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Ein Gesetz im Zeichen wachsender Mobilität

Auslandschweizer-Kinder zu Besuch im Parlament. Keystone

Die Mobilität der Schweizer nimmt zu. Jedes Jahr verlassen Tausende ihr Land, Tausende kehren zurück. Deshalb brauche es ein Gesetz über die Auslandschweizer, sagt Ständerat Filippo Lombardi im Interview mit swissinfo.ch. Er ist der "Vater" des Gesetzentwurfs.

Der amtierende Ständeratspräsident Filippo Lombardi forderte bereits 2004 in einem Postulat ein eigenes Auslandschweizergesetz. 2010 nahm die Regierung das Postulat an. Nun liegt ein Vorentwurf der staatspolitischen Kommission (SPK) des Ständerats vor. Im Rahmen einer Vernehmlassung können sich interessierte Kreise bis Ende August zu den Vorschlägen äussern.

swissinfo.ch: Warum braucht es eigentlich ein eigenes Auslandschweizergesetz?

Filippo Lombardi: Die Eidgenossenschaft muss das Verhältnis zu ihren Bürgern im Ausland in umfassender Weise regeln. Deshalb soll in diesem Gesetz vereint werden, was heute über etliche Gesetze, Erlasse und Verordnungen verstreut ist. Es soll sich um lesbare Normen handeln, die von unseren 715‘000 Schweizerinnen und Schweizern im Ausland leicht verstanden werden können.

Darüber hinaus wird ein einziges Departement festgelegt, das für Angelegenheiten von Auslandschweizern zuständig ist. So wird Verantwortlichkeit geschaffen. Das zuständige Departement erhält zudem einen Rahmenkredit über vier Jahre, um die aufgetragenen Aufgaben zu erfüllen. So lässt sich der finanzielle Aufwand für die Eidgenossenschaft besser festlegen. Zudem lassen sich mittel- und langfristige Rahmenprogramme erstellen.

Ich möchte aber betonen, dass das neue Auslandschweizergesetz nicht nur für Schweizer gedacht ist, die ständig im Ausland leben. Es hat auch für Schweizer Bedeutung, die sich nur kurzfristig im Ausland aufhalten, sowie für juristische Personen. Ein Ziel dieses Gesetzes besteht ja gerade in der Förderung einer internationalen Mobilität, die heute in Bezug auf Ausbildung, Berufstätigkeit sowie in den Bereichen Freizeit, Tourismus und Kultur sehr wichtig geworden ist.

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swissinfo.ch:  Im Gesetzesentwurf ist häufig von der individuellen Verantwortung die Rede. Manchmal hat man den Eindruck, dass hier Schlupflöcher für den Bund geschaffen werden sollen, damit sich der Staat der Verantwortung gegenüber seinen  Landsleuten entziehen kann.

F.L. Das ist nicht der Fall, denn dank diesem Gesetz werden die Mittel für die Auslandschweizer erhöht und es wird ein klarer Rahmen geschaffen. Dass auch die Übernahme von Verantwortung verlangt wird, scheint mir Ausdruck einer verantwortungsvollen und liberalen Haltung zu sein. Dies ist besonders in Hinblick auf den konsularischen Schutz wichtig.

Es ist normal, dass die Eidgenossenschaft Schadenersatz für die gesamten oder zumindest einen Teil von Kosten verlangen kann, wenn sich Personen oder Gesellschaften fahrlässig in Gefahr begeben oder Gesetze eines Gastlandes verletzen. Das ist zwar auch jetzt möglich, doch die gesetzliche Basis ist äusserst dünn. Der konsularische Schutz ist nur in einigen Verordnungen des Aussendepartements geregelt. Durch ein Auslandschweizergesetz wird eine solide gesetzliche Grundlage geschaffen.

Die Mehrheit der politischen Parteien wird im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens erst im August zum Vorentwurf Stellung beziehen. Einzig die Grünen und die Sozialdemokraten (SP) haben sich bereits geäussert.

Die SP spricht von einem Entwurf «ohne Substanz“. Gefordert wird ein eigener Wahlkreis für Ausland-Schweizerinnen und –Schweizer mit eigenen Abgeordneten im Parlament.

Die Grünen fordern ihrerseits, dass Auslandschweizer, die in Grenzregionen zur Schweiz leben, in benachbarten Kanton wählen und abstimmen dürfen. Der Bundesrat hat diese Forderung bereits abgelehnt.

swissinfo.ch: Der Gesetzentwurf sieht vor, die Meldepflicht bei Schweizer Vertretungen  für Auslandschweizer, die länger als 12 Monate im Ausland leben, abzuschaffen. Wird dadurch die Verbindung von Auslandschweizern zu ihrer Heimat nicht geschwächt?

F.L.: Die Kommission hat sich Gedanken gemacht, ob es sinnvoll ist, eine Vorschrift zu einer Registrierpflicht zu haben, deren Verletzung keinerlei Sanktionen nach sich zieht. Daher hat man einen anderen Weg beschritten: Die Schweiz garantiert Auslandschweizern, die sich freiwillig melden, bestimmte Dienstleistungen.

Wer sich künftig meldet, wird dies wahrscheinlich tun, um die Verbindungen mit seinem Herkunftsland aufrecht zu erhalten, und nicht mehr, weil er oder sie dazu gezwungen wird. Möglicherweise wird dies zu weniger gemeldeten Auslandschweizern führen, aber bei den Landsleuten, die sich registrieren lassen, wird das Interesse am Heimatland wohl stärker sein.

swissinfo.ch: Sie haben mit Ihren parlamentarischen Vorstössen das Auslandschweizergesetz angeregt. Sind Sie mit dem Vorentwurf zufrieden?

F.L.: Praktisch alle meine Erwartungen werden erfüllt. Mit einer Ausnahme: Es fehlen die generelle Einführung des  E-Voting und die erleichterte Teilnahme der Auslandschweizer am politischen Leben der Schweiz, insbesondere bei Wahlen.

Von den 715‘000 Auslandschweizern sind fast 150‘000 in Stimm- und Wahlregistern eingetragen. Doch viele dieser Landsleute haben Mühe, von ihrem Wahlrecht in der Praxis Gebrauch zu machen. Der Versand der Abstimmungs- und Wahlunterlagen klappt häufig nicht.

Wir hofften, das elektronische Abstimmen für alle Auslandschweizer ab 2015 einführen zu können. Für einen Grossteil der Auslandschweizer wird es dann tatsächlich möglich sein, aber eben nicht für alle. Ich befürchte, dass es noch bis zu den nationalen Wahlen von 2019 dauern wird, bis dieses Recht allgemein umgesetzt ist. Dies liegt daran, dass der Bund den in Wahl- und Abstimmungsangelegenheiten zuständigen Kantonen keine Vorschriften machen kann.

Der Vorentwurf wird von der Auslandschweizer-Organisation (ASO) gelobt. «Es war höchste Zeit, eine kohärente Gesetzesgrundlage für die Schweizer Diaspora und zugunsten einer internationalen Mobilität der Schweizer vorzulegen“, kommentiert ASO-Direktor Rudolf Wyder gegenüber swissinfo.ch.

Der Auslandschweizerrat (ASR), das oberste Organ der ASO, wird anlässlich seiner Sommersitzung vom 16. August 2013 zum ASG Stellung nehmen. Der ASR setzt sich seit langem für die Schaffung eines Auslandschweizer-Gesetzes ein.

swissinfo.ch:  Die sozialdemokratische Partei fordert einen einheitlichen Wahlkreis für die Auslandschweizer. Ist diese Forderung ad acta gelegt worden?

F.L.: Im Moment schon. Eine parlamentarische Initiative von Carlo Sommaruga, der sich als Wahlkreis eine Art 27. Kanton der Auslandschweizer vorstellte, fand im Ständerat leider keine Gnade. Wahrscheinlich wird man die Frage in einigen Jahren wieder aufgreifen. Im Moment ist es zu früh. Persönlich hätte ich einen Zwischenschritt befürwortet, beispielweise wenigstens eine Direktwahl des Auslandschweizerrates durch die registrierten Wählerinnen und Wähler. Doch die staatspolitische Kommission wollte keinen staatlichen Eingriff in diese Organisation, denn man hätte eine solche Prozedur im Auslandschweizergesetz festlegen müssen.

Möglicherweise kommt die Kommission auf ihren Entscheid zurück, falls in der jetzigen Vernehmlassung zum Gesetz entsprechende Forderungen laut würden. Doch im Moment stehen wir mit der Vernehmlassung noch ganz am Anfang.  Wir wollen den Puls der Kantone, Parteien und interessierten Organisationen fühlen. Bis zum 30.August können sie Stellung nehmen. Wie gesagt: Falls die Vernehmlassung zu grosser Kritik führen sollte, wird die Kommission ihre Haltung in manchen Punkten sicherlich nochmals überdenken.

Im Vorentwurf für ein Bundesgesetz über Schweizer Personen und Institutionen im Ausland (Auslandschweizergesetz, ASG) werden die verschiedenen Bestimmungen, die ausschliesslich Auslandschweizerinnen und –schweizer betreffen, in einem Erlass übersichtlich und in sich kohärent zusammengefasst.

Eine wichtige Neuerung: Das Eidgenössische Departement des Äussern (EDA) soll für Auslandschweizer zum «Guichet unique“ – zur zentralen Anlaufstelle – werden.

Wichtig ist auch das Prinzip der individuellen Verantwortung. So hält der Gesetzentwurf fest: «Jede Person trägt die Verantwortung bei der Vorbereitung und Durchführung eines Auslandaufenthaltes oder bei der Ausübung einer Tätigkeit im Ausland.“(Art.5) Daraus folgt, dass der konsularische Schutz kein absolutes Recht ist; die Rolle des Staates ist subsidiär.

Gemäss dem Prinzip der Eigenverantwortung wird auch die Meldepflicht für Auslandschweizer bei diplomatischen Vertretungen abgeschafft. Doch wer sich ins Auslandschweizerregister (ASR) einträgt, kann bestimmte Dienstleistungen in Anspruch nehmen – beispielsweise Sozialhilfe der Eidgenossenschaft.

In Bezug auf die politischen Rechte wird festgelegt, dass die Teilnahme an Abstimmungen und Wahlen in der letzten Wohngemeinde erfolgen muss. Das Wahlrecht in der Heimatgemeinde als Alternative ist nicht mehr vorgesehen.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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