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Forderung nach Minimallöhnen im Aufwind

Tieflohnbranche par Excellence: Mitarbeiterin einer Reinigungsfirma. Keystone

Die Schweiz kennt im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern keinen garantierten Minimallohn. Westschweizer Gewerkschaften wollen die Forderung 2010 schweizweit aufs Tapet zu bringen, mit einer Volksinitiative.

Zwei Drittel des Schweizerischen Medianlohnes von 5823 Franken, verlangt der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB). 3600 Franken mal 13 die Gewerkschaft Unia. Die Sozialdemokratische Partei (SP) setzt das untere Limit bei 3500 Franken.

Für die Linke ist der Augenblick gekommen, in der Schweizerischen Verfassung einen gesetzlichen Minimallohn festzuschreiben. Damit würde die Schweiz zum Kreis der rund 20 Länder in Europa gehören, welche die Löhne gegen unten limitiert haben. So etwa Frankreich und Grossbritannien.

In der Schweiz werden die Löhne wie in Deutschland von den Sozialpartnern branchenweise ausgehandelt und in so genannten Gesamtarbeitsverträgen (GAV) oder Landesmantelverträgen. Minimallöhne sind darin aber nicht festgehalten. Das hat zur Folge, dass nur rund ein Drittel aller Arbeitnehmenden von einem vertraglich verankerten Mindestlohn abgedeckt sind.

Auf 400’000 beziffern die Gewerkschaften die Zahl der Menschen, die weniger als 3500 im Monat verdienen, 13. Monatslohn inklusive. Für sie würde ein verfassungsmässig festgehaltener Mindestlohn «eine Garantie gegen unten» bedeuten, sagt SGB-Sprecher Ewald Ackermann.

Kantonale Initiativen

In der Westschweiz haben Gewerkschaften und SP in mehreren Kantonen genügend Unterschriften gesammelt, um Initiativen zur Einführung von Mindestlöhnen an die Urne zu bringen. Ein kantonales Begehren ist auch im Tessin zustande gekommen.

Ermutigt von diesen Resultaten, wollen Gewerkschaften und die Linke 2010 eine eidgenössische Volksinitiative für Mindestlöhne lancieren. Die Chancen stünden auch in der Deutschschweiz gut, auch wenn diese traditionell auf die Sozialpartnerschaft setze, sagt Ewald Ackermann.

Alte Forderung

Die Mindestlohn-Forderung ist alles andere als neu. Bereits in den 1950er-Jahren hatten die Sozialdemokraten die Idee aufs politische Parkett gebracht. Aus rechtlichen Gründen wurde das Ansinnen damals aber bachab geschickt.

Der anvisierte Mindestlohn von zwei Franken pro Stunde widerspreche der Wirtschafts- und Gewerbefreiheit, lautete der Entscheid des Bundesgerichts.


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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Lohn-Erosion befürchtet

Lange Zeit waren selbst die Gewerkschaften skeptisch. Minimallöhne würden zu einer Nivellierung der Gehälter gegen unten führen, so ihre Befürchtung.

Die Konturen der Volksinitiative sind noch unscharf, wichtige Fragen noch offen: Soll die Forderung nach Minimallöhnen nur für Branchen ohne Gesamtarbeitsvertrag gelten? Nach welcher Methode wird der Minimallohn berechnet? Dient als Grundlage die Teuerung?

Fragen, auf die Jean-Marc Falter vom Institut für Beschäftigung an der Universität Genf auch keine klaren Antworten hat. Der Mindestlohn sei ein Umverteilungs-Instrument unter anderen, betont er.

Damit könne der Anteil der so genannten Working Poor nicht zwingenderweise erhöht werden. Einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern, die monatlich 4000 Franken verdiene, helfe ein Mindesteinkommen nichts. «Sie verdient zwar knapp mehr als das Mindestgehalt, bleibt aber dennoch unterhalb der Armutsschwelle», betont Falter.

Beide Enden verknüpfen

Ein Blick auf die Länder mit Mindestlöhnen zeigt kein einheitliches Bild. In Frankreich sind die Arbeitskosten in Tieflohnbranchen gestiegen, wie Studien zeigen. Dies auch aufgrund gewachsener Sozialabgaben für die Angestellten. In einem solchen Umfeld haben Mindestlöhne eher negative Auswirkungen auf die Beschäftigung.

In England dagegen beobachtete Arbeitsmarkt-Experte Jean-Marc Falter, dass die Einführung von Mindestlöhnen in den letzten zehn Jahren zu einem starken Anstieg der Einkommen geführt hat. Negative Auswirkungen hätten sich keine gezeigt.

«Die Auswirkungen des Mindestlohns hängen von der Struktur des Arbeitsmarktes ab. Empirische Antworten auf die Frage, wo sich die Schweiz diesbezüglich befindet, sind ohne entsprechende Studie sehr schwierig», räumt Falter ein.

Lohnschere geht immer weiter auf

Gewissheit herrsche aber darüber, dass heute für viele Menschen in der Schweiz eine Vollstelle nicht mehr ausreiche, um die Lebenskosten zu decken.

«Für Menschen mit tiefem Bildungsniveau, die in Niedriglohnbranchen arbeiten, ist die Einkommens-Erosion eine Realität.» Die Krise sollte dem Begehren Rückenwind verleihen, dass mindestens 100’000 Schweizerinnen und Schweizer die Initiative unterschreiben werden.

Carole Wälti, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

2008 verdienten 138’900 Menschen oder 5,4% der Arbeitskräfte weniger als 3500 Franken brutto im Monat.

2006 hatte deren Anteil noch 6,2% betragen, wie die jüngste Lohnerhebung des Bundesamtes für Statistik zeigte.

Demnach verdienten aber 12,4% monatlich weniger als 4000 Franken.

2008 lag der Medianlohn bei 5823 Franken pro Monat. Der Medianlohn besagt, dass die eine Hälfte der Arbeitenden mehr als 5823 Franken verdient, die andere Hälfte weniger.

Tieflohnbranchen sind vor allem Hotellerie und Restauration, Detailhandel sowie die Landwirtschaft.

Betroffen sind besonders Frauen, Junge und Menschen mit tiefem Ausbildungsniveau.

Rund die Hälfte der Arbeitenden in der Schweiz unterstehen Gesamtarbeitsverträgen (GAV).

In anderen europäischen Ländern beträgt der Anteil zwischen 70% und 90%.

2007 unterstanden nur knapp ein Drittel aller Arbeitenden in der Schweiz einem GAV, der einen Mindestlohn festschrieb.

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