«Globalisierung geht uns alle an»
Am 91. Auslandschweizer-Kongress in Davos hat sich Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf dafür ausgesprochen, dass ein Grossteil der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer bei den nächsten nationalen Parlamentswahlen im Herbst 2015 elektronisch teilnehmen können. Dies sei das Ziel der Landesregierung.
Der Auslandschweizer-Kongress war praktisch ein Mini-WEF im Kongresszentrum in Davos, mit Workshops und hochkarätiger Besetzung. Unter anderen anwesend waren Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, Ständerats-Präsident Filippo Lombardi und zahlreiche hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus Parlament und Verwaltung.
Das Thema «Die Schweiz versus die Globalisierung?» passte denn auch gut zum Austragungsort, findet doch am selben Ort jährlich im Januar das World Economic Forum (WEF) statt, bei dem sich Staats- und Wirtschaftsführer treffen – Davos steht während jener Zeit quasi im Zentrum der Globalisierung.
Inmitten der Turbulenzen, in denen die Schweiz gegenwärtig nicht zuletzt wegen der stetig voranschreitenden Globalisierung und ihrer Auswirkungen steckt, steht Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. «Sie sind praktisch das Auslandschweizer-WEF», nahm sie in ihrer Rede Bezug auf den Austragungsort.
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Arbeiten in einer globalisierten Welt
Die Globalisierung bringe immer mehr Verpflichtungen und Abhängigkeiten in verschiedensten Bereichen mit sich, erklärte die Bundesrätin vor den rund 380 Schweizerinnen und Schweizer aus der ganzen Welt. «Wir gestalten die Globalisierung selber mit und sind ihr zugleich ausgesetzt. In meinen Augen ist sie weder gut noch schlecht. Es geht darum, zu entscheiden, wie man die Chancen nutzt und die Risiken mindert.»
Als Beispiel nannte sie den Schweizer Finanzplatz, der gegenwärtig von Krise und Regulierungs-Forderungen aus dem In- und Ausland stark unter Druck steht. «Eine global ausgerichtete Finanzindustrie braucht globale Standards», sagte sie. «Bei der Erarbeitung dieser Standards müssen wir teilnehmen.»
Globalisierung als Jassrunde
Sie verglich die Globalisierung mit einem Jass, dem wohl beliebtesten Kartenspiel in der Schweiz. Man müsse sich immer wieder fragen, wann welche Karte gespielt werden solle, und wann gute Punkte geholt werden könnten.
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Auslandschweizer-Gesetz braucht noch Feinschliff
«Auch die Gegner versuchen, mit ihren Karten das Spiel zu gewinnen und Trümpfe zu machen», gab Widmer-Schlumpf zu bedenken. Doch die Schweiz habe gute Karten, besonders wegen einem hohen Niveau an Rechtssicherheit, einem stabilen politischen Umfeld, dem hohen Ausbildungsniveau, der hohen Qualität bei Produkten und Dienstleistungen, einer sehr guten Infrastruktur und guten Rahmenbedingungen für die Unternehmen. Zudem gebe es Spielregeln, die alle einhalten müssten.
Wahlen 2015: Hoffnung auf E-Voting
Ihre Ansprache schloss die Finanzministerin mit der Bemerkung, ein Teil der Globalisierung sei auch die politische Teilnahme der Schweizer Auslandgemeinde.
Das Ziel des Bundesrats sei, dass bei den Eidgenössischen Wahlen 2015 «eine grosse Anzahl der Kantone und die grosse Mehrheit der stimmberechtigten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer Versuche mit elektronischer Stimmabgabe durchführen können», so Widmer-Schlumpf.
«Mobilität verbessern»
Einen zentralen Punkt des Tagesprogramms machten drei Workshops aus, welche die Globalisierung in Zusammenhang mit der Wirtschaft, mit der Migration und mit den Institutionen stellten. Es waren interessante und lebhafte, teils auch angespannte Diskussionen. Oft aber hielten sich die Votantinnen und Votanten etwas stark an ihrem Parteibüchlein fest.
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Wo wohnen die meisten Auslandschweizer und -schweizerinnen?
«Die Schweiz als Binnenland ist gezwungen, sich zu öffnen», sagte Ständerats-Präsident und Auslandschweizerrat-Vorstandsmitglied Filippo Lombardi von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) im Workshop über die Globalisierung der Wirtschaft. Er forderte daher: «Wir müssen die internationale Mobilität der Schweizerinnen und Schweizer verbessern.»
Heute würden jedes Jahr zwischen 30’000 und 40’000 Schweizerinnen und Schweizer das Land verlassen, und fast ebenso viele wieder zurückkehren. «Auch die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind ein Teil der Globalisierung», betonte er. Deshalb sei die Einführung des neuen Auslandschweizer-Gesetzes wichtig.
Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisation (ASO), zeigte sich froh, dass die Workshops auch die «Aussen-Ansichten der Auslandgemeinde in die etwas introvertierte Schweiz hineinführen» konnten. Die Schweiz verdanke ihren Wohlstand dem mitwirkenden Austausch mit dem Ausland. «Unsere Chancen und Herausforderungen liegen oft jenseits der Landesgrenzen», betonte er.
Doch wenn die Schweiz überall Geschäfte machen wolle, könne sie nicht allein die Spielregeln definieren. «Also müssen wir uns nolens volens mit der Welt an einen Tisch setzen.» Es seien die Auslandschweizer, welche die Ärmel hochkrempelten, die Herausforderungen angingen und ihre Chancen nutzten.
Ab 1. Januar 2014 übernehmen Ariane Rustichelli und Sarah Mastantuoni die Direktion der Auslandschweizer-Organisation ad interim.
Der gegenwärtige ASO-Direktor Rudolf Wyder wird Ende Jahr in Pension gehen. Ab 1. April 2014 werden die beiden Frauen die Co-Direktion voll ausüben.
Wyder leitete die Organisation während 25 Jahren.
Rustichelli ist gegenwärtig Leiterin Kommunikation und Marketing, Mastantuoni leitet den Rechtsdienst.
Der Auslandschweizer ist jung
Schliesslich sei das Bild, das sich viele vom typischen Auslandschweizer machten, grundfalsch, erklärte Wyder. Die heutigen Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer seien jung, dynamisch, gut ausgebildet und sehr flexibel.
Sie entsprächen überhaupt nicht dem klassischen Klischee des Rentnerpaars, das seinen Lebensabend am exotischen Strand geniesse. Man müsse daher «überholte Bilder über Bord werfen, weil diese Konsequenzen haben in der praktischen Politik».
«Viele junge Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind Kinder der Globalisierung», sagte Wyder. «Der Rentner-Anteil an der Migration der Schweiz macht höchstens 3 Prozent aus.» Zudem sei die Fünfte Schweiz weiblich: 57% der immatrikulierten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer seien Frauen.
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