Postfinance wird nicht zur Bank für Auslandschweizer
Der Ständerat hat eine Motion abgelehnt, die von der Landesregierung verlangte, dafür zu sorgen, dass die Auslandschweizer Zugang zu den Dienstleistungen der von der Schweizerischen Post kontrollierten Bank erhält. Die Auslandschweizer-Organisation ist enttäuscht, aber entschlossen, ihren Kampf gegen die Diskriminierung der Fünften Schweiz fortzusetzen.
Zwar hiess der Nationalrat (grosse Parlamentskammer) die Motion «Postfinance auch für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer»Externer Link im letzten September mit überwältigender Mehrheit gut, doch weil am Mittwoch die Kantonskammer (Ständerat) diese ablehnte, ist das Thema vorerst vom Tisch. Der Text wurde mit 30 gegen 9 Stimmen bei 4 Stimmenthaltungen abgelehnt.
Die Motion hatte gefordert, dass Auslandschweizerinnen und -schweizer zu ähnlichen Konditionen wie in der Schweiz Zugang zu den Dienstleistungen von Postfinance haben, einschliesslich des Kreditkarten-Angebots.
Aufgrund der in den letzten zehn Jahren verabschiedeten internationalen Vorschriften zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung haben die Schweizer Banken auch im Verhältnis zu ihren Kunden im Ausland strenge Vorschriften erlassen. Von diesen Regelungen sind auch zahlreiche Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer betroffen, denen ihre Konten in der Schweiz geschlossen wurden oder die von ihren Banken extrem kostspielige Bedingungen angeboten erhielten.
Bankkonto unerlässlich
«Für viele im Ausland lebende Landsleute ist die Führung eines Bankkontos oft notwendig, wenn nicht sogar unerlässlich», sagte der sozialdemokratische Ständerat Didier Berberat, als er die von der Aussenpolitischen Kommission gutgeheissene Motion im Rat präsentierte.
«Manchmal wird dies von Krankenkassen oder Pensionskassen verlangt, ganz zu schweigen von jenen, die in unserem Land ein Haus besitzen und für die laufenden Kosten dieser Immobilie ein Schweizer Konto benötigen.»
Eine Bankverbindung sei besonders für die immer grössere Anzahl Personen wichtig, die das Land nur für kurze Zeit verlassen würden, sei dies aus beruflichen Gründen oder für ein Studium, sagte Berberat. «Die gegenwärtige Gesetzgebung erlaubt es ihnen nicht, mit Sicherheit eine Bankbeziehung mit ihrem Herkunftsland fortzusetzen oder Kreditkarten zu verwenden.»
«Die Mehrheit unserer Kommission ist der Meinung, dass Postfinance eine besondere Verantwortung gegenüber den Auslandschweizern hat, namentlich gegenüber den Mobilsten», so der Sozialdemokrat. «Die Post als Aktionärin von Postfinance gehört der Eidgenossenschaft. Es wäre daher notwendig und wünschenswert, dass sie sich besonders für die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer einsetzt, die für ihre Bankbeziehungen überzogene und ungerechtfertigte Kosten zu tragen haben.»
Zu hohe Risiken
Diese Argumente konnten allerdings eine Mehrheit des Ständerats nicht überzeugen. Für den freisinnig-liberalen Ständerat Ruedi Noser würde diese Forderung Postfinance dazu nötigen, die Gesetzgebund zahlreicher Länder zu missachten. «In diesem Fall wäre die Eidgenossenschaft aber auch verpflichtet, die Verantwortung zu übernehmen und die Kosten zu tragen. Und diese Kosten würden von den Einwohnern der Schweiz getragen.»
Dieser Meinung waren auch Parteikollege Martin Schmid und der Christdemokrat Erich Ettlin. In ihren Augen wäre die Motion nicht einmal durchführbar, weil sie Postfinance dazu verpflichten würde, in allen anderen Ländern tätig zu sein und Banklizenzen zu erwerben.
Und dies sogar in Ländern wie dem Iran, wo die Aktivitäten ausländischer Unternehmen amerikanischen Sanktionen unterliegen. Die Aktivitäten von Postfinance im Ausland würden unweigerlich den Kunden in der Schweiz zum Nachteil gereichen, die damit sogar im Vergleich zu ihren Landsleuten im Ausland benachteiligt wären.
Bundesrätin Doris Leuthard erinnerte daran, die Schweizer Behörden hätten dem Bankensektor nach dem Steuerstreit mit den USA und den Vergeltungsmassnahmen Washingtons gegen mehrere Schweizer Banken auferlegt, sich keinen neuen Risiken mehr auszusetzen.
«Wenn eine Privatbank, eine Kantonalbank oder eine Raiffeisenbank zum Schluss kommt, dass in einem Land ein Reputations- oder Rechtsrisiko besteht, können wir nicht erwarten, dass Postfinance dieses Loch stopft und diese Risiken trägt.»
Enttäuschung der ASO
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Wo wohnen die meisten Auslandschweizer und -schweizerinnen?
Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) ist enttäuscht. «Es ist frustrierend, weil die Auslandschweizer in den letzten zehn Jahren eine Reihe von Schwierigkeiten hatten, ihre Bankbeziehungen zu vernünftigen Bedingungen aufrechtzuerhalten. Und leider hat das Parlament noch keine Lösung gefunden», sagt Ariane Rustichelli, Direktorin der ASO. «Einerseits bekräftigt die Regierung regelmässig die Bedeutung der Mobilität für die Schweiz. Andererseits gibt es immer noch sehr hohe Barrieren für diese Mobilität, wie im Fall der Bankbeziehungen.»
Der vor einigen Jahren von der ASO begonnene Kampf hat trotzdem Früchte getragen. «Wir konnten ein Abkommen mit der Kantonalbank von Genf abschliessen, die sich verpflichtet, fast alle ihre Dienstleistungen im Ausland zu ähnlichen Bedingungen wie in der Schweiz anzubieten. Und wir gehen davon aus, gleichwertige Verträge mit anderen Banken abschliessen zu können. Darüber hinaus ist es uns erstmals gelungen, einen Dialog mit den fünf systemrelevanten Banken aufzunehmen. Sie haben sich bereit erklärt, uns über die Bedingungen für Auslandschweizer zu informieren, die wir auf unserer Website veröffentlicht haben», erklärt Ariane Rustichelli.
(Übertragung ins Deutsche: Christian Raaflaub und Peter Siegenthaler)
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