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E-Voting 2011 auf Sparflamme

Rekurse und Einwände gegenüber dem E-Voting nehmen zu. Keystone

Mit ihrem E-Voting-Stopp bremsen die zwei Pionierkantone Genf und Zürich vorübergehend dessen Einführung auf nationaler Ebene. Ein Marschhalt, der durch Einschränkungen des Bundesrats verstärkt wird. Die Auslandschweizer-Organisation ist enttäuscht.

Für jene Auslandschweizer, die ihre politischen Rechte wahrnehmen wollen, erweist sich das aktuelle Abstimmungs-System immer wieder als problematisch: zu langsame Postzustellung, verspäteter Versand der Abstimmungsunterlagen, falsch zugewiesene Sprachversionen oder gar Ausbleiben jeglicher Zustellung.

Deshalb sind die aus unterschiedlichen Gründen gefassten Beschlüsse der beiden Kantone für die Auslandschweizer-Organisation (ASO) «eine grosse Enttäuschung». 

Die ASO vertritt die Ansicht, «dass die eidgenössischen Parlamentswahlen 2011 ein idealer Anlass für die beiden E-Voting-Pilotkantone Genf und Zürich gewesen wären, um erste Erfahrungen mit Wahlen via E-Voting zu machen». Die bisherigen Tests bei Abstimmungen seien jedenfalls durchwegs positiv ausgefallen, heisst es bei der ASO.

Auslagerung versus öffentliche Verwaltung

Der Kanton Zürich begründet den E-Voting-Stopp mit technischen Problemen sowie Kostenfragen. Obwohl der Kanton Genf diese Probleme nicht kennt, hat er dennoch denselben Entscheid getroffen.

Während in Zürich jede einzelne elektronisch abgegebene Stimme eines Inlandschweizers 50 Franken, jene eines Auslandschweizers gar 150 Franken kostet, betragen die Mehrkosten für eine Auslandschweizerstimme in Genf lediglich 15 Franken, wie die Kanzlerin des Kantons erklärt.

«Es wären lediglich 2 Franken, wenn alle im Ausland lebenden Genfer per Internet abstimmen würden», sagt Anja Wyden Guelpa gegenüber swissinfo.ch.

Die Differenz zu Zürich liege in der unterschiedlichen Verwaltung. «Unser System funktioniert mit einer offenen Software, die von den Informatikdiensten des Kantons verwaltet wird», so Wyden Guelpa. «In Zürich hingegen wird ein Teil der Software-Verwaltung an eine Privatfirma ausgelagert.»

Laut der Genfer Kantonskanzlerin hat die öffentliche Verwaltung des E-Voting Sicherheit und Transparenz garantiert. «Seit 2000 haben wir 17 Abstimmungen erfolgreich via Internet durchgeführt. Kontrolliert wurden die Abstimmungen von einer ständigen Wahlkommission, zusammengesetzt aus Abgeordneten und Experten, die vom Genfer Staatsrat, der Kantonsregierung, nominiert wurden.»

Weshalb also der Genfer E-Voting-Stopp für 2011? «Zur Lancierung der Wahlen im Internet will sich der Kanton eine solide, klare legale Basis schaffen, um sich gegen das Risiko von gesetzlichen Rekursen zu wappnen», sagt Wyden Guelpa.

Im Kanton Genf nehmen die Rekurse und Einwände bei Abstimmungen und Wahlen – ob elektronisch oder nicht – in letzter Zeit zu. Die elektronische Stimmabgabe erfordert Vorsicht, vor allem bei Wahlen. Dies, obwohl 2009 70% der Stimmenden die Aufnahme des E-Voting in die kantonale Verfassung gutgeheissen haben.

Vorsichtiger Bundesrat

Die Genfer Kantonskanzlerin erwähnt zudem die von der Landesregierung auferlegten Einschränkungen beim E-Voting. «Weil der Bundesrat die elektronische Stimmabgabe pro Kanton auf 20% und für die  ganze Schweiz auf 10% beschränkt, kommen wir nicht aus der Versuchsphase heraus. Und wir möchten doch nach über zehnjährigen stichhaltigen Versuchen alle drei Optionen anbieten: Wahllokal, briefliche Wahl und elektronische Wahl.»

Auf Anfrage von swissinfo.ch äusserte sich auch die Bundeskanzlei zu der E-Voting-Frage – und zwar schriftlich: «Die elektronische Wahl umfasst Risiken. Dazu kommen Unregelmässigkeiten, Gerüchte über solche, die man ernst nehmen muss, sowie Missbräuche im Ausland, die zur Erschütterung des Vertrauens der Wähler in das E-Voting führen können.»

Und weiter schreibt die Bundeskanzlei: «Gemäss Bundesrat kann die elektronische Stimmabgabe erst dann allgemein eingeführt werden, wenn alle Akteure – Wählerinnen und Wähler, Politiker und Behörden – sich vertraut gemacht haben mit den neuen Prozeduren und Strukturen, diese akzeptiert und in sie Vertrauen haben. Der Bundesrat hat sich also für eine vorsichtige Herangehensweise, für eine etappenweise Realisierung des E-Voting entschieden.»

Weil die anderen Schweizer Kantone abhängig vom Zürcher oder vom Genfer System sind, gibt es dort auch noch keine generelle Durchführung des E-Voting. Im internationalen Vergleich bleibt die Schweiz aber weiterhin führend in diesem Bereich.

2000: Der Bundesrat erteilt der Bundeskanzlei den Auftrag, die Machbarkeit der elektronischen Stimmabgabe zu prüfen.
 
2001: Der erste Bericht zum E-Voting kommt zum Schluss, dass zur Klärung der Machbarkeit praktische Versuche nötig sind.
 
2002: Das Parlament erlässt die gesetzlichen Grundlagen, damit in interessierten Kantonen Versuche durchgeführt werden können.
 
2003: Erster Versuch im Kanton Genf.
 
2005: Neuenburg und Zürich führen erste Versuche durch. Die ersten drei Pilotkantone nutzen unterschiedliche Informatik-Systeme.
 
2006: Der Bundesrat beschliesst die Einführung des E-Voting in Etappen.

2007: Das Parlament stimmt dieser Strategie zu.

 
2009: Basel-Stadt und Genf unterzeichnen eine Vereinbarung, wonach Basel das Genfer E-Voting-System nutzen kann. Die Kantone Graubünden, St. Gallen, Schaffhausen, Aargau, Thurgau, Solothurn und Freiburg schliessen einen ähnlichen Vertrag mit Zürich.
 
2010: Bern als Kanton mit den meisten Gemeinden der Schweiz schliesst einen Vertrag mit Genf zur Nutzung dessen E-Voting-Systems ab. Es folgt der Kanton Luzern.
 
Bei der Volksabstimmung vom 28.11.2010 erfolgt das E-Voting dank Graubünden erstmals in allen vier Landessprachen. 12 Kantone führten E-Voting-Versuche durch. 193’236  Personen waren berechtigt, elektronisch abzustimmen, nur 28’912 von ihnen haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

(Übertragung aus dem Fanzösischen: Jean-Michel Berthoud)

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