Mit diesen Massnahmen versuchen die Staaten das Coronavirus einzudämmen
Seit ihrem Auftreten in China zu Jahresbeginn hat sich die Lungenkrankheit Covid-19 über die ganze Welt ausgebreitet. Am 21. April waren 185 Länder und Territorien betroffen. Noch kennen wir nicht alle Geheimnisse des Virus und seiner Verbreitungsweise – die Pandemie wird uns noch lange beschäftigen. Welche Massnahmen zur Eindämmung des Sars-CoV-2 wurden bisher getroffen? Ein Überblick.
Während mehrere Länder in Asien, Europa und Amerika versuchen, die durch mehr oder weniger strenge Eindämmungsmassnahmen weitgehend zum Erliegen gekommene Wirtschaftstätigkeit wieder anzukurbeln, warnte Tedros Adhanom Ghebreyesu, Chef der Weltgesundheitsorganisation (WHO), am MontagExterner Link: «Wir wollen erneut betonen, dass die Lockerung der Beschränkungen in keinem Land das Ende der Epidemie bedeutet.»
Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt sehr gewagt, eine Rangliste zu erstellen, mit den Ländern, welche die Ausbreitung des Virus am erfolgreichsten verhinderten. Denn die Situation in Japan zeigt, dass die Zahl der Ansteckungen auch in bereits betroffenen Ländern weiter ansteigen könnte. Und andere Länder, beispielsweise in Afrika, waren bisher noch nicht massiv von der Infektionskrankheit betroffen.
Vier Monate nach der ersten Ankündigung seines Auftretens in der chinesischen Grossstadt Wuhan fielen die Antworten auf das neue Virus unterschiedlich aus. Das gilt auch für die ersten Ergebnisse.
Antoine FlahaultExterner Link, Direktor des Instituts für Weltgesundheit an der Universität Genf, weist darauf hin, dass das Virus bis jetzt vor allem in eher reichen Ländern in gemässigten Klimazonen der nördlichen Hemisphäre auftrat. «Die von der Pandemie stark betroffenen Länder können sich nur schwer dagegen wehren. Selbst dann, wenn sie über eine starke Wirtschaft und eine hochwertige Spitalinfrastruktur verfügen, wie Italien, Spanien, Frankreich und die USA. Sie haben Mühe, damit fertig zu werden, aber bisher haben sie sich gehalten.»
Umgekehrt sind die Länder, die sich bisher am besten wehren konnten, «die südostasiatischen Nachbarländer Chinas, die als erste von der Bedrohung betroffen waren, sowie Deutschland und in geringerem Masse die Schweiz. Unter den westlichen Ländern sind sie vielleicht diejenigen, die einen massiven Zustrom von Fällen auf den Intensivstationen am besten verhindern und die Sterblichkeit bisher begrenzen konnten», sagt Flahault.
Auch in Ostasien ist es Ländern wie Südkorea, Taiwan (von Peking als eine Provinz Chinas betrachtet) und China gelungen, die Pandemie einzudämmen. Trotz einer verzögerten Einleitung von Massnahmen gegen das Virus und manchmal fragwürdiger Daten, die an die internationale Gemeinschaft weitergegeben wurden. In Europa kamen Portugal und Griechenland bisher relativ unbeschadet davon.
Rasches Handeln als entscheidender Faktor
Zum heutigen Zeitpunkt scheinen Wohlstand und Entwicklung eines Landes also nicht unbedingt eine Erfolgsgarantie gegen die Epidemie zu sein. Wichtig ist der Umgang mit der Epidemie durch die betroffenen Behörden. Die ergriffenen Massnahmen und die Geschwindigkeit, mit der sie umgesetzt werden, sind entscheidende Faktoren. Als Griechenland das von Covid-19 in Norditalien verursachte Chaos bemerkte, unternahm das Land – im Bewusstsein der Schwächen seines Gesundheitssystems – rasch erste Schritte.
Für die seit Beginn der Pandemie betroffenen Länder ist die Schnelligkeit ihrer Reaktion ein erstes Element, das ermöglicht, eine Sättigung der Spitalstrukturen zu vermeiden und die Zahl der Patienten, die an Covid-19 erkranken, zu begrenzen.
Die Insel Taiwan – chinesische Provinz für Peking, die WHO und die überwältigende Mehrheit der Staaten – ist der erste Staat, der reagiert. Am 1. Januar wird ein Regierungsplan aktiviert, der strenge Kontrollen für Personen einführt, die aus Wuhan, dem ersten Herd der Epidemie, nach Taiwan einreisen.
Durch die Einführung strenger Kontrollen für alles, was auf der Insel ankomme, habe sich Taipeh «selbst die Mittel gegeben, um die Wiedereinführung des Virus zu verhindern», sagt Gilles PoumerolExterner Link. Er ist Experte für Gesundheitssicherheit am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP). Dabei sei eine solche Kontrolle für einen Inselstaat einfacher als für andere Länder.
Die sehr frühe Erkennung eines neuen Virus und die rasche Reaktion auf seinen Ausbruch tragen dazu bei, seine Ausbreitung einzudämmen. So lauten die Empfehlungen in den von der WHO im Jahr 2005 verabschiedeten Internationalen GesundheitsvorschriftenExterner Link. «Hätte China diese Massnahmen eine Woche nach dem Auftreten des neuen Coronavirus in Wuhan ergriffen, hätte das Virus das betroffene Gebiet wahrscheinlich nie verlassen», sagt Poumerol.
Die Wichtigkeit grossangelegter Tests
Die taiwanesische Regierung sorgte für Transparenz, führte Präventionskampagnen und grossangelegte Tests durch, isolierte einzelne Verdachtsfälle und sprach hohe Geldstrafen aus, wenn sich jemand nicht daran hielt. Diese Massnahmen wurden auch von Staaten wie Singapur, Südkorea und Vietnam angewandt. Dazu kommt das Tragen von Masken. Letzteres war aufgrund jüngster Epidemien und hoher Umweltverschmutzung in den Städten bereits vorher gängige Praxis.
«Die Staaten, die gegenüber der Pandemie widerstandsfähiger sind, sind diejenigen, die in der Lage waren, die von den Chinesen vorgeschlagenen und die auf die Erfahrungen mit der Grippe von 1918 zurückgehenden Eindämmungsmassnahmen mehr oder weniger mit moderneren Massnahmen zu kombinieren», sagt Flahault.
Der Professor für öffentliche Gesundheit erwähnt künstliche Intelligenz, Informationstechnologie und Biotechnologie. Sie ermöglichen Massentests, eine umfassende Rückverfolgung der Bevölkerung, die mit positiv getesteten Personen in Kontakt gekommen ist, und eine angemessene Isolierung von positiv Getesteten von gesunden Personen.
«Wann immer diese Methoden kombiniert wurden, waren sie wirksamer gegen die Pandemie, als wenn sie allein zur Eindämmung eingesetzt wurden», sagt Flahaut. Dies mit all den Risiken und Zwängen, welche diese Überwachungstechnologien nachweislich bereits für Bürger und Bürgerinnen und ihre Freiheiten schufen.
Mit diesen rasch ergriffenen Massnahmen sahen diese asiatischen Länder bisher von einem Lockdown ab, und die Wirtschaftstätigkeit konnte aufrecht erhalten bleiben. Wie stark diese Länder von der sich abzeichnenden globalen Rezession betroffen sein werden, muss sich zeigen.
Kommt hinzu, dass die Infektionsfälle in Singapur trotz der ergriffenen Massnahmen wieder aufflammten. Betroffen sind vor allem die 300’000 Wanderarbeiter, die hauptsächlich aus Bangladesch, China und Indien kommen. Vergangene Woche beschloss der Stadtstaat deshalb, alle Wohnheime, in denen diese ausländischen Niedriglohnarbeiter untergebracht waren, zu schliessen.
Die grosse Unbekannte Afrika
Trotz seiner vielen Schwächen vielversprechend, ist Subsahara-Afrika. Die Covid-19-Pandemie hat den Kontinent noch nicht mit voller Wucht getroffen.
«In Westafrika sind die Fälle nicht so hoch wie in Nordafrika. Der internationale Verkehr ist dort viel geringer als auf anderen Kontinenten. Im Moment sind vor allem diejenigen erkrankt, die einen privilegierten Zugang zu internationalen Reisen haben», bemerkt Chibuzo Okonta. Der Mediziner ist Präsident der Organisation Ärzte ohne GrenzenExterner Link in West- und Zentralafrika.
Aber in einigen Grossstädten steigen die Fälle dennoch an. Es scheint also nicht, dass das heisse und feuchte Klima, das auf einem grossen Teil des Kontinents herrscht, ein Faktor ist, der die Ausbreitung des Virus verlangsamt, wie Okonta sagt.
Einen Einfluss könnte eher die Jugendlichkeit seiner Bewohner haben, denn bisher hat Sars-CoV-2 vor allem ältere Menschen schwer getroffen. Das Medianalter liegt in diesen Ländern bei 19,7 Jahren, verglichen mit 42,2 Jahren in Europa oder Südkorea, 37,1 Jahren in China und 34,3 Jahren in Singapur.
Ein weiterer Grund zur Hoffnung ist, dass diese Länder – noch mehr als die Staaten in Asien – Erfahrungen mit Epidemien haben: «Trotz allem, was über die Gesundheitssysteme in der Region gesagt werden kann, sind sie die einzigen, die bereits Schocks wie die aktuelle Pandemie erlebt haben», sagt Okonta.
«Während der Ebola-Epidemien, aber auch bei Cholera, Meningitis und anderen Epidemien haben sie bereits darüber nachgedacht, wie die Zahl der Betten und die Aufnahme von Erkrankten erhöht und die Spitäler vergrössert werden können.»
Sorgen machen dem Arzt Massnahmen wie eine Ausgangssperre, die wenig Sinn machen, wenn man mit zehn Personen in einem Raum lebt. «Und die Handwerker und die Arbeiter müssen ihr Zuhause verlassen, um zu arbeiten und ihren Lebensunterhalt zu verdienen», sagt er. Das gelte für alle beruflichen Tätigkeiten, denen die grosse Mehrheit der Bevölkerung nachgehe. Die Behörden müssten den Beginn und das Ende der Ausgangssperre im Voraus festlegen, «damit sich die Menschen organisieren können».
Okonta betont: «Wir müssen die Märkte sicher machen und dafür sorgen, dass die Menschen sich die Hände waschen können. Diese Massnahmen haben in der Vergangenheit funktioniert, zum Beispiel in Liberia während der Ebola-Epidemie.»
(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)
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