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Die verzettelte Entwicklungszusammenarbeit der Schweiz

Die Schweiz ist auch in Laos tätig. Ziel der Entwicklungszusammenarbeit in der Region Mekong ist die Bekämpfung der Armut und die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung. Keystone

Der Bund will für die Entwicklungszusammenarbeit von 2017 bis 2020 rund 11 Milliarden Franken aufwenden. Die Schweiz hält an diesem Ansatz fest, obwohl die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in der Vergangenheit kritisierte, dass sie zu wenig fokussiert tätig sei.

Die bilaterale Hilfe der Schweiz stieg von einer Milliarde Franken im Jahr 2000 auf 2,6 Milliarden Franken im letzten Jahr. Hinzu kam die multilaterale Hilfe – etwa die Unterstützung verschiedener UNO-Organisationen, der Weltbank oder internationaler Entwicklungsfonds. Sie nahm von 450 auf 775 Millionen zu. Total gab die Schweiz 2015 3,4 Milliarden Franken für die Entwicklungszusammenarbeit aus.

Deza

In den letzten Jahren betrugen die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit 0,5 Prozent des Bruttonational-Einkommens der Schweiz. Gemäss UNO sollten es sogar 0,7 Prozent sein.

Doch für Angus Deaton, Wirtschafts-Nobelpreisträger von 2015, sind solche Vorgaben problematisch. Sie führten dazu, dass Geberländer ihr Geld um jeden Preis ausgeben müssten – auf die Gefahr hin, Empfänger-Ländern mehr zu schaden als zu nützen.

«Das grosse Problem ist, dass Hilfe in manchen Ländern die Rechenschaftspflicht der Regierungen gegenüber ihren Bürgern untergräbt. Die gegenseitige Verantwortlichkeit ist gestört. Wenn viel Geld von aussen kommt, muss die Regierung die Bedürfnisse der Bürger nicht mehr erfüllen», sagt Deaton.

Hilfe für die halbe Welt

Von weltweit 193 Ländern unterstützt die Schweiz 105. Zwar sagt die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), sie fokussiere ihre Arbeit auf 20 Schwerpunkt-Länder und -Regionen. Bei näherer Betrachtung sind das insgesamt 43 Länder.

Obwohl diese fast die Hälfte aller geförderten Länder ausmachen, fliessen dorthin weniger als 30 Prozent der bilateralen Hilfszahlungen. Der finanzielle Fokus liegt also nicht auf den Schwerpunktländern.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris hat in ihrem letzten Länderbericht die Schweiz kritisiert, dass sie zu wenig fokussiert sei. Dennoch hält diese auch in der nun vorliegenden «Botschaft zur internationalen Zusammenarbeit 2017 – 2020» am bisherigen breiten Ansatz fest.

Karen Jorgensen leitet die OECD-Abteilung, welche die Wirkung der Entwicklungszusammenarbeit der Länder untersucht. Zwar lobt sie die Schweizer Entwicklungszusammenarbeit im Interview mit der Sendung «ECO» des Schweizer Fernsehens SRF.

Doch sie sagt klar: «Wir wissen aus Erfahrung, dass Fokussierung zu besseren und stärkeren Resultaten führt. Der Einfluss ist grösser, die Transaktionskosten kleiner, und Partnerschaften ergeben sich leichter mit grossen, fokussierten Projekten.»

Das bedeute nicht, dass kleinere, zielgerichtete Interventionen nicht ebenfalls gute Entwicklungsresultate hervorbrächten. «Doch wir denken, dass es an der Zeit wäre, die Arbeit in einer grösseren Dimension umzusetzen.»

Aussenminister Burkhalter sieht Entwicklungszusammenarbeit als Teil der Aussenpolitik

Wie äussert sich der zuständige Bundesrat zu dieser Kritik? SRF-Türkei-Korrespondentin Ruth Bossart hat Didier Burkhalter für «ECO» in Istanbul getroffen. Burkhalter steht dem Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) vor und verantwortet damit auch die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza).

SRF: Verzettelt man sich nicht, wenn man an zu vielen Orten aktiv ist?

Didier Burkhalter: Die Universalität der Schweizer Aussenpolitik ist wichtiger für die Schweiz. Es ist wichtig, Kontakte mit den Ländern zu haben. Wenn Sie aber nur von Entwicklungszusammenarbeit sprechen: Dort haben wir eine klare Priorität. In den nächsten vier Jahren konzentrieren wir uns vor allem auf die Regionen Mittlerer Osten und Afrika. Und auf die fragilen Staaten der Welt.

SRF: Es sind aber rund 40 Schwerpunktländer.

D.B.: Ja. Manchmal sind es Regionen, zum Beispiel das Horn von Afrika oder die Seenregion, an die Ruanda, Burundi und Kongo grenzen. Und diese Regionen sind wichtiger; es geht nicht nur um Länder. Aber ja, es sind ziemlich viele. Hin und wieder heisst es, es seien zu viele. Diese Kritik kommt auch von internationalen Organisationen.

SRF: Genau, die OECD etwa hat die Schweiz kritisiert.

D.B.: Und jedes Mal habe ich das dort diskutiert. Ich habe ganz klar gesagt: Für die Schweiz ist es wichtig, dass wir diese Kontakte haben. Und das haben sie verstanden.

SRF: Aber ist dann die Entwicklungshilfe ein Vehikel, um die Schweiz in der Welt gut darzustellen? Und nicht in erster Linie, um zu helfen?

D.B.: Die ganze Aussenpolitik steht im Dienst der Schweiz. Wenn wir helfen, sind die Rechte dabei genau dieselben wie die Interessen. Das ist das Schöne in der Schweiz: Wenn wir gegen Armut arbeiten, knüpfen wir gleichzeitig Beziehungen mit Ländern. Und das ist gut für die Schweiz.

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