Einheitskasse in der Wählergunst weiter gesunken
Die Zeichen für ein Scheitern der Initiative "für eine öffentliche Krankenkasse" haben sich weiter verdichtet: 54% würden zurzeit Nein stimmen, wie das zweite SRG-Trendbarometer ergab. Die Befürworter vorwiegend aus dem links-grünen Lager büssten gegenüber Mitte August weiter Terrain ein.
Seit dem ersten Trendbarometer konnten die Skeptiker gegenüber einer Einheitskasse somit um 3% zulegen, während der Anteil der Befürworter zurückkrebste, nämlich von 40% auf 38%. Die öffentliche Krankenkasse sollte die 67 Krankenkassen ablösen, die aktuell vom Bund zugelassen sind.
Für Claude Longchamp, Leiter des Instituts gfs.bern, das den Barometer für die SRG erstellt, ist der Hauptgrund klar: «Die Hoffnung, dass die Belastung durch die Krankenkassenprämien mit der Initiative abnimmt, ist rückläufig.» Setzten vor einem Monat im Pro-Lager noch 34% auf günstigere Prämien, sind es jetzt nur noch 28%. 8% wissen noch nicht, wie sie abstimmen werden.
Den Initianten des Begehrens «für eine öffentliche Krankenkasse»Externer Link sei es nicht gelungen, bei den Stimmbürgern mit der Kostenfrage als wichtigstem Punkt ihres Begehrens durchzudringen, so Longchamp.
Weil sich Nein-Trends auf die Abstimmungen hin in der Regel noch verstärkten, rechnet er mit einem Nein-Anteil zwischen 50% bis 60%, so dass das Ständemehr kaum mehr eine Rolle spiele.
Zustimmung in Westschweiz bröckelt
In der Deutschschweiz, wo von Anfang an die Skepsis überwog, ist die Ablehnung noch grösser geworden (von 59% auf 61%). Auch in der französischsprachigen Westschweiz legten die Nein-Stimmenden seit August zu (von 30% auf 35%). Dort überwiegt mit 51% aber nach wie vor Zustimmung, so dass Longchamp davon ausgeht, dass in der Romandie einzelne Kantone für eine Einheitskasse stimmen werden.
In der italienischsprachigen Südschweiz sank die Zustimmung von 53% auf noch 51%, während die Skeptiker von 37% auf 39% zulegten.
Die beiden Initiativen
Die Volksinitiative «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!» des Branchenverbands Gastrosuisse wurde am 21. September 2011 eingereicht.
Der Initiativetext besagt: «Gastgewerbliche Leistungen unterliegen dem gleichen Steuersatz wie die Lieferung von Nahrungsmitteln.» Zurzeit bezahlt das Gastgewerbe eine Mehrwertsteuer von 8%, während Take-Away-Betriebe und Detailhandel 2,5% bezahlen.
Die Volksinitiative «Für eine öffentliche Krankenkasse» wurde 2012 eingereicht. Lanciert wurde dieses Volksbegehren von der Sozialdemokratischen Partei, den Grünen sowie von Konsumenten- und Patientenschutzverbänden.
Die Initiative fordert die Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Krankenkasse, welche für die Grundversicherung zuständig sein soll. Die Prämien werden je nach Kanton festgelegt und in Abhängigkeit von den Kosten der Versicherung festgelegt.
Das sich abzeichnende Nein zu einer öffentlichen Krankenkasse stellt der gfs.bern-Leiter in Zusammenhang mit einer «Status-Quo-Orientierung», die er im Gesundheitswesen seit längerer Zeit beobachtet. «Qualitativ wurde ein so hoher Stand erreicht, dass die Leute Angst haben, dass sie für das gleiche Geld weniger Leistung erhalten oder die gleiche Leistung teurer würde.» Diese Haltung habe in den letzten Jahren zu einem Erlahmen des Reformeifers im Gesundheitswesen geführt.
Für die zweite Vorlage, die Volksinitiative «Schluss mit der MwSt-Diskriminierung des Gastgewerbes!»Externer Link, zeichnet sich ebenfalls eine Ablehnung ab. Dennoch präsentiert sich hier der Ausgang noch offener. 46% der Befragten wollen nicht, dass der Mehrwertsteuersatz für Gastwirte von 8,5% auf 2,5% gesenkt wird. So hoch ist die Abgabe für Take-Away-Anbieter.
Was den Wirten nicht gefallen dürfte: Vor einem Monat hatte die Ablehnung erst 28% betragen. Die Befürworter verharrten hingegen auf 41%. Unentschlossen sind noch 13%.
Am grössten ist die Unterstützung mit 49% Ja in der italienischsprachigen Schweiz, während nur 34% der Westschweizer die Gastwirte entlasten wollen. Der Ja-Anteil in der Deutschschweiz beträgt 43%.
Bauchentscheid, aber kein Protestpotenzial
Interessant ist, dass lediglich gut ein Viertel der Befragten (27%) ihr Ja oder Nein mit Sachargumenten begründen konnten. Wie bei Steuerfragen nicht unüblich, handelt es sich bei vielen also um einen klassischen «Bauchentscheid».
Aber im Gegensatz zu früheren Steuervorlagen, die im Stimmbürger ein beachtliches Protestverhalten wecken konnten, vermag die Steuersenkung für Gastwirte diesmal keine hohen Wellen zu werfen. Dazu sei die Gruppe jener, die in den Genuss der Steuererleichterung käme, zu klein, sagt Longchamp. «Es geht dabei um relativ wenig, im Gegensatz etwa zur letzten grossen Steuerrevision 2004.»
Den Initianten aus der Gastro-Branche dürfte auch noch eines zu denken geben: Das Argument der Gegner, dass die Erleichterung nicht dem Gast, sondern nur dem Wirt zu Gute käme, gewann markant an Boden (von 61% auf 68%).
SRG-Trendbarometer
Die Umfrage wurde vom Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der SRG, zu der auch swissinfo.ch gehört, durchgeführt. Befragt wurden zwischen dem 6. und 13. September 2014 genau 1421 stimmberechtigte Personen mit Wohnsitz in der Schweiz.
Die Stichprobe ist sprachregional gewichtet und repräsentativ für die Schweizer Stimmberechtigten. Der statistische Fehler bei der gesamten Stichprobengrösse beträgt +/- 2,7%-Punkte.
Auslandschweizer werden bei dieser SRG-Umfrage nicht berücksichtigt. Die Schweizer Regierung hat entschieden, die Koordinaten von Schweizern im Ausland aus Datenschutzgründen nicht zu übermitteln.
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