Fünf Banken zu gross, um Auslandschweizer auszuschliessen
Die Regierung muss garantieren, dass alle Auslandschweizer Zugang zu Dienstleistungen von fünf systemrelevanten Banken erhalten. Dies fordert eine Motion von Ständerat Filippo Lombardi, welche die Kantonskammer heute Dienstag angenommen hat.
«Nach jahrelangem Kampf glaube ich, dass wir endlich einen entscheidenden Schritt gemacht haben, damit unsere Landsleute im Ausland nicht länger von Schweizer Banken diskriminiert werden», sagt Filippo Lombardi, Ständerat der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) und Vizepräsident der Auslandschweizer-OrganisationExterner Link (ASO).
Innert weniger Tage konnten die Interessenvertreter der Fünften Schweiz im Parlament somit zwei wichtige Erfolge verbuchen. Letzte Woche hat der Nationalrat mit überwältigender Mehrheit eine Motion angenommen, die verlangt, dass Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer zu ähnlichen Bedingungen wie die inländische Kundschaft Zugang zu Dienstleistungen von Postfinance erhalten.
Am Dienstag nun hat der Ständerat mit 23 zu 14 Stimmen bei 6 Enthaltungen eine Motion von Filippo LombardiExterner Link angenommen, die weit darüber hinaus geht: Alle Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sollen ein Konto bei einer Bank eröffnen können, die systemrelevant ist. Das heisst, bei jenen fünf Finanzinstituten, die von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) als «too big to fail» eingestuft wurden.
Es sind dies die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse (seit 2012), die Zürcher Kantonalbank (2013), Raiffeisen (2014) und die zur Post gehörende Bank Postfinance (2015).
«Diese Banken verfügen über eine Staatsgarantie für den Fall einer Insolvenz, das bedeutet, sie würden staatliche Hilfe erhalten, wie das bei der Rettung der UBS 2008 der Fall war», sagt Lombardi. «Deshalb sollen diese Banken quasi als Gegenleistung allen Schweizerinnen und Schweizern im Ausland ermöglichen, Bankbeziehungen zu marktüblichen Bedingungen zu pflegen.»
Nachteilige Konditionen
«Das Problem begann vor einem Jahrzehnt mit der Finanzkrise und den gestiegenen Anforderungen, die Staaten an die Banken und deren Kunden stellten. Viele der Opfer dieser Regelungen waren Landsleute im Ausland, denen in der Schweiz Konten geschlossen oder extrem nachteilige Konditionen angeboten wurden», sagt Lombardi.
Unterstützung erhielt er von Parteikollege Konrad Graber. Dieser erklärte, die Motion müsse nicht zwingend zu einem neuen Gesetz führen, sondern diene dazu, die Banken zu einer Grundsatzlösung zu ermutigen.
«Die Grossbanken sind in der Lage, die Gesetze der verschiedenen Länder zu kennen und so Bankbeziehungen ohne unbekannte Risiken einzugehen», sagte Graber während der Debatte.
«Verpflichtung zur Risikobereitschaft»
Gegen die Motion argumentierte Ruedi Noser, Ständerat der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen). Zwar gebe es je nach Wohnsitzland Beschränkungen, aber keine einzige Auslandschweizerin und kein Auslandschweizer habe keinen Zugang zu Bankkonten in der Schweiz.
Es sei auch falsch zu behaupten, dass systemrelevante Banken noch immer eine Staatsgarantie besässen, so Noser. «Diese Garantie wurde aufgehoben. Heute wäre eine Rettung – wie bei der UBS – nicht mehr möglich.»
Auch Finanzminister Ueli Maurer plädierte dafür, die Motion abzulehnen: «Es ist festzuhalten, dass wir mit ‹too big to fail› von den Banken verlangt haben, ihre Risiken abzubauen. Banken haben für ihre Risiken oder ihre Fehler in der Vergangenheit sehr viel an Bussen bezahlt. (…) Die Motion will jetzt nichts anderes als eine gesetzliche Verpflichtung, dass Banken genau diese Risiken wieder eingehen.» Das sei ein grosser Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, so Maurer.
Zufriedene ASO
Für die Auslandschweizer-Organisation (ASO) sind die von National- und Ständerat angenommenen Motionen ein historischer Schritt, nachdem das Problem fast zehn Jahre lang unlösbar erschien.
Die ASO begrüsst «diese politische Einsicht», wie sie in einer Mitteilung schreibt. Vor dem Hintergrund, dass die systemrelevanten Banken bei finanziellen Problemen de facto von einer impliziten Bundesgarantie profitierten, müssten sie im Gegenzug auch dazu bewegt werden, Auslandschweizer als Kunden zu akzeptieren.
ASO-Präsident Remo Gysin betont, dass «Banken weltweit auf der Suche nach Kunden sind und gleichzeitig unseren Landsleuten im Ausland das Leben schwer machen. Ein Geschäftsmodell, das die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ausgrenzt, ist diskriminierend, diskreditiert den Finanzplatz und schadet der Schweiz».
Standards für alle Kunden
Für Thomas Matter, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und Präsident der Neuen Helvetischen Bank, sind die Argumente der Regierung und die Strategie der meisten Finanzinstitute gegenüber Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern nur teilweise anwendbar. Seine auf Vermögensverwaltung spezialisierte Bank hat ihre Dienstleistungen vor drei Jahren für im Ausland lebende Schweizerinnen und Schweizer geöffnet.
«In einigen Ländern können zusätzliche Verwaltungskosten für die Begutachtungsverfahren gerechtfertigt sein, aber nicht alle Schweizer Bürger im Ausland dürfen bestraft werden», so Matter. «Wir müssen heute bei allen Kunden – ob Ausländer, Auslandschweizer oder in der Schweiz lebenden Personen – die Herkunft des Geldes und die Einhaltung der Anti-Geldwäschebestimmungen überprüfen.»
Matter hat zwar die Motion betreffend Postfinance im Nationalrat angenommen, will aber die Motion Lombardi ablehnen, wenn die dereinst in die Volkskammer kommt. «Bei Postfinance handelt es sich um ein Staatsunternehmen. Zu seinen Aufgaben gehört es, einen Service Public anzubieten, der auch Schweizerinnen und Schweizern im Ausland zugänglich ist», argumentiert er.
Wichtige Forderung
Diese Sichtweise teilt Tim Guldimann, Nationalrat der Sozialdemokratischen Partei (SP), nur bedingt. Dieser hatte die im Nationalrat angenommene Postfinance-Motion eingereicht. «Für Postfinance konnten wir auf die Tatsache setzen, dass dieses Unternehmen verpflichtet ist, eine Grundversorgung anzubieten, zum Beispiel im Zahlungsverkehr. Bei den systemrelevanten Banken kann man möglicherweise Einwände dagegen erheben, dass der Staat den Privatunternehmen Richtlinien auferlegen würde, ohne notwendigerweise die Kosten dafür zu tragen.»
Es sei egal, dass beide Motionen in die gleiche Richtung gingen, Hauptsache sei, «dass wir das Ziel erreichen können, Schweizerinnen und Schweizern im Ausland Bankdienstleistungen anzubieten», so der ehemalige Botschafter.
«Für viele Mitglieder der Fünften Schweiz ist der Zugang zu diesen Dienstleistungen ein lebenswichtiges Bedürfnis. Einige von ihnen hatten von einem Tag auf den anderen keine Bank mehr. Andere leben in Ländern wie Singapur, wo sie nicht einmal berechtigt sind, Konten bei lokalen Banken zu eröffnen.»
(Übertragung aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)
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