Einfach nur Erleichterung nach Gaddafis Tod
"Endlich" und "Happy End für Libyen": Zwei Pressestimmen, die zeigen, wie laut das Aufatmen über Muammar Gaddafis blutiges Ende auch in der Schweiz ist. Experten hätten es aber vorgezogen, den libyschen Ex-Diktator vor Gericht zu sehen.
Die Umstände, unter denen der der libysche Ex-Diktator Muammar Gaddafi am Donnerstag getötet wurde, sind immer noch nicht klar.
Aber wie in der übrigen Welt herrscht auch in der Schweiz riesige Erleichterung über das Ende von Gaddafis 42-jähriger Herrschaft.
«Muammar al-Ghadhafis Tod erlöst Libyen», schreibt die Berner Zeitung.»Tod des Tyrannen» vermelden Tages-Anzeiger und Der Bund und bezeichnen das Ende des ehemaligen Herrschers ebenfalls als «Libyens Erlösung». Gaddhafi habe blutig geherrscht, und blutig sei sein Ende gewesen.
Praktisch wortgleich tönt es vom Landboten, der vom «Tod eines beispiellosen Tyrannen» spricht. «Es ist das grausige Ende eines grausamen Tyrannen.» Der «tollwütige Hund des Nahen Ostens» sei er gewesen, schiebt die Zeitung nach.
Laut macht die Basler Zeitung ihrer Erleichterung Luft. «Jubel nach Gaddafis Tod» titelt die BaZ und bringt im Kommentar die Seelenlage auf die einprägsame Kurzformel: «Gaddafi ist tot. Endlich.»
Auch die sonst eher zurückhaltende Neue Zürcher Zeitung stimmt lautere Töne an: «Libyen bejubelt das Ende Gaddafis». Für die NZZ war «Gaddafi, ein Tyrann, der sein Land ruinierte».
Moment der Freude festhalten
Dieses traurige Kapitel ist für die Freiburger Nachrichten zu Ende, denn «Der Tod von Muammar al-Gaddafi macht den Weg frei für ein neues Libyen».
Ein neues Libyen könne erst nach einer Säuberung des nationalen Übergangsrates entstehen, schreibt La Liberté. Denn dieser bestehe aus einer Mehrheit ehemaliger Gefolgsleute von Gaddafi. «Hier sind sie, die Händler der Freiheit, die mit dem schwarzen Gold den Westen blenden, ohne dessen Bomben der Oberst nie abgetreten wäre», so die Zeitung aus Freiburg.
Auch Le Temps blickt mit Sorgenfalten kommenden Zeiten entgegen. Die Genfer Zeitung warnt vor der «Versuchung zur Abrechnung, Rachedurst, Kämpfen um die Kontrolle der Reichtümer und den Ambitionen der Islamisten». Und das in einem Land, das weder stabile Strukturen noch eine Staatstradition kenne.
Nicht in die Zukunft blicken mag die Aargauer Zeitung und hält einfach nur den Moment fest: «Gaddafis Tod – ein Happy End für Libyen.»
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Vergangenheit aufrollen
Erleichterung herrscht aber nicht nur in den Spalten der Schweizer Presse, sondern auch auf Seiten der Kenner der arabischen Welt in der Schweiz. Arnold Hottinger, langjähriger ehemaliger Korrespondent für den Nahen Osten und Nordafrika, zeigte sich «froh für das Land, dass es jetzt endlich vorbei ist».
Den Tod Gaddafis aber bedauert er. «Es wäre wichtig gewesen, ihn vor ein Gericht zu bringen. So hätte Libyen die Vergangenheit aufrollen können», sagte Hottinger gegenüber der Berner Zeitung.
Prozess als Abschreckung
Derselben Meinung ist auch Jean Ziegler. Der ehemalige Soziologieprofessor und Kenner der arabischen Welt hatte Gaddafi persönlich mehrmals getroffen. «Es wäre sehr wichtig gewesen, ihn lebend festzunehmen. Dann hätte man ihn an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag transferieren können», sagte Ziegler in einem Interview mit der Boulevardzeitung Blick.
«Der Prozess gegen Gaddafi wäre eine Lehre für alle jetzt noch wütenden Diktatoren, wie etwa Bashar al-Assad, gewesen.»
Der Genfer glaubt nicht, dass dem befreiten Land jetzt ein Bürgerkrieg droht. Die Menschen in Libyen hätten genug vom Blutvergiessen. «Darum ist jetzt die Zeit der Vergebung – und der regulären Aburteilung der schlimmsten Kriminellen», sagte Ziegler.
Auch Rachid Hamdani, der von Juli 2008 bis Februar 2010 in Libyen von Gaddafi als Geisel festgehalten wurde, ist erleichtert über den Tod des langjährigen libyschen Machthabers. «Er hat dieses Ende verdient», sagte Hamdani am Donnerstag dem Westschweizer Radio (RSR).
Er habe unter einer Ungerechtigkeit gelitten, die von Gaddafi ausgegangen sei. «Sein Tod ist eine Erleichterung», sagte Hamdani. Dennoch hätte er es vorgezogen, wenn der Ex-Diktator vor ein Gericht gestellt worden wäre.
Tod mit Billigung des Westens
Einen Prozess «um der Gerechtigkeit willen» hätte auch Hasni Abidi begrüsst, Direktor des Forschungszentrums für den arabischen Raum in Genf. Ein Verfahren hätte insbesondere geholfen, «die traurige Vergangenheit Libyens zu bewältigen».
Der Tod des Despoten erspare Libyen aber einen endlosen, aufreibenden Prozess, den das Land gar nicht korrekt hätte durchführen können, so Abidi in der Genfer Zeitung Le Temps. «Aber auch die europäischen Länder und die USA sind erleichtert, denn sie hätten es nicht gern gesehen, wenn Gaddafi vor Gericht über die zweifelhaften Beziehungen ausgesagt hätte, welche diese Länder während Jahren mit Libyen unterhalten hatten.»
Der Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi war von 1979 bis 2011 Diktator Libyens.
Der 1942 geborene Gaddafi putschte 1969 als Oberst den König weg und war bis 1979 Staatsoberhaupt.
Sein Regime galt gleichzeitig als eines der repressivsten, andererseits als das korrupteste der arabischen Staaten.
Im Februar 2011 kam es im Anschluss an die Ereignisse in Tunesien und Ägypen zu landesweiten Aufständen.
Nach einer UNO-Resolution begannen verschiedene westliche Länder mit Luftangriffen, um eine Flugverbotszone durchzusetzen.
Seit Ende Juni wurde Gaddafi als mutmasslicher Kriegsverbrecher gesucht.
Am 20. Oktober 2011 wird er getötet, als er aus seiner Heimatstadt Sirte flüchten will.
Mitte Februar: Beginn der Proteste gegen Gaddafi. Sie werden gewaltsam niedergeschlagen, dehnen sich aber auf andere Städte aus. Der Osten des Landes fällt in Rebellenhand.
März: Frankreich erkennt als erstes Land die Rebellen als «einzige Vertretung» an. Der UNO-Sicherheitsrat erlaubt den Einsatz von Gewalt. Eine Koalition von westlichen Staaten beginnt mit Luftangriffen. Die NATO übernimmt das Kommando.
April: Die Libyenkontaktgruppe fordert den Rücktritt Gaddafis. Militärberater werden zu den Rebellen geschickt.
Mai: Gaddafi-Sohn Seif al-Arab wird getötet. Die Rebellen nehmen den Flughafen von Misrata ein.
Juni: Internat. Strafgerichtshof erlässt Haftbefehle gegen Gaddafi.
Juli: Die Libyen-Kontaktgruppe anerkennt die Rebellen, auch die Schweiz vollzieht diesen Schritt.
August: Rebellen rücken in Tripolis ein und bringen Teile unter ihre Kontrolle.
25. August: Die politische Führung der Aufständischen beginnt mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte in Tripolis.
16. September: Die UNO-Vollversammlung stimmt dafür, den bisher dem Gaddafi-Regime vorbehaltenen Sitz Libyens in der Weltorganisation den neuen Machthabern zu übertragen.
Seit August kämpfen die Rebellen um Sirte, die Heimatstadt Gaddafis.
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