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Schweizer Vermittlungsmission zwischen USA und Kuba ist Geschichte

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Fidel Castro zusammen mit dem damaligen Schweizer Botschafter Emil Stadelhofer (1965). Keystone / Str

Mit der Wiedereröffnung der Botschaften in Washington und Havanna geht ein weiteres Kapitel des Kalten Krieges und mehr als ein halbes Jahrhundert helvetischer Vermittlung zu Ende. Welche Rolle spielte Bern zwischen diesen zwei erklärten Feinden? Und welche wird die Schweiz während der neuen Etappe der kubanischen Revolution spielen?

«Dank ihrer historischen Rolle und Erfahrung befindet sich die Schweiz in einer idealen Lage, um den gegenwärtigen Übergangsprozess in Kuba zu begleiten», betont das Schweizer Aussenministerium (EDA). Schon 1961 und dank ihrer Neutralität und Vertrauenswürdigkeit baten die USA die Schweiz, ihre Interessen in Havanna zu vertreten.

1959 anerkannten die USA in einer Rekordzeit von nur 72 Stunden die neue aus der kubanischen Revolution hervorgegangene Regierung. Doch die «Flitterwochen» dauerten nicht lange. Zwei Jahre später verliess das amerikanische Botschaftspersonal die Insel auf einer Fähre. Vor kurzem erklärte Wayne Smith, damals 3. Botschaftssekretär und später Chef der amerikanischen Interessenvertretung gegenüber der AFP, dass dies eine enorme Enttäuschung bedeutete.

Der Schweiz fiel eine dornige Aufgabe zu, vor allem während der «Raketenkrise» (1962) und Höhepunkt des Kalten Krieges. Nach der missglückten amerikanischen Invasion in der Schweinebucht installierte die Sowjetunion auf der Insel Abschussrampen für Raketen, die auf Washington zielten. «Es bestand die Gefahr eines 3. Weltkrieges, diesmal eines nuklearen Krieges», ist in der diplomatischen DokumentationExterner Link der Schweiz zu lesen.

Dieselbe Quelle hält fest, dass die Krise zwar zwischen Moskau und Washington beigelegt wurde, «die Schweizer Diplomatie jedoch eine erstrangige Rolle spielte». Das Weisse Haus bat den Schweizer Botschafter Emil Stadelhofer, bei Fidel Castro zu vermitteln. Der Botschafter musste auch die Rückführung der Leiche des amerikanischen Piloten Rudolf Andersen in die USA organisieren. Dieser wurde bei einem Überflug der Insel abgeschossen.

Die Krise von Camarioca

Die Krise von Camarioca (1965 – 1973) ist eine weitere Episode, welche die Bemühungen der Schweiz voll in Anspruch nahm: Mehr als 260’000 Kubaner verliessen die Insel mit der Zustimmung des Ursprungs- und Empfangslandes, erst auf dem Meerweg, später per Flugzeug.

Werner B.*, ein ehemaliger Schweizer Diplomat, erinnert sich im Gespräch mit swissinfo.ch: «Wir haben nie entschieden, wer ausreisen durfte und wer nicht. Wir haben Personen mit besonderen Problemen befragt oder solche, deren Alter über der Militärdienstpflicht lag. Die kubanischen Behörden stellten uns die Listen zu, und wir leiteten die Berichte an die Amerikaner weiter.»

Mehr als 260’000 Kubaner verliessen während der Krise von Camarioca ihre Heimat. Immigration (Cuban) Subject File, CG Historian’s Office

Es war eine titanische Aufgabe: «Jeden Monat reisten zwischen 3000 und 4000 Personen aus. Täglich gab es zwei ausgebuchte Flüge. Das erste Flugzeug landete zwischen 6 und 7 Uhr in Varadero. An Bord befanden sich zwei Einwanderungsbeamte sowie ein Arzt, welche die Dokumente und den Gesundheitszustand der Anwärter überprüften.»

Werner B.*, war damals 24-jährig und wurde von Bern eingestellt, um das überforderte Personal in der kubanischen Hauptstadt zu entlasten. «Täglich bekamen wir Hunderte von Anfragen von Leuten, die sich nach ihrem Ausreisegesuch erkundigten oder wissen wollten, wie man ein Gesuch stellt. Wir haben allen geantwortet, manchmal mit Standardbriefen. Das war eine enorme Arbeit.»

Später trat Werner B.*, in den diplomatischen Dienst ein und war in verschiedenen Ländern auf Posten. Doch heute, bereits pensioniert, erinnert er sich bewegt an sein letztes Jahr auf der Insel, insbesondere an die Angst und Besorgnis der Gesuchsteller, den Schmerz der Trennung (Männern im Dienstpflichtalter war die Ausreise verboten) und die Grosszügigkeit der Kubaner, die bereit waren, das Wenige, das sie hatten, zu teilen. «In Kuba habe ich wirklich begriffen, worin die ´condition humaine´ besteht.»

Ab 1991, nach dem Zusammenbruch des Ostblocks, übernahm die Schweiz anstelle der Tschechoslowakei die Vertretung der kubanischen Interessen in den USA. Doch schon 1977 hatten Jimmy Carter und Fidel Castro die Eröffnung von Abteilungen für bilaterale InteressenExterner Link vereinbart, was die Aufgabe der Schweiz erleichterte.

Ein Meilenstein der Geschichte

Am kommenden 20. Juli werden die Botschaften Kubas und der USA wieder eröffnet. Übrigens dank Schweizer Intervention verwandelte Kuba die amerikanische Botschaft nicht in sein Fischerei-Ministerium. Jetzt ist es also an der Zeit, die Schweizer Fahne einzuziehen. Laut Schweizer Parlamentariern und Unternehmern ist nun auch der Moment gekommen, den Handelsaustausches mit der Insel zu fördern.

13. Mai 1998: Fidel Castro besucht anlässlich des 50. Geburtstags der WHO Bern. Rechts im Bild der damalige Bundespräsident Flavio Cotti. Keystone

«Das erste ist eine Bankenbeziehung», betont Andreas Winkler. Im Gespräch mit swissinfo.ch meint der Präsident der Handels- und Industriekammer Schweiz-Kuba (CHAM)Externer Link, es sei erbärmlich, dass es trotz des guten Namens des Schweizer Bankensystems in Kuba keine einzige Schweizer Bank gebe.

US-Aussenminister John Kerry hat sich in einem Schreiben an Bundesrat Didier Burkhalter für die Dienste der Schweiz  bedankt. Das bestätigte der Schweizer Botschafter in Washington, Martin Dahinden, der am Montag zu einer Eröffnungsfeier in der kubanischen Vertretung in Washington eingeladen ist. Ebenfalls am Montag wird das Schild an der Schweizer Botschaft entfernt, das auf die kubanische Interessenabteilung hingewiesen hatte. Dies geschehe aber ohne Feierlichkeiten. Ein ähnliches Schutzmachtmandat hat die Schweiz für die USA im Iran. Auch zwischen Georgien und Russland ist die Schweiz der diplomatische Botengänger und Vermittler.

Wegen des Embargos?

Diese Situation sei weniger auf das Embargo zurückzuführen, sondern eher eine Überreaktion der Banken wegen der Steuerprobleme mit den USA» vermutet Winkler. Seiner Einschätzung nach ist es nicht notwendig, Niederlassungen zu eröffnen, doch zumindest Vertretungen, um Unternehmen die Abwicklung ihrer Geschäfte zu erleichtern.

Auch der freisinnige Parlamentarier und Gründer der interparlamentarischen Gruppe Schweiz-Kuba, Hans-Peter Portmann, hält einen vermehrten Handelsaustausch mit Havanna angesichts des Vertrauenskapitals der Schweiz und der menschlichen und natürlichen Ressourcen der Insel für zweckmässig. Mit dem Tauwetter seit dem vergangenen Dezember hätten bereits Wirtschaftsmissionen aus den USA, Frankreich, Italien und Spanien der Perle der Karibik Besuche abgestattet. 

Jetzt sind wir keine Terroristen mehr», meint Winkler ironisch. Der Schweizer Unternehmer betont, dass die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Kuba und seinem mächtigen Nachbarn während seiner 22 Jahre auf der Insel das «grösste Ereignis» sei. Er ist überzeugt, dass, nachdem Kuba von der Liste der Terrorismus unterstützenden Staaten gestrichen worden war (seiner Meinung nach eine nie zu rechtfertigende Massnahme) sowie der Wiederanknüpfung diplomatischer Beziehungen die Vernunft vorherrschen und das Embargo schliesslich aufgehoben werde. Dieses habe Kuba enorm geschadet.

Parlamentarische Motion

Am vergangenen 4. Mai reichte Portmann eine parlamentarische MotionExterner Link ein. Sie fordert die Intensivierung der zwischenstaatlichen Zusammenarbeit auf den Gebieten der Wirtschaft, Forschung und Ausbildung. Er schlug sogar einen bilateralen Freihandelsvertrag vor. Gegenüber swissinfo.ch sagte er, die Idee sei, «zur Verbesserung der Wirtschaftslage in Kuba beizutragen und die Abhängigkeit der Schweiz von den USA und der EU zu vermindern.»

Bern wies den Vorschlag mit dem Argument zurück, dass sich der bilaterale Handel auf lediglich 10% des schweizerischen Aussenhandels belaufe (für 2014 31,2 Mio. CHF Importe aus Kuba und 17,8 Mio. CHF Exporte nach Kuba).

Das EDA hält auch die Entwicklungsprogramme von jährlich 10 Mio. CHF für ausreichend, die technische Zusammenarbeit der Schweiz habe für Kuba Modellcharakter.

«Die Zusammenarbeit soll in den kommenden Jahren verstärkt werden. Denn so wie Wirtschaftsreformen und das Tauwetter Möglichkeiten eröffnen, werden sie auch die soziale Ungleichheit in der kubanischen Bevölkerung vertiefen.»

Vorläufig wird Botschafterin Livia Leu, Vorsteherin der Abteilung für bilaterale Wirtschaftsbeziehungen im Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco), im November als Gast an der internationalen Messe in Havanna (FIHAV) teilnehmen.

Bern sagt nicht «nein, wir wollen nicht», sondern «im Moment noch nicht». Und das stimmt, «denn im Moment kann man noch keine grossen Geschäfte machen, wohl aber Kontakte knüpfen und zukünftige Möglichkeiten ausloten. Es ist wichtig, dass sich die Schweiz schon heute positioniert», betont Portmann.

«Warum nicht?» doppelt Winkler nach: «Als wir vor 12 Jahren die Handelskammer gründeten, glaubten viele, das werde nicht gelingen, denn mit Kuba könne man keine Geschäfte machen. Doch heute haben wir 61 Mitglieder, wovon 10 an der Börse in New York sind.»

*Auf Wunsch des Gesprächspartners erwähnt die Redaktion seinen vollständigen Namen nicht.

  • 3. Januar 1961: Die USA und Kuba brechen die diplomatischen Beziehungen ab.
  • Seither und bis zum 20. Juli vertritt die Schweiz die amerikanischen Interessen in Kuba.
  • Seit 1991 und bis zum 20. Juli vertritt die Schweiz auch die diplomatischen Interessen Kubas in Washington.
  • 1977: Die USA und Kuba vereinbaren die Errichtung von Sektionen für bilaterale Interessen.
  • 17. Dezember 2014: Raúl Castro und Barack Obama kündigen die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen an.
  • 29. Mai 2015: Die USA entfernen Kuba von der Liste der Staaten, die Terrorismus unterstützen.

(Übertragung aus dem Spanischen: Regula Ochsenbein)

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