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Genfersee: Streit um Seezugang wirft hohe Wellen

Der 2 km lange Spazierweg am See würde entlang zahlreicher Genfer Luxusvillen und -Apartments führen. photos vaud

Die Bewohner der Genfersee-Gemeinde La Tour-de-Peilz stimmen Ende November über einen kontroversen Seezugangs-Plan ab: Es geht um einen Fussgängerweg direkt am Seeufer - vor den Luxusvillen.

In La Tour-de-Peilz spielt sich nur eine der zahlreichen Seezugangs-Kontroversen in der Schweiz ab. Schätzungsweise die Hälfte des Seeanstosses in Zürich, Genf und Konstanz (Bodensee) sind für Fussgänger zugänglich.

Am schönen Ufer der Schweizer Riviera zwischen Vevey und Montreux kommt es Ende November zu einer besonders intensiven Auseinandersetzung: Dann werden die rund 10’500 Bewohner per Stimmzettel entscheiden, ob der Seeanstoss auf ihrer Gemeinde öffentlich zugänglich wird oder nicht.

Vor zwei Jahren, im November 2008, war das Vorhaben lanciert und von 2174 Bewohnern unterschrieben worden. Zwischen Villeneuve und Vevey sollte ein 2 km langer Fusswege entlang dem Wasser entstehen.

Auch in La Tour-de-Peilz steht die SP hinter der Initiative. Laut ihrem Vertreter Gilbert Vernez geht es dabei einfach um einen Konflikt zwischen öffentlichen und privaten Interessen.

«Ich habe mich entschieden, und setze mich für das öffentliche Interesse ein», sagte er diesen Frühsommer an einer Gemeindeversammlung.

Doch 28 Villenbesitzer und Bewohner waren ob dem Vorhaben entsetzt und haben eine Protestgruppe mit dem Namen «Sauvons nos rives» gebildet («Lasst uns unsere Ufer retten»).

Besitzerrechte

Sie behaupten, dass Fussgängerwege durch ihr Land gegen die Schweizerischen Besitzrechte verstosse.

«Im Bodenbesitz steckt lebenslanges Sparen und eine wohl verdiente Altersrente», sagt Isabelle Rinsoz, die ihr Heim am Seeufer von ihrem Grossvater geerbt hat.

«Sollte die Initiative Erfolg haben, würden einige Grundbesitzer enteignet», so Brigitte Fahrni Chiusano, Rechtsanwältin und Gemeinderätin, «diese müssten dann entsprechend entschädigt werden.»

Die Initiativ-Gegner argumentieren auch, dass ein betonierter Fusspfad Fische, Vögel und andere Tiere, die am Ufer leben, gefährden würde. «Es ist unsere Pflicht, dieses ästhetische Ufer-Erbe mit seiner Ruhe zu schützen und nicht zuzulassen, dass man es mit neuen Zäunen und Mauern ruiniert», sagt Rinsoz.

Schliesslich käme der Fussweg mit geschätzten Kosten von 3,6 Mio. Franken, die zur Hälfte vom Kanton Waadt getragen würden, zu teuer. Auch würden wohl die Entschädigungssummen noch steigen.

Schlüssel-Abstimmung

Der Entscheid Ende November in La Tour-de-Peilz sei «äusserst wichtig», sagt Victor von Wartburg, Präsident und Gründer des Vereins Rives Publiques.

«Es handelt sich um einen sehr wichtigen Test auf Gemeindeebene. Verläuft er positiv, dürfte uns dies in unserer Absicht stützen, den Kanton Waadt zu zwingen, generell Fussgänger-Uferwege zuzulassen», sagt von Wartberg gegenüber swissinfo.ch

Im Jahr 2000 hatte der Kanton einen Plan angenommen, welcher der Öffentlichkeit das Ufer des Sees ganz allgemein zugänglich machen sollte. Doch ein Jahrzehnt später zeigt sich, dass weniger als ein Kilometer Uferweg gebaut worden ist.

«Rives Publiques» gibt zu bedenken, dass in der Schweiz See- und Flussufer seit über einem Jahrhundert als öffentlich zugängliches Gebiet gelten.

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«Alles für die Reichen»

«Wenn es darum geht, die illegale Privatisierung der Ufer einzudämmen, unternehmen die Behörden nichts für die Öffentlichkeit, aber alles für die Reichen», sagt von Warburg.

«Alle möglichen Entschuldigungen wie Naturschutz, Sicherheit und Lärmbelästigung dienen dazu, die Öffentlichkeit vom Seeufer abzuhalten.»

Und die Behörden würden das komplexe Regelwerk des Gesetzes kaum je anwenden, wenn es darum gehe, Land zurück zu erhalten, das von privaten Landbesitzern «enteignet» worden sei.

Anders sieht dies das Bundesamt für Raumplanung. Es liess 2008 verlauten, dass Schweizer Bürger kein Anrecht auf freien Zugang zu See- und Flussufern hätten.

Laut Juristen des Bundes sage die Bundesgesetzgebung nur, dass Zugang zu Ufern möglich sein soll, aber nicht, dass er garantiert würde.

Trotzdem bleibt von Wartburg überzeugt, hieb- und stichfeste Argumente für den Zugang zu haben. «Die Behörden lügen und sind unehrlich. Gemäss Gesetz sind Gewässer, Seebecken und Seeufer untrennbar verbunden. Sie formen eine Einheit, die Teil des öffentlichen Raumes ist.»

Wenn die Bundesbehörden nicht respektierten, was das Bundesgericht als Regel aufstellt, so von Wartburg, so haben wir grosse Probleme und Demokratiedefizite.

Volksinitiative auf Landesebene

Stéphane Lagonico, Präsident der Vereinigung der Landbesitzer um den Genfersee, taxiert die Argumentation von Rives Publiques als «exzessiv».

«Nur wenige Leute wollen entlang dem See wirklich lange Distanzen erwandern», sagte er am Schweizer Radio. Und ausserdem gebe es genügend Orte, wo die Leute um den See wandern könnten.

Das alles lässt von Wartburg kalt, er glaubt, mit der Bewegung für einen öffentlichen Seezugang viel Wind im Rücken zu haben.

«Rives Publiques» arbeitet zur Zeit an einer landesweiten Volksinitiative, um das Recht der Öffentlichkeit in die Verfassung aufzunehmen, freien Zugang zu Seen und Flüssen zu besitzen. Man hofft, sie nächstes Jahr starten zu können.

«Rives Publiques» verfolgt deshalb ähnliche Streitfälle in Wädenswil, Schmerikon, Pfäffikon und Nuolen am Zürichsee und im Kanton Schwyz.

Von Wartburg hat auch die Zürcher SP angesprochen. Diese hat kürzlich eine kantonale Volksinitiative ergriffen, um der Öffentlichkeit mehr Zugang zum Zürichsee zu verschaffen.

Er möchte auch weitere Fälle publik machen. Zum Beispiel den Fall der Residenz der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Betty King, in Mies im Kanton Waadt, oder jenen der neuen chinesischen Botschaft in Genf. Beide blockieren laut Wartburg den öffentlichen Zugang zum Ufer.

Am 21. August 2010, fand vom Hombrechtikon bis Zürich (nördliches Zürichsee-Ufer) ein gemeinsamer Sammeltag für die kantonale Volksinitiative zum Bau eines Zürichsee-Fusswegs statt.

Dabei engagiert sich besonders die SP.

Dieser Fussweg besteht schon auf dem Papier, seit vielen Jahren im Richtplan der Realisierung.

Für eine kantonale Initiative braucht es in Zürich 6000 Unterschriften.

Seit Dezember 1951 (!) sind immer wieder parlamentarische Vorstösse für einen Seeuferweg überwiesen worden.

Laut einer Umfrage 2007 möchten 61,4% der Schweizer uneingeschränkten Zugang zu den Seeufern.

In der Romandie sind es 71,6%, in der Deutschschweiz 58%, und unter den Jungen 80%.

Gemäss «River Publiques» umfassen die entsprechenden Bestimmungen komplizierte Gesetzesregeln von Kantonen und Bund. Doch dürfe das Schweizerische Zivilrecht nicht umgangen werden.

1982 hatten sich die Berner für eine Initiative für freien Uferzugang ausgesprochen. Doch ist das Gesetz nur schlecht eingeführt worden.

Nur gerade die Hälfte der Ufer des Zürich-, Genfer und Bodensees sind zugänglich.

Bieler und Thuner See haben Teile der Uferlinie zugänglich gemacht.

Der Neuenburger See dient den anderen als Modell. Ein Uferweg führt von Marin-Epagnier bis zum Grenze mit dem Kanton Waadt.

Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle

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