«Flüge in der Schweiz besteuern? Eine Absurdität!»
In der Schweiz wie auch in anderen Ländern wird diskutiert, wie die Klimaauswirkungen der Zivilluftfahrt am besten reduziert werden können. Aber wie viel Treibstoff verbraucht ein Flugzeug und wie entwickelt sich der Sektor in Bezug auf die Emissionen? Die Überlegungen eines Experten.
Die Schweizer und Schweizerinnen lieben es zu fliegen – mehr als ihre europäischen Nachbarn. Im Durchschnitt fliegen sie 9000 km pro Jahr, so die neuesten verfügbaren Zahlen von 2015Externer Link. Das Flugzeug befindet sich jedoch in heftigen Turbulenzen. Ob Umweltorganisationen oder junge Klima-Streikende: Immer mehr Stimmen fordern strengere Vorschriften für den Luftverkehr, der rund 2,5 % der weltweiten Emissionen ausmacht.
Im Schweizer Parlament fordern grüne und linke Parteien die Einführung einer Klimasteuer auf Flugtickets, wie sie in mehreren europäischen Ländern wie Italien, Frankreich, Deutschland und Grossbritannien üblich ist. Der Vorschlag wurde im Dezember vom Nationalrat (grosse Parlamentskammer) abgelehnt, und wird nun vom Ständerat (kleine Parlamentskammer) im Rahmen der Revision des CO2-Gesetzes diskutiert.
Aber was sind die tatsächlichen Auswirkungen des Luftverkehrs, und was unternimmt der Sektor, um seine Emissionen zu reduzieren? Wir sprechen darüber mit Hansjörg Bürgi, Chefredakteur des Luftfahrtmagazins Skynews.chExterner Link, der als einer der führenden Luftfahrtspezialisten der Schweiz gilt.
swissinfo.ch: Wie viel Treibstoff verbraucht ein Flugzeug im Durchschnitt?
Hansjörg Bürgi: Der Verbrauch pro Passagier und pro 100 km liegt gemäss neusten ZahlenExterner Link im Durchschnitt bei 3,6 Litern Kerosin. Diese Zahl ist vergleichbar mit der eines Autos. In dreissig Jahren hat sich der durchschnittliche Verbrauch in der Zivilluftfahrt fast halbiert.
Was sind die Gründe für diese Senkung?
Der Rückgang ist im Wesentlichen auf die technologische Entwicklung zurückzuführen. Neue, leichtere Flugzeuge mit besserer Aerodynamik und effizienteren Triebwerken sind auf den Markt gekommen. Etwa 30% der Kosten einer Fluggesellschaft werden durch Treibstoff verursacht. Daher besteht ein grosses Interesse an der Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs.
«Das Luftverkehrsproblem muss weltweit angegangen werden, und genau das tut die Branche.
Wie kann der Kerosinverbrauch weiter reduziert werden?
Derzeit wird viel an Hybridsystemen gearbeitet, insbesondere für kleinere Flugzeuge mit bis zu 50 Sitzplätzen. Die Idee ist, Kerosin für Start und Landung und elektrischen Antrieb während des Fluges zu verwenden.
Werden wir eines Tages mit Elektroflugzeugen fliegen, wie der Schweizer Bertrand Piccard mit Solar Impulse?
Elektrische Flugzeuge sind bereits Realität. In der Schweiz werden sie für Trainingsflüge eingesetzt. Bis es auch kommerzielle Flüge gibt, dauert es noch einige Jahre. Es wurden viele technologische Fortschritte erzielt, aber was die Zertifizierung und Lizenzierung betrifft, ist der Prozess länger und komplexer.
In der Schweiz wird die Möglichkeit der Besteuerung von Flügen diskutiert. Eine gute Idee?
Nein. Das ist absurd. Jede nationale Initiative oder Lösung macht keinen Sinn. Das Luftverkehrsproblem muss weltweit angegangen werden, und genau das tut die Branche.
Wie denn?
Der Luftverkehr ist der einzige Industriesektor, der sich weltweit zu einem Emissionsminderungssystem verpflichtet hat. 90% der Fluggesellschaften beteiligen sich am internationalen CORSIA-System der Vereinten NationenExterner Link, das den CO2-Ausstoss ausgleicht. Es ist sozusagen eine Art Kyoto-Protokoll für den Luftverkehr.
Schweizer und Schweizerinnen befürworten eine Flugsteuer
Umweltorganisationen sind der Ansicht, dass die Einführung einer Steuer auf Flugtickets ein notwendiger Schritt ist, um dem Pariser Klima-Abkommen nachzukommenExterner Link. Eine Idee, die auch in der Schweizer Bevölkerung Anklang findet: In einer Ende 2018 veröffentlichten Umfrage sprachen sich fast 70% der Befragten für eine Steuer von 12 bis 50 Franken auf ein Flugticket aus.
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«Es ist ein Gebot der Vernunft, eine CO2-Steuer einzuführen»
(Übertragung aus dem Italienischen: Sibilla Bondolfi)
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