Grünes Licht für Schweizer Auftritt an Expo 2015
Die Weltausstellung in Mailand hat das Schweizer Parlament überzeugt: Der Nationalrat hat einstimmig einen Kredit von 23,1 Millionen Franken für die Schweizer Teilnahme gutgeheissen. Derweil haben die Arbeiten für das Ausstellungsgelände begonnen.
Es geschieht nicht jeden Tag, dass der Nationalrat – immerhin 200 Personen – einen Kredit von über 20 Millionen Franken ohne eine einzige Gegenstimme durchwinkt.
Die Teilnahme der Schweiz an der Weltausstellung 2015 in Mailand hat Zustimmung aus dem linken wie auch dem rechten politischen Spektrum erhalten.
Es sollte daher im Ständerat zu keiner Überraschung kommen. Dieser wird in der kommenden Wintersession des Parlaments über das Geschäft befinden.
In den Augen der Abgeordneten wird der Auftritt an der Weltausstellung ermöglichen, zwei Ziele zu erreichen.
Zuallererst werde der Schweizer Pavillon «eine optimale Marketingplattform für die Schweizer Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie bieten», wie Kathy Riklin, Nationalrätin der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), im Rat erklärte.
«Die Ausstellung bietet die Chance, die Stärken der Schweiz wie die kulturelle Vielfalt, die Forschungskapazität, die Innovationskraft und die Kreativität einer breiten Bevölkerung Italiens und anderer Länder sowie den ausländischen Medien näherzubringen», sagte die Sprecherin der vorberatenden Kommission weiter.
Die Organisatoren rechnen damit, das rund 20 Millionen Besuchende aus aller Welt die Ausstellung in der norditalienischen Stadt besuchen werden.
Konsumverhalten überdenken
Der Schweizer Pavillon, der eine Fläche von 4400 Quadratmetern umfassen wird, ist verschiedenen Aspekten des offiziellen Themas der Ausstellung gewidmet: «Den Planeten ernähren, Energie für das Leben». Die Besuchenden sollen dabei aufgefordert werden, über ihr Konsumverhalten nachzudenken, wie auch über die «weltweite Verfügbarkeit und Verteilung von Lebensmitteln», wie es heisst.
Das Projekt mit dem Namen «Confooderatio Helvetica» wurde aus 103 eingereichten Ideen ausgewählt. Es sieht den Bau von bis zu 12 Meter hohen Holztürmen vor, die mit typischen Schweizer Spezialitäten gefüllt sein sollen. Die Besuchenden sollen sich nach Lust und Laune bedienen können.
Die konsumierten Spezialitäten sollen jedoch nicht ersetzt werden. So soll dem Publikum aufgezeigt werden, dass der Konsum jedes Einzelnen dazu beiträgt, die Lebensmittelvorräte zu erschöpfen. Indem er seine «Versucherli» scannt, kann jeder Besucher seinen persönlichen Fussabdruck messen.
«Das Thema ist besonders interessant, weil es die Diskussion über verschiedene grosse Herausforderungen für die Zukunft unseres Planeten eröffnet», sagte Aussenminister Didier Burkhalter vor der grossen Parlamentskammer.
«Es geht um die Frage, wie der Weltbevölkerung unter dem Konzept der Nachhaltigkeit eine genügende, sichere, gesunde Nahrungsversorgung garantiert werden kann. Die Schweiz trägt zu dieser internationalen Debatte in den Bereichen Forschung und Wirtschaft bei.»
Wissensdefizit
«Der Schweizer Pavillon wird, so sind wir überzeugt, wiederum zu einem Publikumsmagneten werden», sagte Rosmarie Quadranti, Nationalrätin der Bürgerlich-Demokratischen Partei (BDP).
Davon waren auch verschiedene andere Abgeordnete überzeugt, die auch das zweite wichtige Ziel der Schweizer Teilnahme an der Expo 2015 betonten: Die Verstärkung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen der Schweiz und Italien.
«Italien ist der zweitwichtigste Wirtschaftspartner der Schweiz, nach Deutschland, aber vor Frankreich», gab der Freisinnige Nationalrat Fathi Derder zu bedenken. «Und mehr als 40 Prozent des Handels zwischen der Schweiz und Italien betreffen die Region Lombardei. Ein gewichtiger Partner – und ein wichtiges Treffen.»
Die Festigung der Beziehungen zwischen der Schweiz und Italien ist eine der Prioritäten der Aussenpolitischen Strategie, die der Bundesrat (Landesregierung) für die Periode 2012 bis 2015 festgelegt hat. «In den letzten Jahren waren die Beziehungen zwischen den beiden Ländern nicht immer einfach, sie befanden sich sogar einmal an einem toten Punkt», so Burkhalter.
«Nun verbessern sie sich wieder.» Laut dem Aussenminister wird die Schweizer Präsenz an der Weltausstellung ganz sicher dazu beitragen, «die Wissenslücke zwischen den beiden Ländern zum Teil aufzuschütten».
Steuer herumgerissen
Während das Parlament in Bern der Expo 2015 ihr Vertrauen ausspricht, haben die Arbeiten in Mailand erst richtig angefangen. Ende August wurde mit dem Bau der so genannten «Platte» begonnen, dem 1’100’000 Quadratmeter grossen Boden der Weltausstellung, auf dem die Länderpavillons zu stehen kommen werden.
Und parallel dazu wurde auch das andere grosse Projekt in Angriff genommen: Kanäle, die von der Schiffsanlegestelle im Zentrum Mailands zu den Pavillons in den Vorstädten Rho und Pero im Nordwesten der lombardischen Hauptstadt führen sollen. Es soll ein Ring von 21 Kilometern Länge werden, umfasst von einer grünen Zone mit Radwegen, im Einklang mit dem Thema der Veranstaltung.
«In den vergangenen Jahren haben wir viel kostbare Zeit verloren, doch nun konnten wir das Steuer herumreissen, dank der wiederentdeckten Zusammenarbeit zwischen den Institutionen», sagt Giuliano Pisapia, Bürgermeister von Mailand. Er hat erst kürzlich sein Mandat als ausserordentlicher Kommissär für die Expo 2015 an die italienische Regierung zurückgegeben und so dafür gesorgt, dass die Verantwortung für die Veranstaltung nun in deren Händen liegt.
«Wir werden 2015 bereit sein, denn die Expo muss und wird ein Erfolg sein. Eine Gelegenheit für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung für Mailand, Italien, Europa und die Welt», sagt Pisapia gegenüber swissinfo.ch. Er ist soeben von einer Promotionsreise für die Expo 2015 aus dem Nahen Osten zurückgekehrt.
Zuversichtlicher Monti
Inzwischen hat sich dem Projekt Weltausstellung eine ganze Anzahl von Ländern angeschlossen. Mit der Zusage von Tansania nähert man sich der Schwelle von 100 Ländern. Doch die Organisatoren rechnen damit, auf 130 bis 140 zu kommen.
Auch der italienische Premierminister Mario Monti rechnet mit einem Erfolg: «Italien wird Bewunderung erregen für die Kreativität, Originalität und Wirtschaftlichkeit der getroffenen Auswahl.»
Optimismus, der auch von Botschafter Dante Martinelli, dem Generalkommissär für die Schweiz an der Expo 2015, geteilt wird: «Die Weltausstellung bietet den Schweizer Unternehmen die Gelegenheit, ihre Präsenz und Sichtbarkeit in Italien zu verstärken, indem sie sich an den Ausschreibungen für den Bau von Infrastruktur und Pavillons beteiligen. Zudem bietet sie die Möglichkeit, die Zusammenarbeit im Bereich Tourismus auszubauen.»
Für die Schweiz ist Italien der zweitgrösste Zulieferer von Gütern und Dienstleistungen (19 Mrd. Fr. 2011) und der drittgrösste Exportmarkt (16 Mrd. Fr. 2011).
Ende 2010 erreichten die italienischen Investitionen in der Schweiz, mit denen rund 14’000 Arbeitsstellen verbunden sind, 5 Mrd. Fr.
Zu den grössten in der Schweiz tätigen italienischen Unternehmen gehören Generali, Fiat, Pirelli und Bulgari.
Die Eidgenossenschaft steht bei den Wirtschaftspartnern Italiens an 6. Stelle bezüglich Exporten, bei Importen an 9. Stelle.
Die Schweizer Investitionen in Italien beliefen sich 2010 auf 20 Mrd. Fr.
Schweizer Firmen, darunter ABB, Nestlé, Novartis, Roche, Zürich, UBS, CS und Swisscom, sorgen in Italien für rund 76’000 Arbeitsplätze.
Dazu überqueren täglich etwa 55’000 italienische Staatsbürger die Grenze, um in der Schweiz zu arbeiten.
20 Millionen erwartete Besucherinnen und Besucher (davon 75% aus Italien)
2 Millionen erwartete Besucherinnen und Besucher aus der Schweiz
Knapp 100 Länder, die sich bis heute zu einer Teilnahme verpflichtet haben
1’100’000 Quadratmeter misst die gesamte Ausstellungsfläche
500 bis 4500 Quadratmeter Fläche werden die einzelnen Pavillons aufweisen
56% der Fläche werden grün sein
80% des Materials soll nach Abschluss der Ausstellung rezykliert werden
Der Nationalrat hat am 18. September einen Kredit über 23,1 Mio. Fr. für den Bau und Unterhalt des Schweizer Pavillons an der Expo 2015 bewilligt.
Der Bund übernimmt 15,1 Mio. Fr., der Rest wird von Kantonen, Gemeinden und privaten Geldgebern berappt.
(Übertragen aus dem Italienischen: Christian Raaflaub)
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