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Geheimes Treffen der Reichsbürger:innen in Basel

Fantasieflagge des Königreichs Deutschland
Die Flagge der Parallelstruktur. In Deutschland sind die Reichbürger:innen auf dem Radar des Verfassungsschutzes, die Schweizer Angehörigen dagegen sind noch weitgehend unbehelligt. Keystone / Jan Woitas

Das "Königreich Deutschland" will mithilfe von Schweizer:innen sein alternatives Finanzsystem ausbauen. Die Staatsverweigerer und Staatsverweigerinnen übten kürzlich ihren Auftakt mitten in Basel.

Ein stürmischer Sonntag, Anfang November. In einer prächtigen Villa mitten in Basel treffen sich rund 50 Personen zu einem konspirativen Treffen. Den genauen Ort haben sie erst kurz vor der Veranstaltung erfahren, nachdem sie die Anmeldegebühr bezahlt hatten.

Drei Redner aus dem sogenannten «Königreich Deutschland», sie kürzen sich KRZ ab, sind angereist. Es ist die Auftaktveranstaltung zum Ausbau des Pseudostaates in der Schweiz.

In den Augen der Reichsbürger:innen ist das globale Finanzsystem die Ursache aller Probleme und dient dazu, die Menschen zu kontrollieren. Dies hat sich in den Augen der Staatsverweigerer und Staatsverweigerinnen vor allem während der Corona-Pandemie nochmals verdeutlicht.

«Früher wollte man bis ins Wohnzimmer reinregieren, heute will man bis unter die Haut reinregieren», beklagte sich einer der Redner vom KRD – eine Anspielung auf die Covid-Massnahmen.

Selbstverständnis als «überlegene Rasse»

Um sich der vermeintlichen Kontrolle des Finanzsystems zu entziehen, hat sich das KRD kurzerhand eine eigene Währung geschaffen. Diese will man nun auch in der Schweiz etablieren – was kein Zufall ist. Denn in den Augen der Reichsbürger:innen stehen die germanischen Völker über den anderen – eine Aussage, die ihr völkisches-nationalistisches Weltbild widerspiegelt.

So sagt einer der Hauptredner: «Die germanischen Völker haben eine ganz bestimmte Berufung. Und die liegt darin begründet, dass wir die höchste Anbindung zum Schöpfer in uns tragen, von allen Völkern auf dieser Erde.»

Die Anhänger des «Königreichs» weigern sich oft, Steuern und Abgaben zu bezahlen. Sie sprechen dem Staat die Existenzberechtigung ab.

Schweizer Vermögen abschöpfen

Nun greift die Bewegung auf die Schweiz über. Hier will sich das «Königreich» ausbreiten und Geld eintreiben: mit einer eigenen Krankenkasse, einer Rentenversicherung und sogar einer Bank. Auch Seminare für die Betriebsgründung im «Königreich Deutschland» werden in Basel angeboten.

Die Mitglieder des Fantasiestaates wollen nichts weniger als den Umsturz des Finanzsystems. Der wichtigste Teil der Lösung: eine eigene Währung, die «Neue Deutsche Mark».

In der Schweiz ist die Anzahl sogenannter Staatsverweigerer und Staatsverweigerinnen seit der Corona-Pandemie explodiert. Von Szenenkennern wird deren Anzahl auf 10’000 Personen geschätzt. Staatsverweigerer und Staatsverweigerinnen lehnen Gesetze ab, bezahlen Steuern nicht und verwehren sich gegen Bussen.

Auch am Event in Basel brüsteten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer damit, dass sie keine Steuern zahlen und sich Beamten widersetzen würden. Corona war ein vereinendes Thema.

Verschiedene Schweizer Redner nahmen am Auftaktevent anfangs November Bezug auf die Pandemie – beispielsweise störten sie sich an der Impfung oder der Maskenpflicht. Ein Redner sagte: «Da machte es bei mir Klick. Ich verstand, wer David und wer Goliath ist. Und heute verstehe ich, dass das auch am Geldsystem liegt.» In der Schweiz unternehmen Behörden öffentlich bisher kaum etwas gegen diese Szene.

Damit kann man zum Beispiel auf dem Webshop des Pseudostaates einkaufen. Dort handelt die Szene mit selbst gestrickten Socken, Heiltinkturen und sogar Pferden.

Laut dem Extremismus-Experten Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention an der Zürcher Fachhochschule für angewandte Wissenschaften, geht es dem «Königreich Deutschland» vor allem um eines: ums Geldverdienen. «Es gibt hier Vermögen, die man abschöpfen kann. Es ist aus meiner Sicht eine Art Betrugsmasche.»

«Monopoly-Geld»

Betrüger würden immer neue Märkte suchen, und deshalb kämen sie jetzt in die Schweiz. Er warnt davor, in diese Kassen einzuzahlen: «Letztendlich heisst es, dass man sein Geld in Monopoly-Geld investiert.»

Wer einmal «Neue Deutsche Mark» gewechselt hat, bekommt sie nicht mehr zurück. Mehrere Personen registrierten sich in Basel für das KRD – und eröffneten damit gleichzeitig ein Bankkonto. Bezahlt wurde vor Ort in Euro und Schweizer Franken. Verdeckte Aufnahmen vom Event zeigen dies.

Recherchen zeigen auch: Etliche Schweizerinnen und Schweizer haben bereits Bankkonten bei der «königlichen Bank». Am Anlass in Basel werden die Pläne des KRD erläutert: Unter anderem sind mehrere «Umtauschstellen» in der Schweiz angedacht, wo Bargeld in die «königliche» Währung umgetauscht werden kann.

Illegal

Für solche Geschäfte ist eine Bewilligung Pflicht. Diese besitzt die Bewegung weder in der Schweiz noch in Deutschland, wo sie ihren Sitz hat. Dort hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Anfang des Jahres mehrere Dienstleistungen des KRD untersagt und auch Räumlichkeiten versiegelt.

Mehrere Personen aus der Schweiz melden sich bei der Veranstaltung zu Wort. Sie berichten von ihren Unternehmen, die sie von der Schweiz aus betreiben – im System der KRD. Ein Redner aus der Schweizer Szene erklärte vor dem Publikum, wie er sich von seinen Bürgerpflichten befreien will: «Im 2024 will ich keine Steuern mehr bezahlen. Aus dem Grund, dass ich diese Systemstrukturen nicht mehr finanzieren möchte,» sagte er.

«Ich will keine Krankenkasse mehr bezahlen. Ich möchte eine Lösung schaffen für alle Schweizer, Eidgenossen, einfach für alle in diesem Land, weil nur so kommt ein System an ein Ende, wenn es nicht mehr gefüttert wird.»

Die Freie Musikschule Basel, welche die Räumlichkeiten an die Reichsbürger:innen vermietet hat, distanziert sich auf Anfrage entschieden vom Gedankengut. Man habe nicht gewusst, dass es sich um eine Veranstaltung von Reichsbürger:innen handelte.

Vom «Königreich Deutschland» gab es bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme.

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