Gas, und der Energiemarkt ist weltweit unter Druck», sagt Müller.

«Wir befinden uns nicht in einer Notsituation, aber wir haben anhaltende Probleme, die wir lösen müssen.»

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Freiwilliges Sparen

Das Bundesamt für Energie hat dazu aufgerufen, den Gasverbrauch in der Schweiz in diesem Winter freiwillig um 15% zu senken, wie es die EU zur Vermeidung von Engpässen tut. «In unserem Land entfallen fast zwei Drittel des jährlichen Gasverbrauchs auf die Beheizung von Gebäuden während der Wintersaison, die von Anfang Oktober bis Ende März dauert», heisst es in einer Pressemitteilung vom 22. September.

«Das freiwillige Einsparziel von 15% gilt für diese verbrauchsstarken Monate und soll durch freiwillige Massnahmen in Haushalten, Industrie, Dienstleistung und öffentlicher Verwaltung erreicht werden.»

Bei Gebäuden, die mit Gas beheizt werden, ist dies einfach via Thermostat zu regeln, sagt Müller. «Mit jedem Grad, das man herunterdreht, spart man 7% an Energie. Wenn Sie also Ihre Wohnung auf 22°C heizen und auf 21°C gehen, sparen Sie 7%, wenn Sie auf 20°C gehen, sparen Sie 15%», erklärt er. «Das funktioniert, wenn Ihr Gebäude gut isoliert ist, aber wenn Sie in einem alten Gebäude wohnen und von 21°C auf 19°C gehen, ist Ihnen kalt.

Müller betont jedoch, dass die im letzten Winter durchgeführten Energiesparmassnahmen nicht besonders effektiv waren. «Wenn wir unseren Energieverbrauch wirklich senken wollen, reicht es nicht aus, nur die Temperatur herunterudrehen», sagte er.

«Wenn wir mehr Energiesicherheit in der Schweiz wollen, müssen wir Gebäude isolieren und die erneuerbaren Energien ausbauen.» Das dauerte 20 bis 30 Jahre. Die meisten Menschen hätten verstanden, dass die Schweiz mehr investieren und die Energiewende viel schneller vorantreiben müsse, so Müller.

«Aber wir werden die Auswirkungen erst in zehn bis 15 Jahren sehen. In der Zwischenzeit sind wir weiterhin stark von Europa abhängig, und wir haben grosses Glück, dass Europa im letzten Winter die richtigen Investitionen getätigt hat.»

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